Motive, Formen und Facetten des jüdischen Widerstands gegen den Holocaust

Zu dem von Julius H. Schoeps, Dieter Bingen und Gideon Botsch herausgegebenen Sammelband

Von Franz Sz. HorváthRSS-Newsfeed neuer Artikel von Franz Sz. Horváth

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Frage des jüdischen Widerstands gegen die nationalsozialistische Vernichtungspolitik gehört zu den umstrittensten und spannendsten Kapiteln des Holocausts. Zwar kann die Zahl der einschlägigen Publikationen als überschaubar gelten, jedoch nur, wenn der Begriff „Widerstand“ beziehungsweise das damit gemeinte Phänomen eine enge Auslegung erfährt. Das Interesse der Öffentlichkeit und der Forschung konzentrierte sich generell lange auf den militärischen Widerstand gegen das „Dritte Reich“. Andere Formen, sich den nationalsozialistischen Zielen zu widersetzen, wurden kaum beachtet. Dies gilt erst recht im Hinblick auf den jüdischen Widerstand, dessen Erforschung erst spät einsetzte. Die berühmte Kritik Hannah Arendts an der Rolle und Mitverantwortung der Judenräte im Holocaust drückte der Beschäftigung mit dem Thema zu lange ihren Stempel auf. Dabei bezeichnete Arendt selbst das Insistieren des israelischen Staatsanwalts auf Fragen nach dem ausgebliebenen Widerstand als „töricht“ und „grausam“.

Vor allem der fundamentale Wandel in der Holocaustforschung, der ab den späten 1970er-Jahren einsetzte und den Blick von den Tätern ab- und den Opfern zuwandte, ermöglichte eine intensivere Beschäftigung mit den unterschiedlichen Verhaltensweisen von Juden während der Shoah. Die Forschung arbeitete dabei die tragende Rolle vereinzelter Gruppen der politischen Linken wie auch der zionistischen Jugendorganisationen heraus. Sie widmete sich sowohl den Aufständen in den unterschiedlichen Ghettos, von denen der Warschauer Aufstand der bekannteste ist, als auch dem „geistigen Widerstand“ und der „Selbstbehauptung“ der Juden. Diese Termini, den Titeln unterschiedlicher Publikationen entnommen, verdeutlichen bereits den Wechsel des Blickwinkels: Es entwickelte sich ein anderes Verständnis des Begriffs „Widerstand“, dessen Semantik eine zunehmende Auffächerung und Erweiterung erfuhr. Unübertroffen geblieben ist dabei bis heute die umfassende monografische Untersuchung und Typologisierung, die Konrad Kwiet und Helmut Eschwege 1984 nach jahrelangen Forschungen unternahmen. Sie unterschieden zwischen dem organisierten politischen Widerstand, nonkonformem Verhalten der Verweigerung durch Flucht oder Untertauchen in den Untergrund und als Abwehr durch offene Proteste, Attentate, Sabotageaktionen und so weiter. Die in den 1980er-Jahren erarbeitete, erstmals 1990 (auf Deutsch 1993) erschienene Enzyklopädie des Holocaust benutzt einen dementsprechend breiten Widerstandbegriff: „Jeder dem Vernichtungsprogramm der Nationalsozialisten zuwiderlaufende Akt kann als Widerstand betrachtet werden.“ Der Artikel zählt folgerichtig nicht nur den bewaffneten Widerstand oder etwa die Rettung jüdischer Kinder dazu. Zeitungsartikel, welche die geistige Widerstandskraft der Leser stärkten, die Nichterfüllung nationalsozialistischer Forderungen, Gedichte, Erzählungen und Witze bildeten gemäß diesem Verständnis ebenfalls Widerstandsakte, weil sie der „Behauptung des jüdischen Lebenswillens“ dienten.   

Der Doyen der deutschsprachigen Literatur über den jüdischen Widerstand war Arno Lustiger. Er wurde nicht müde, in unzähligen Beiträgen, Vorträgen und Büchern auf die Vielfalt jüdischen Widerstands gegen Faschismus und Nationalsozialismus – sei es im spanischen Bürgerkrieg oder in den Wäldern und Städten Osteuropas – hinzuweisen. Daher verwundert es nicht, dass die Bedeutung Lustigers für die Erforschung des jüdischen Widerstands in mehreren Beiträgen des hier rezensierten Sammelbandes betont wird. Dieser Band versammelt die zu Aufsätzen ausgearbeiteten Vorträge einer Tagung, die vom siebten bis zum neunten April 2013 stattfand und vom Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum sowie dem Darmstädter Polen-Institut veranstaltet wurde. Die 17 Aufsätze des Bandes sind sechs Themenbereichen zugeordnet, welche sowohl theoretische Problemstellungen als auch regionale Einzelbeispiele und kulturelle Manifestationen jüdischen Widerstands abdecken. Die Vielfalt der Bereiche wie auch der untersuchten Fälle wird damit dem Untertitel „Formen und Facetten“ gerecht, auch wenn die Ungleichgewichte und Schwerpunkte innerhalb der einzelnen Blöcke kritisch anzumerken ist.

Die theoretische Grundlegung des Bandes erfolgt durch zwei Aufsätze im Abschnitt „Der Jüdische Widerstand als Problem der Forschung“ (sic!). Julius H. Schoeps, emeritierter Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam, befasst sich mit Lustiger und dessen Kampf um die Erinnerung an den jüdischen Widerstand. Ausgehend von Lustigers Biografie (Verfolgung, KZ-Aufenthalte, nach dem Krieg hauptberufliche Arbeit als Nichthistoriker, im Ruhestand produktiver Geschichtsautor) gelangt Schoeps zu grundsätzlichen Überlegungen über die Formen jüdischen Widerstands. Zum erfolgreichen Widerstand gehörten gewisse Rahmenbedingungen, betont er, und die seien im Falle der Juden Europas nicht gegeben gewesen. Weder hätten sie über eine starke Gruppenidentität verfügt, noch einen Rückhalt besessen, der ihnen die notwendigen Ressourcen hätte bereitstellen können. Der Verfasser schließt sich letztlich Lustigers Ansicht und gleichzeitig dem aktuellen Forschungsstand an, wenn er für einen erweiterten Widerstandsbegriff plädiert:

Widerstand konnte […] heißen, Gesetze zu missachten, Verordnungen zu unterlaufen oder kulturelle Aktivitäten zu entwickeln, die den Zweck hatten, der Selbstbehauptung zu dienen. Der Versuch, sich durch Flucht den Verfolgern zu entziehen, konnte ebenso eine Form des Widerstandes sein […].

Schoeps verweist auch darauf, dass sich die Juden letztlich kaum von der Mehrzahl der Deutschen unterschieden hätten, die sich überwiegend ebenfalls nicht gegen das Regime stellten. Er stimmt Lustiger auch darin zu, dass der Mythos des „feigen Juden“ letztlich eine historische Lüge sei. Um ihn zu widerlegen, zählt der prominente Kenner der deutsch-jüdischen Geschichte mehrere Beispiele unspektakulären jüdischen Widerstands auf, die das häufig immer noch vorherrschende einseitige Bild nuancieren.

Im Anschluss an Schoeps stellt Peter Steinbach Überlegungen „Zur Kontextualisierung des Widerstands von Juden“ an. Auch er unterstreicht noch einmal, dass die Untersuchung jüdischen Widerstands besonders geeignet sei, „die Vielfalt von Widerständigkeit, Selbstbehauptung und ‚abweichendem Verhalten‘, von Normverletzung und Konspiration, schließlich von Gegenwehr und aktivem Kampf“ zu illustrieren. Das Besondere des jüdischen Widerstands habe darin bestanden, dass er keinen völligen Systemumsturz bezweckte, sondern sich über die pure Lebensrettung von Individuen und des jüdischen Volkes hinaus auch auf das Weitertragen des Wissens um die „gegenwärtigen Schrecken“ in die Zukunft konzentriert habe. Das erfolgte gegen einen Gegner, der die Vernichtungsfrage nicht theoretisch oder abstrakt stellte, sondern sie „zynisch, zielstrebig, brutal, menschenverachtend“ umgesetzt habe. Zu Recht wendet sich der Autor dabei in seinen Ausführungen gegen die häufig anzutreffende Vorstellung eines einheitlichen Judentums, von dem man eine uniforme Reaktion erwartet. Die jüdische Geschichte und die jüdischen Gemeinden waren jedoch so vielfältig wie die europäische Geschichte selbst, weshalb auch die Versuche einer Behauptung des ,jüdischen Selbst‘ eine unendliche Bandbreite aufwiesen. Diese Bandbreite gelte es zu würdigen, wenn man sich mit dem jüdischen Widerstand auseinandersetzt.

Auf die durch Schoeps und Steinbach erfolgte theoretische Grundlegung folgt im Sammelband eine Reihe von Beispielen für die Facetten jüdischen Widerstands. Da alle Aufsätze, die ihren Gegenstand jeweils in unterschiedlicher analytischer Tiefe durchdringen, nicht vorgestellt werden können, wird der Fokus in jedem Abschnitt auf je einen oder zwei Beiträge gelegt. Es soll dabei verdeutlicht werden, welche Formen und Möglichkeiten für jüdischen Widerstand die heutige Forschung erblickt und worin sie die Motivation der Widerständler sieht.

Im zweiten Abschnitt untersuchen Melanie Hembera, Markus Roth und Sara Berger Formen jüdischen Widerstands im besetzten Polen. Hemberas Aufsatz behandelt das Verstecken im und die Flucht jüdischer Insassen aus dem Ghetto Tarnów. Sie schildert die damit verbundenen Möglichkeiten und Schwierigkeiten, so etwa die Angst derjenigen Polen, die Juden versteckten, von den Nationalsozialisten entdeckt und bestraft zu werden. Zu den Schwierigkeiten zählten jedoch auch die ungenügenden hygienischen Verhältnisse, die Enge, der Hunger und die Angst, verraten zu werden. Die unsichere Quellenlage lasse jedoch die Ermittlung gesicherter Zahlen über die Entflohenen nicht zu. Dem aktiven und bewaffneten Guerillakampf von Juden in Krakau gilt das Interesse von Markus Roth. Diesen fochten vor allem Jugendorganisationen aus, indem sie Bomben in deutschen Gaststätten legten, deutsche Soldaten und Funktionäre überfielen oder Einbrüche begingen, um Waffen zu erbeuten. Ihre Motivation bezogen sie aus dem Wunsch heraus, der Ermordung der Juden nicht tatenlos zuzusehen und sich der eigenen Vernichtung zu widersetzen.

Vier Aufsätze sind im dritten Abschnitt dem jüdischen Widerstand in Südosteuropa gewidmet; drei jenem in Jugoslawien und einer dem in Griechenland. Wenn dabei gleich zwei Aufsätze die Beteiligung von Jüdinnen am Widerstand darstellen (Marija Vulesica untersucht die „Formen des Widerstandes jugoslawischer Zionistinnen und Zionisten“, Martina Bitunjac allgemein „Jüdinnen im jugoslawischen Widerstand“), dann wird offenbart, welche Ungleichgewichte den Abschnitt wie auch den Band insgesamt durchziehen. Der Beitrag Esther Gitmans gilt dem Widerstand von Juden in Kroatien, während Steven Bowman die Aktivität griechischer Juden darstellt. Vulesica bestimmt die selbstbewusste Verortung und Verkündung der eigenen jüdischen Identität durch jugoslawische Zionistinnen und Zionisten als die entscheidende Voraussetzung dafür, dass nach 1941 einige Tausend Juden teils bewaffneten Widerstand leisteten. Zahlengesättigter und daher aussagekräftiger ist im Vergleich die Studie von Martina Bitunjac, wenn sie von 4.572 jugoslawischen Jüdinnen und Juden schreibt, die sich der Volksbefreiungsbewegung angeschlossen hätten. Etwa 2.993 Personen sollen sich dabei als Kämpfer betätigt haben, 1.579 als politische Funktionäre und 308 als Ärztinnen und Ärzte. Auf ungefähr 1.300 schätzt sie die Zahl der jüdischen Widerstandskämpfer und -kämpferinnen, die dabei starben. Als Motive des Kampfes bestimmt sie die (linke) politische Positionierung und den Wunsch nach Selbstverteidigung. Diese war der Weg, um der Diskriminierung, Deportation und Vernichtung zu entgehen. Den Zweiten Weltkrieg überlebten ihren Angaben zufolge etwa 7.500 von 35.000 jüdisch-jugoslawischen Frauen.

Lediglich zwei Aufsätze sind dem Widerstand in Westeuropa gewidmet. Kurt Schildes Beitrag stellt das kurze Leben der 1922 in Mannheim geborenen Zionistin Marianne Cohn dar, die in der Résistance aktiv war. Schilde skizziert dieses Leben unter anderem anhand des Briefwechsels, den Mariannes Vater Alfred Cohn mit dem Philosophen Walter Benjamin selbst in der 1934 erfolgten Emigration (zuerst Spanien, dann Frankreich) hatte. Nach der französischen Niederlage engagierte sie sich in der zionistischen Jugendorganisation „Mouvement de la Jeunesse Sioniste“, die sich um das Verstecken und den illegalen Grenzübertritt von jüdischen Kindern von Frankreich in die Schweiz kümmerte. Nach mehreren erfolgreich durchgeführten Aktionen wurde Marianne Cohn am 31. Mai 1944 als Fahrerin eines Kleintransporters, auf dem sich jüdische Kinder und Jugendliche befanden, von deutschen Soldaten entdeckt. Alle wurden verhaftet. Eine Flucht, die für sie von anderen Mitgliedern ihrer Gruppe organisiert wurde, lehnte sie mit Hinweis auf die Kinder ab, die dafür bestraft worden wären. Die jüdischen Kinder und Jugendlichen wurden von den Deutschen nach und nach freigelassen. Marianne Cohn wurde am 8. Juli 1944 von Angehörigen des Sicherheitsdienstes in einem Wald vergewaltigt und ermordet. Heute erinnert man sich in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem an sie. In Berlin trägt eine Schule ihren Namen und die Stolperstein-Initiative des Künstlers Günter Demnig bedachte sie mit der Verlegung von zwei Stolpersteinen (in Mannheim und Berlin).

Im nächsten Abschnitt zeigen Johann Nicolai, Stefanie Mahrer und Gideon Botsch an drei auf den ersten Blick unpolitisch scheinenden Beispielen Formen jüdischen Widerstands im „Dritten Reich“ auf. Nicolai stellt in einem eher kursorischen Beitrag die Bemühungen des „Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ dar, durch Eingaben und kurzfristige Interventionen gegen antisemitische Übergriffe auf lokaler Ebene vorzugehen. Ausgehend von einer Auflistung von etwa 200 erfolgreichen Fällen zwischen 1935 und 1938 vermag Nicolai nicht nur die stetige zahlenmäßige Abnahme der Erfolge nachzuweisen, sondern diese auch regional einzugrenzen. Demnach erzielte die jüdische Interessenvertretung in den Landesverbänden Rheinland-Westfalen und Mitteldeutschland (Sachsen, Thüringen) die meisten Arbeitserfolge. Dabei handelte es sich überwiegend darum, Behörden aufzufordern, subtile oder auch weniger subtile antisemitische Schikanen und Maßnahmen zurückzunehmen, was anfänglich erstaunlich oft auch gelang. Handelte es sich nun hierbei um Widerstand? Mag man auch zu Skepsis bei der Beantwortung dieser Frage neigen, der Rezensent möchte sich dem Urteil Nicolais anschließen, wonach man die Bemühungen des Vereins um aufrechten Gang und Selbstbehauptung würdigen sollte. Denn sie beweisen, dass er sich dem Unrecht nicht untätig fügte, sondern bereit war, seine Arbeit für die „Verteidigung der Rechte und der Würde deutscher Juden“ im Rahmen seiner (engen) Möglichkeiten bis zu seiner 1938 erfolgten Auflösung fortzuführen. In den Bereich des kulturellen Widerstands fällt die Herausgabe jüdischer Bücher durch den Schocken-Verlag in den 1930er-Jahren. Stefanie Mahrers Untersuchung beleuchtet die Entstehung des Verlages im Ersten Weltkrieg im Zuge zionistischer Bemühungen und weist die bewusste Ausdehnung der Buchproduktion als einen auch von Martin Buber unterstützten Akt kultureller Selbstbehauptung aus. Die Herausgabe von Buchreihen mit dezidierten Themen aus der jüdischen Geschichte, Kultur und Religion begriffen die Mitarbeiter des Verlags als Arbeit „aus den Katakomben“ heraus zugunsten der Stärkung einer jüdischen Identität. Erstaunlich genug ist es, dass bereits die jüdischen Zeitgenossen dies genauso wahrnahmen und schätzten. Möglich und sinnvoll war eine solche Arbeit jedoch nur, solange es ein zahlungskräftiges und -williges Abnahmepublikum gab. Damit war 1938 Schluss, was der Inhaber des Verlags und seine Mitarbeiter spätestens bei der durch die Nationalsozialisten verfügten Zwangsauflösung einsehen mussten.

Der letzte Abschnitt des Sammelbandes ist schließlich der kulturellen Überlieferung und Rezeption jüdischen Widerstandes gewidmet. Dabei kehrt Arno Lustiger als Romanfigur wieder, denn Sahra Dornick stellt Überlegungen „zur Zeugenschaft als widerständiger Tätigkeit“ im Roman So sind wir von Gila Lustiger, seiner Tochter, an. Dornick deutet den Roman als das ständige Werben eines Mädchens um seinen berühmten Vater und dessen Liebe. Der Vater, dessen Wort und Aussagen über den Holocaust Gewicht haben und Beachtung finden, scheint im intimen Familienkreis nicht in der Lage, über das Erlebte in einen Diskurs und Dialog zu treten. Zeuge sein und Zeugenschaft ablegen sind somit in der Hinsicht Teile eines diskursiven Widerstands, dass das Schweigen über das Erlebte, die Wortlosigkeit, von beiden Seiten mühsam überwunden werden muss – ein Versuch, der dem Scheitern näher ist als dem Gelingen. Der letzte Beitrag des Bandes ist aus der Sicht des Rezensenten der schwächste und enttäuschendste. Bertram Nickolay und Morgan Nickolay stellen unter dem Titel „‘Nein, mir woln nit kejnmol sajn letzte mohikaner‘ Jüdische Partisanenlieder“ vor. Deren Einordnung in den Kontext erfolgt nur am Anfang, als sie recht oberflächlich als „Ausdruck der Identität“ genannt werden. Zum Schluss des Beitrages wird auf die rasche Verbreitung der Lieder bereits im Weltkrieg hingewiesen, um deren Bedeutung zu behaupten. Dazwischen befinden sich kurze biografische Angaben zu den Dichtern Lejb Rosental, Schmerke Kaczerginski und Hirsch Glik. Beispielhaft werden die jiddischen und die ins Deutsche übersetzten Texte der wohl berühmtesten Partisanenlieder („Izik Witnberg“; „Partisaner-marsch“; „Zu ejnss, zwej, draj“; „Yid, du partizaner“; „Sog nit kejnmol“) abgedruckt. Leider bietet der Beitrag weder eine ausführliche Textanalyse oder eine Einbettung in den Kontext der jiddischen Lyrik oder gar einen Vergleich mit Partisanenliedern anderer Untergrundbewegungen, noch eine eingehendere Auseinandersetzung mit der musikalischen Grundlage der jeweiligen Lieder.

Das Fazit zum Sammelband Jüdischer Widerstand in Europa muss ungeachtet des letzten Beitrags positiv auffallen. Die Heterogenität der Aufsätze und die geografischen Ungleichgewichte (warum drei Aufsätze zu Jugoslawien, keiner aber zu Ungarn, Bulgarien oder Rumänien?) kennzeichnen stets solche Sammelbände nach Konferenzen und sind somit nichts Außergewöhnliches. Der Band bietet insgesamt eine gelungene Bestandsaufnahme der aktuellen Forschungen zum jüdischen Widerstand, erweitert diese um einige interessante Fallbeispiele und wäre damit uneingeschränkt zu empfehlen, wenn ihn der immens hohe Preis nicht automatisch von einem größeren Leserkreis ausschließen würde.

Titelbild

Julius H. Schoeps / Dieter Bingen / Gideon Botsch (Hg.): Jüdischer Widerstand in Europa (1933-1945). Formen und Facetten.
De Gruyter, Berlin 2015.
349 Seiten, 99,95 EUR.
ISBN-13: 9783110415124

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch