Wir haben die Absicht, eine Mauer zu errichten

Rüdiger Pongs auf den Spuren der Gladbacher Stadtbefestigung

Von Thomas LeukelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Leukel und Vannessa EndresRSS-Newsfeed neuer Artikel von Vannessa Endres

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Zu viel Information“ heißt es in einem Lied der deutschen Sängerin Annette Louisan – und wem zufällig Rüdiger Pongs Monografie Die Gladbacher Stadtbefestigung. Die Verteidigungsanlagen in Gladbach vom befestigten Münsterberg bis zur Fortifikation des Dreißigjährigen Krieges in die Hand fällt, der könnte einen ähnlichen Eindruck bekommen. Doch demjenigen, der sich für die Geschichte der Stadt Gladbach und generell die Archäologie deutscher Städte interessiert, für den ist das Werk des detailversessenen Autors ein Quell nicht enden wollender Fakten und Informationen. Der gelernte Druckformhersteller beschäftigt sich seit 2006 mit unterschiedlicher Intensität mit der Gladbacher Stadtbefestigung und betont dabei, dass es besonders im Hinblick auf eine „zusammenhängende Beschreibung und Baugeschichte der Mönchengladbacher Stadtmauer“noch keine wissenschaftlichen Ausarbeitungen gibt. Somit betritt Pongs gewissermaßen Neuland. Von diesem Forschungsdesiderat inspiriert und mit maßgeblicher Unterstützung durch den Leiter des Mönchengladbacher Stadtarchivs Christian Wolfsberger ausgestattet, entstand Pongs‘ Werk. Es gliedert sich thematisch in drei Teile und bietet dem Leser einen klar strukturierten Überblick bezüglich der Entwicklungen und Bauarbeiten an den unterschiedlichen Befestigungen rund um die mittelalterliche Stadt Gladbach. Um die eigentliche Fragestellung – diejenige nach der Beschaffenheit der Stadtbefestigung – klären zu können, begibt Pongs sich auf die Suche nach vorangegangenen Anlagemodellen – und wird auch fündig. Die „Urkarte von 1812/13“ bildet dabei die fundamentale Grundlage für alle folgenden Überlegungen.

Den ersten Teil seines Buches widmet Pongs der Kirchhofbefestigung, indem er dem Leser eine sehr detaillierte Übersicht zu deren Typologie gibt. Pongs arbeitet dabei anhand von Definitionen über die verschiedenen Kirchhoftypen und über Beispiele aus den umliegenden Bundesländern auf die Befestigung der Kirchhöfe in Mönchengladbach selber zu. Zeitlich zieht er dabei einen Bogen vom frühen 9. Jahrhundert zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die doch sehr zahlreich eingesetzten Beispiele erschweren es teilweise, das ursprüngliche Thema im Blick zu behalten.

Den zweiten Teil wird dazu genutzt, korrigierende Anmerkungen bezüglich der Entstehung der Befestigung sowie ihres Verlaufs zu unternehmen. Ausgangspunkt für die Erbauung der Stadtbefestigung bildet in den Augen Pongs die Erhebung zur Stadt im Jahr 1365. Er datiert ferner den Beginn des Baus der Stadtbefestigung auf die Jahre zwischen 1393 und 1397 und die Fertigstellung eben dieser zeitlich zwischen 1414 und 1420. Weiterhin stellt er interessante Überlegungen hinsichtlich des Verlaufs der Anlage an, sei doch theoretisch ein Einsparpotential von 50 Meter vorhanden gewesen. Nachvollziehbar führt er dies auf die Intention des Baus einer Landesburg zurück, die nie realisiert wurde. Im Folgenden skizziert er recht genau den Verlauf der Gräben rund um die Stadtbefestigung und hält fest, dass diese Grabenanlagen bedeutender und flächenmäßig größer als bisher angenommen gewesen sein müssen: „Den einzelnen Aspekten verschiedener Bauwerke […] nähert man sich am besten bei einem Rundgang entlang des früheren Mauerverlaufs“, schreibt Pongs zum Beginn des zweiten Teils. Im weiteren Verlauf veranschaulicht Pongs diesen Rundgang, indem er die verschiedenen Etappen entlang des Markttors über den Wyenturm bis zum alten Gladbacher Rathaus en détail beschreibt. 

Im dritten und letzten Teil widmet sich Pongs den Veränderungen, die an Verteidigungsanlagen seit der Mitte des 15. Jahrhunderts durch Erfindung leistungsfähigerer Artillerie nötig wurden. Pongs ist überzeugt, dass in der Spätphase des Dreißigjährigen Krieges 1642 eine Fortifikation der Anlage vorgenommen und gar ein zweiter Wall gebaut wurde. Des Weiteren deute die landwirtschaftliche Nutzung von Flächen in der Nähe des Stadtwalls sowie das Urkataster von 1812/13 auf eine Modernisierung des Walls in dieser Zeit hin. Einen eindeutigen Hinweis darauf liefere ebenso der so genannte Noever-Nachtrag von 1866, der sich unter anderem auf das Rechenbuch der Stadt Mönchengladbach aus den Jahren 1617 bis 1645 bezieht. Pongs deutet die darin enthaltenen Rechnungen und den Fakt, dass gleichzeitig fremde Ingenieure beteiligt waren, als einen Beweis für die Fortifikation der Stadtmauer in dieser Zeit. Schließlich beendet er seine Ausführungen mit der Lokalisierung der zweiten Wallanlage. Die Datierung der Unbrauchbarmachung des Walls vermutet Pongs in den Jahren ab 1648, aber spätestens 1652 als eine Folge des Brands und des Bedarfs an Baumaterial.

Zur inhaltlichen Unterstützung benutzt Pongs zahlreiche Bilder und differenzierendes Kartenmaterial. Dieses wird außerdem durch ein umfassendes Glossar und einen beeindruckenden Anmerkungsapparat im Anschluss an den dritten Teil des Buches unterstützt. Was ihn besonders auszeichnet, ist, dass er für einen Nicht-Historiker ein bemerkenswertes Fachwissen vorweisen kann. Inhaltlich führt Pongs den LeserInnen zuerst die verschiedenen Kirchhoftypen vor, beschreibt den vermeintlichen Verlauf der Mauer, ehe er sich den wichtigsten Bauwerken entlang der Mauer widmet. Er korrigiert bisherige Missverständnisse bezüglich des Baubeginns, der Fertigstellung und der Bedeutung der Gräben und besticht durch eine anschauliche Schreibweise. Inhaltlich widmet er sich zudem einer möglichen Fortifikation der Anlage während des Dreißigjährigen Krieges. Bei all seinen Ausführungen ist jedoch eine grundsätzliche Vorstellung über die Beschaffenheit der Gladbacher Altstadt erforderlich, so dass es für einen Nichtkenner gelegentlich schwer ist, ihm zu folgen.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Rüdiger Pongs: Die Gladbacher Stadtbefestigung. Die Verteidigungsanlagen in Gladbach vom befestigten Münsterberg bis zur Fortifikation des Dreißigjährigen Krieges.
Klartext Verlagsgesellschaft, Essen 2014.
400 Seiten, 29,95 EUR.
ISBN-13: 9783837511017

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch