Die Inszenierung des Augen-Blicks

„Manet – Sehen. Der Blick der Moderne“: Der französische „Distanzimpressionist“ schuf eine Malerei von Angesicht zu Angesicht

Von Klaus HammerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Hammer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

1874 fand in Paris die erste Ausstellung der Impressionisten statt und infolgedessen wurde der Impressionismus für die nächsten Jahrzehnte die beliebteste aller Kunstrichtungen. Einer seiner bedeutendsten Wegbereiter, obwohl er selbst nicht als Anführer oder Mitglied dieser Richtung gesehen werden wollte, einer der größten Neuerer der Malerei überhaupt, war Edouard Manet, der zugleich bis heute einer der unbekanntesten, vieldeutigsten Künstler geblieben ist. Außer seinen Bildern gibt es auch so gut wie keine Selbstzeugnisse von ihm. „Manet las wenig und schrieb nichts“, stellte sein Biograf Antonin Proust fest. Er war ein privilegierter Bürger, rief aber mit seinen farbintensiven, scheinbar skizzenhaften Bildern bis dahin beispiellose Skandale hervor.

War Manet nun ein Einzelgänger, hat er einen ganz eigenen Impressionismus geprägt oder ist er doch mit vielen Fäden mit den Künstlern des impressionistischen Umfeldes verbunden? Darüber ist viel geschrieben worden und auch Ausstellungen haben Antwort darauf zu geben versucht. Die Kunsthalle Hamburg geht einen Schritt weiter: Welche malerische Strategie verfolgt Manet, wenn er mit bisher unbekannter Direktheit ein spannungsvolles Verhältnis zwischen den Personen im Bild und dem Betrachter herzustellen sucht? Aus einer neuen Perspektive – der des Sehens und des Blickes in die Kunst Manets – wird das Werk dieses „Distanzimpressionisten“ von seinen Anfängen bis in die Spätzeit präsentiert (bis 4. September 2016). Aus ganz Europa und aus Übersee konnten bedeutende Werke des Malers zusammengetragen werden, „Der Balkon“ (1868/69) ist darunter, „Nana“ (1877) oder „Im Wintergarten“ (1879), dagegen musste auf manches andere – etwa „Das Frühstück im Freien“, „Die Bar in den Folies-Bergère“ (hier kann nur eine Ölskizze von 1881 gezeigt werden) oder „Olympia“ – verzichtet werden.

So unterschiedlich die Impressionisten die Welt auch sahen, gemeinsam war ihnen das Gefühl, dass das Leben in Paris und auf dem Lande – die Cafés und Parks, die Salons und Schlafzimmer, die Boulevards, der Strand und die Ufer der Seine – eine Vision des Gartens Eden werden könnte, das ungetrübte Bild einer heilen Welt. Diese Welt kann man wohl, wie Manet, distanziert und ironisch betrachten, niemals aber verzweifelt.

Manet, der bereits mit 51 Jahren starb, malte zwar in den 1870er-Jahren auch „en plein air“, aber lieber war er der Maler-Flaneur, der tagsüber, aber auch nachts durch Paris streifte und erst im Atelier die Synthese aus der Fülle der visuellen Eindrücke zog: in den Tuilerien, auf der Pferderennbahn, vom Bahnhof Saint-Lazare, in seinen großen Paris-Panoramen. Doch im Sommer 1874 kam es in Argenteuil zu einer direkten Kooperation mit Claude Monet und Auguste Renoir. Monet sei der „Raffael des Wassers“, sagte Manet bewundernd, und sicher haben die jüngeren Künstler nicht nur von ihm, sondern er auch von ihnen gelernt. Eine nahansichtige Porträtskizze von Monet und seiner Frau Camille (aus der Stuttgarter Sammlung) hat Manet auf dessen schwankendem Atelierboot in stufenweiser Ausführung entworfen, während die viel programmatischere Fassung desselben Themas „Die Barke“ (ebenfalls 1874) vom gegenüberliegenden Steg gemalt wurde und mit dem Boot die ganze Monetʼsche Flusslandschaft einfängt. Aus dem Vergleich mit Monets Darstellungen seines Atelierbootes kann geschlossen werden, dass beide Künstler gleichermaßen mal der flüchtigen Impression und mal einer konstruktiv-dauerhaften Bildorganisation den Vorrang gaben. „Die Familie Monet im Garten von Argenteuil“ haben Manet und Renoir gleichzeitig gemalt, und Monet hat dann wiederum den im Freien malenden Manet in einem heute verschollenen Bild festgehalten. Von allen dreien wird nicht mehr kleinteilig tüpfelnd und strichelnd die Farbe aufgetragen, sondern in größeren Farbflächen und mit langen Pinselzügen. Aber immer geht es um die Inszenierung des Augen-Blicks. Manets Bild „Der Pflaumenschnaps“ von 1878, aber auch Renoirs „Im Theater“ (1880) ist eine Antwort auf Edgar Degasʼ bekanntes „Im Café (Der Absinth)“ (1875/76) – dabei holt Manet die Figuren viel näher an den Betrachter heran. Im Gegenzug gewann Degas wiederum dem Motiv der nackten Frau bei der Toilette eine unendliche Vielfalt und die ungewöhnlichsten Haltungen ab.

Der von Hubertus Gaßner und Viola Hildebrand-Schat herausgegebene Katalog untermauert das Thema „Manet – Sehen“ durch Beiträge, die neue Aspekte in die Manet-Forschung einbringen. In seinem Geleitwort betont Gaßner, der scheidende Direktor der Hamburger Kunsthalle, dass Manet den Betrachter mit seinen Arbeiten ganz unmittelbar ansprechen wollte und sollte. „Solche Ansprache des Betrachters geht von den Personen in den Bildern selbst aus, wenn sie sich dem Betrachter nicht nur frontal zuwenden, sondern ihn auch direkt anschauen. […] Diesem Blick kann sich der Besucher der Ausstellung nicht entziehen, er muss Stellung nehmen, für oder gegen das Bild“.

Michael Lüthy geht auf den doppelten Blick ein, den gemalten Blick in Manets Gemälden und zugleich das Betrachten dieser Gemälde, das Sehen im Bild und das Sehen des Bildes – und auf die Folgen, wenn beides aufeinandertrifft. Er macht das an drei Beispielen deutlich: an einem Einzelporträt (dem Kinderbildnis „Der kleine Lange“, ca. 1861), an einem zwischen Porträt und Genre oszillierenden Mehrfigurenbild („Der Balkon“, 1868/69) und an einem Genrebild ohne Porträtabsicht („Die Bierkellnerin“, 1879).

Wie reagierte Manet mit seinen Saloneinsendungen gezielt auf die spezifischen Ausstellungsbedingungen im Palais de l’industrie, in dem der Salon seit 1857 gastierte, fragt Matthias Krüger. Bei der Auswahl seiner Salonbilder ist der Künstler strategisch vorgegangen; er scheint bewusst Gemälde kombiniert zu haben, die durch ihre Zusammenstellung oftmals neue, in den Einzelwerken schon angelegte Sinnschichten zutage förderten. Ein Denken in Bildpaaren, wenn nicht in Pendants, wird dem Maler zugeschrieben, so bei den Bildern „Der Balkon“ und „Das Frühstück“. Manet hat wohl, so führt Krüger aus, für seinen „Balkon“ bewusst eine hohe Hängung im Salon einkalkuliert, von wo er sich über den Salonbesuchern wie ein Scheinbalkon öffnet. Manets oft lebensgroße Figuren sind meist auf den Betrachter hin ausgerichtet, auch wenn sie ihn nicht direkt anblicken. Stets scheinen sie sich der Anwesenheit des Betrachters bewusst zu sein, immer gehe es Manet um die Ausrichtung seiner Bilder auf ein größeres Publikum. In zwei weiteren Beiträgen beschäftigt sich Matthias Krüger mit den  Salonpaarungen, die Manet eingereicht hatte und von denen zwei – „Der Balkon“ / „Das Frühstück“ und  das Porträt von Jean-Baptiste Faure in der Rolle des Hamlet / „Nana“ – in der Hamburger Ausstellung gezeigt werden, und zum anderen mit zwei weiteren Salon-Künstlern, Jean-Léon Gérôme und Ernest Meissonier, deren Arbeiten ähnlich spektakuläre Ereignisse waren wie die Manets, deren Sehen sich aber wesentlich von dem „flüchtigen Blick der Moderne“, dem der Impressionisten und Manets, unterscheidet.

Darüber, wie Manets Gemälde „Henri Rochefort“, „Jean Baptiste Faure“ und „Nana“  in die Hamburger Kunsthalle kamen, informiert Dorothee Hansen, während sich Joachim Kaak, ausgehend von Werner Hofmanns These von „Übereinkunft und Widerstreit“, von „Zuschauen/Zur Schau Stellen“, die dieser auf „Das Frühstück“ und „Nana“ bezogen hatte, bei der Analyse von drei Werken – „Die Krocketpartie“ (1873),  „Die Barke (Monet, malend in seinem Bootsatelier)“ (1874) und „Seineufer bei Argenteuil“ (1874) – zu dem Ergebnis kommt: „Sehen – die Wahrnehmung einer disparaten Wirklichkeit und deren Wiedergabe im Bild der Gegenwart – setzt danach einen zutiefst emanzipatorischen Akt des Auges voraus […], auf den sich Künstler und Betrachter gleichermaßen einlassen müssen“. Viola Hildebrand-Schat geht der Maler-Modell-Beziehung Manets nach. Die indifferente Haltung des Malers seinen Modellen gegenüber erklärt sie damit, dass, „die Leinwand vor Augen, ihm alle Personen gleich“ waren. Manet habe sich so sehr auf den Gegenstand konzentriert, dass es seinen Zeitgenossen schien, als hätten die Personen während des Malvorgangs lediglich den Stellenwert von Stillleben gehabt. „Was Manet vorrangig interessierte, war der malende Vollzug, waren Komposition, Farbgebung und die malerische Behandlung des Sujets. Malen um des Malens willen, dies war Manets erstes und vorrangiges Anliegen.“

Den musikalischen und musikbezogenen Themen Manets widmet sich Michael Diers – und er stellt eine erfinderische Intermedialität von Bild und Musik fest. Manet entwickelte das Thema Musik ausgehend vom Motiv bis hin zum Reflexionsgegenstand, sodass es zu einem immer wieder anderen Zusammenspiel von Bild und Betrachter kommt. Barbara Wittmann untersucht Manets Bildnisse der Berthe Morisot, die als Malerin eine Mittlerfunktion zwischen Manet und dem Impressionismus eingenommen hatte. Die einzelnen Porträts erinnern an den „endlosen Aufschub einer Liebesgeschichte“, es sind Episoden aus dem „vie de la bourgeoisie“. Die scheinbare Zufälligkeit und Absichtslosigkeit der Pose des Modells (Morisot) soll die Konzeption des Bildes als einen dem Leben entrissenen flüchtigen Augenblick stützen. Manet habe das Verhältnis zu seinem Modell in die Sprache der erotischen Faszination, der Annäherung und Verführung gefasst. Diana Wiehn behandelt das Thema „Manet und die Fotografie“. Während sich Manet einerseits der Fotografie bediente und sogar bestimmte Eigenheiten derselben in seine Malerei übernahm, habe er sich andererseits zugleich von der Art und Weise fotografischer Wiedergabe distanziert und eben nach spezifisch malerischen Lösungen gesucht.

In 12 Abschnitten – von „Frühe Arbeiten Manets“, „Manet und Spanien“ bis „Caféhausszenen“ und „Freunde im Blick“ – stellt der Katalog zahlreiche Werke detailliert in Wort und Bild vor. Die hier gegebenen Kurzanalysen, Querverbindungen, Haupt- und Seitenstränge, überhaupt das ganze Bezugssystem stellen eine überaus ergiebige Fundgrube sowohl für Laien als auch für Kenner dar. Etwas mühselig gestaltet sich allerdings das Nachschlagen der entsprechenden Abbildungen, die mal im numerisch nicht folgerichtigen Ablauf des Katalogteils und mal im Textteil aufgesucht werden müssen.

Viele Bilder Manets wurden durch klassische Werke und altbekannte Themen angeregt (Raffael, Tizian, Peter Paul Rubens, Diego Velázquez, Francisco de Goya und andere), aber sie sind keine Pasticcios oder Nachahmungen, sondern originäre Schöpfungen. Mythologische und historische Figuren hat Manet durch zeitgenössisches Personal ausgetauscht – etwa „Olympia“ (1863): Sie ist eine Kurtisane wie aus einem Buch von Alexandre Dumas, keineswegs eine Göttin. Obwohl nackt, lebt sie in der gleichen Welt der Menschen mit Frack und Zylinder, die sich auf den Pariser Boulevards ergehen. Mit realistischer Freizügigkeit hat Manet Figuren, Gegenstände und Wirklichkeitsausschnitte so arrangiert, dass sie sich uns geradezu anbieten, uns, den Betrachtern seiner Bilder.

Im „Frühstück im Atelier“ (1868) nimmt das Stillleben erstaunlich viel Platz ein, in das drei Figuren – als Brustbild in Seitenansicht, als Kniestück und als Ganzfigur – eingefügt sind. Der Maler hat seine Menschen im „Lebenden Bild“ stilllebenhaft wie die toten, reglosen Dinge eingefroren. Genauso wie das stilllebenartige Arrangement zusammenhanglos erscheint, haben auch die Figuren keinerlei Beziehungen zueinander. Ein undurchdringliches Schweigen, ein Verstummtsein liegt über ihnen. Wenn es sich bei dem nachdenklich blickenden jungen Mann im Vordergrund um den vor der Heirat mit Suzanne geborenen Sohn Léon handeln soll, zu dem sich Manet nie bekannt hat, ist hier auch ein Familienthema angeschlagen: Léon löst sich von der Familie und wird seinen eigenen Weg gehen.

In „Der Balkon“ (1868/69) sind drei Figuren herausgetreten aus der nur spärlich beleuchteten Wohnung im Hintergrund ins Offene, sie blicken in verschiedene Richtungen. Aber nur die eine, Berthe Morisot, die Malfreundin mit den sprechenden Augen, dem schön geschnittenen Gesicht, ihrer Auftrittskultur, scheint den Betrachter wirklich zu fesseln. Manet hat sie hart an das kaltgrüne Eisengeländer gerückt, auf dem ihr rechter Arm und die Hände mit dem zusammengefalteten Fächer ruhen. Ernst und versonnen blickt sie in eine unbestimmbare Ferne. Der Maler betrachtet sie hier in einer achtungsvollen Distanz.

Immer wieder hat Manet Berthe Morisot gemalt, vierzehn Porträts von ihr im Verlauf von sechs Jahren geschaffen, in der einzelne – immer wieder andere – Charakterzüge hervortreten. Ob verschleiert (1872), wobei der Blick unbestimmt bleibt, ob den Fächer auffaltend (1874), sodass er als Zeichen des Abschieds als Modell gedeutet werden kann (sie wurde ja dann die Frau seines Bruders), wird hier ein vielfältiges Beziehungsgefüge zwischen Künstlerin und Künstler sichtbar.

Der gefeierte Opernsänger Jean-Baptiste Faure, der selbst zahlreiche wichtige Werke des Künstlers erwarb, gab Monet ein Porträt in der Rolle des Hamlet in Auftrag. Das Hamburger Gemälde (1877) vergegenwärtigt den Geist von Hamlets Vater, den Manet noch vorher in einem Pastell schemenhaft dargestellt hatte, nur noch indirekt im Reflex der Haltung und der Augen des Schauspielers. Hamlets innere Erregung auf der flackernden Bildfläche teilt sich dem Betrachter nicht nur durch die Körperhaltung, sondern auch durch die malerische Textur, im fiebernden Stakkato der Pinselhiebe und -striche mit, die im Hintergrund des Zuschauerraums sein Echo findet.

„Im Wintergarten“ (1879) stellt ein ungleiches Paar inmitten eines Pflanzenarrangements dar. Sie hat die Künstlichkeit einer Schaufensterpuppe, er, hinter der Gartenbank stehend, neigt sich ihr zögerlich werbend zu, während sie an ihm vorbei ins Leere schaut. Tritt hier ein Mensch aus Fleisch und Blut neben eine Kunstfigur, eine „Eisheilige“? Im gleichen Ambiente hat Manet seine Frau Suzanne gemalt („Madame Manet im Wintergarten“, 1879). Die Sitzende ist jetzt dichter an den Maler herangerückt und die Pflanzen durch Unschärfe weiter abgerückt. Doch gerade sie sind es, die die Porträtierte und die Beziehung des Malers zu ihr genauer charakterisieren.

Das Verwunderung auslösende Bild „Nana“ (1877) der Hamburger Kunsthalle zeigt eine helle, zum Betrachter blickende, ihre Schminkprozedur gerade beendende junge Person in Korsage und Unterrock – sie bereitet einen Aufbruch in die Öffentlichkeit vor, keinen schwülen Séparée-Abend. Der ihr zuschauende Galan am rechten Bildrand – er wirkt wie ein „Angeschnittener“ – ist nur eine Assistenzfigur, die überhaupt nicht den Gedanken einer Verführung aufkommen lässt. Es ist nicht der Blick einer Frau, die sich bei ihrer Toilette überrascht fühlt, sondern sie stellt sich selbstbewusst – den Betrachter frei anblickend – zur Schau, und zwar in dreifacher Weise: dem Betrachter des Bildes, dem „angeschnittenen“ Herrn und im Spiegel.

Die schonungslos geschilderten Details der Langeweile und Sinnlosigkeit, aus denen das Leben Emma Bovarys, der Titelfigur des berühmten Romans von Gustave Flaubert, besteht, entsprechen dem Gedankenwirrwarr hinter dem ausdruckslosen Gesicht des Mädchens in Manets Ölskizze zu „Bar in den Folies-Bergère“ (1881), die anstelle der in London befindlichen Endfassung (1882) gezeigt wird. Beide, der Roman als auch das Bild, deuten zudem schon auf die ‚objektiven‘ molekularen Strukturen aus getüpfeltem Licht, aus denen Georges Seurat und Alfred Sisley, aber auch Monet und Renoir die lichtgesprenkelten Wiesen und Felder, das Laub der Bäume und die Blütenpracht der Gärten zusammensetzten. Ein Stillleben in Manets letzter Entschiedenheit hat man diese blonde Schöne bezeichnet, die, den Blick nach vorn gerichtet, wie ein Standbild hinter der Marmorplatte einer Bar aufragt, im Hintergrund an der Wand ein großer Spiegel, der das Publikum der Bar, Tanz und Gewimmel, Lärm und Lichterspiel widerspiegelt. Das Versunkensein des Barmädchens steht im Gegensatz zu der belebten Szene vor ihren Augen, die sich dem Betrachter aber nur indirekt über den Spiegel erschließt. Skizze und Gemälde zeigen zwei unterschiedliche Typen von Barmädchen, die hier Modell gestanden haben. In der Skizze hat sich die Frau hinter der Theke leicht einem Herrn im Spiegel zugewandt, mit dem sich der Bildbetrachter identifizieren und so in unmittelbaren Dialog mit ihr treten kann. Der Spiegel erzählt also keine Geschichte, seine mehrfache Verkippung räumt das Wirkliche aus. Das ist Manets letztes Geschenk an die Welt.

Titelbild

Hubertus Gaßner / Viola Hildebrand-Schat (Hg.): Manet – Sehen. Der Blick der Moderne.
Michael Imhof Verlag, Petersberg 2016.
256 Seiten, 29,95 EUR.
ISBN-13: 9783731903253

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch