Warum änderte Martin Luther seinen Namen?

Namensforscher Jürgen Udolph sucht in seiner Studie eine Antwort darauf

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Martin Luther hieß nicht immer Martin Luther.“ Er wurde 1483 als Martin(us) Luder geboren. Bis zum Sommer 1517 nutzte er durchgehend diese Namensform, dann nannte er sich kurzzeitig Eleutherius und gleichzeitig Luther. Der Leipziger Namensforscher (Onomastiker) Jürgen Udolph versucht in seiner Studie, die Gründe für diesen zweifachen Namenswechsel zu finden. Und warum erst mit 35 Jahren?

Bei der Suche auf eine Antwort stieß der Autor auf eine Reihe von Vermutungen und Behauptungen, die aber einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht standhielten. Die Entwicklung von Luthers Namen reicht über 45 Jahre und ist in etwa 200 eigenhändigen Unterschriften belegt. So nannte sich Luther zum ersten Mal am 11.11.1517 in einem Brief „Eleutherius“, doch schon geraume Zeit zuvor hatte er sich als „Luther“ ins Dekanatsbuch der Universität Wittenberg eingetragen. Daraus folgt, dass der Wechsel von „Luder“ zu „Luther“ direkt erfolgte. Aber warum änderte er seinen ursprünglichen Namen?

Zunächst beleuchtet Udolph Luthers Kindheit in Eisleben und Mansfeld und den Familiennamen seiner Vorfahren, die aus dem thüringischen Möhra stammten. Nach einer Auflistung der Schreibungen von Martin Luthers Namen (1501-1546) kommt der Autor dann zu der Zäsur im Jahre 1517. In insgesamt 28 Briefen (November 1517 bis Januar 1519) an wenige humanistische Freunde unterzeichnete Luther mit „Eleutherius“. Diesen Namen hat er jedoch nie unter ein offizielles Schriftstück gesetzt, es war also eine Namensvariante, die für die Öffentlichkeit nicht bestimmt war. Außerdem war es eine damalige Modeerscheinung, seinen deutschen Nachnamen dem Lateinischen oder Griechischen anzugleichen.

Im nächsten Kapitel untersucht Udolph die Sprachsituation in Wittenberg, wobei verschiedene Sprachschichten angenommen werden müssen. Die breite Masse der Bevölkerung sprach niederdeutsch, während die Oberschicht der Gesellschaft bereits das Hochdeutsche übernommen hatte. Martin Luther kannte sich in beiden Sprachvarianten aus, denn er lebte gewissermaßen „links und rechts der niederdeutsch-hochdeutschen Sprachgrenze“.

Als Professor der Universität gehörte Luther zur Oberschicht der Stadt. Er sah sich wiederholt Attacken (Verunglimpfungen) auf seinen Namen „Luder“ ausgesetzt, der damals absolut negativ besetzt war (liederlich, lasterhaft oder betrügerisch). Martin Luther, ein Meister der Selbstdarstellung, wählte schließlich die hochdeutsche edle Variante seines Namens, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, dass jemand anzügliche Bemerkungen über seinen Namen machen konnte – vor allem, nachdem er mit seinen 95 Thesen an die Öffentlichkeit getreten war. Udolph belässt es aber nicht allein bei der Namensänderung Luder/Luther, sondern belegt mit weiteren Beispielen, dass sich Familiennamen mit -th- zu Beginn des 16. Jahrhunderts auszubreiten begannen.

Udolph kommt es immer wieder auf die korrekte Chronologie des Namenswechsels an, also auf die ererbte Form „Luder“ folgte nicht „Eleutherius“ sondern „Luther“. Der Reformator wählte also ganz bewusst für seinen Namen die hochdeutsche, zu der Oberschicht von Wittenberg passende Variante.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Jürgen Udolph: Martinus Luder – Eleutherius – Martin Luther. Warum änderte Martin Luther seinen Namen?
Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2016.
150 Seiten, 26,00 EUR.
ISBN-13: 9783825366407

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