Nichts kann förderlicher sein, als eine Reise in ferne Länder

Über eine illustrierte Ausgabe von Charles Darwins Weltreise mit der H.M.S Beagle

Von Simone HackeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Simone Hacke

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Charles Darwin gilt aufgrund seiner Evolutionstheorie als einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler. 1859 veröffentlichte er sein wohl bekanntestes Werk On the Origins of the Species (dt.: Über den Ursprung der Arten), welches noch zu Lebzeiten des Autors sechs Neuauflagen erlebte und in zahlreiche Fremdsprachen übersetzt wurde. Doch bereits 28 Jahre zuvor machte Darwin seine Weltreise mit der H.M.S. Beagle, die den Grundstein für seine Theorie legte und sein Weltbild von Grund auf veränderte.

Der Kapitän des Forschungsschiffes Robert FitzRoy hatte zusammen mit den Professoren der Universität Cambridge den 22-jährigen Darwin als externen Wissenschaftler ausgewählt, um ihn auf der Expedition zur Vermessung Patagoniens und Feuerlands zu begleiten. Darwin willigte ein, allerdings unter der Bedingung, die Expedition jederzeit verlassen zu können. Eine Forderung, die er jedoch nicht einlösen musste, denn die Reise mit der Beagle wurde zum Schlüsselerlebnis für sein weiteres naturwissenschaftliches Arbeiten. Insgesamt drei Jahre und drei Monate der fünfjährigen Reise verbrachte der junge Wissenschaftler mit Erkundungen an Land, den Rest der Zeit mit der Beagle auf See. All seine Beobachtungen, Entdeckungen und Eindrücke schrieb er in einem ausführlichen Reisetagebuch nieder, welches nun in neuer, leicht gekürzter und aufwendig illustrierter Ausgabe vom Konrad Theiss Verlag herausgegeben wurde.

Die Kapitel sind in einzelne Reiseetappen unterteilt und bieten zu Beginn eine kurze stichpunktartige Zusammenfassung des Inhalts, was die Orientierung in Zeit und Raum deutlich erleichtert. Im Tagebuchstil lassen sich anschließend Darwins Erlebnisse an den einzelnen Tagen seiner Reise nachverfolgen. Zudem bietet die große Weltkarte im Umschlag sowie dem Mittelteil des Buches einen sehr guten Überblick über den Gesamtumfang der Reise, aber auch die einzelnen Stationen der H.M.S. Beagle. Im Dezember 1831 machte sich die Besatzung der Beagle auf den Weg nach Südamerika, um anschließend über Tahiti Australien und Afrika die Welt zu umsegeln und im Oktober 1836 wieder in England anzulanden.

Dabei sind Darwins Reisebeschreibungen sehr anschaulich, stellenweise sogar poetisch gehalten und gehen nur selten in rein wissenschaftliche Überlegungen über. Seine unmittelbare Liebe zu der ihn umgebenen Natur ist in jedem Satz deutlich spürbar. Neben der Zoologie und Botanik, welche die Hauptthemen des Werkes On the Origins of the Species bilden, geht Darwin in diesem Band auf zahlreiche weitere Bereiche ein. So beschreibt er ausführlich die geologische Beschaffenheit der bereisten Gebiete in Südamerika. Vor Ort wird er zum Zeugen des Erdbebens in der chilenischen Stadt Concepcíon im Februar 1835. Zwar forderte dieses Erdbeben nur verhältnismäßig wenige Opfer, die Zerstörungen im Ort waren allerdings verheerend, auch durch den ausgelösten Tsunami: „Kurz nach der Erschütterung sah man mitten in der Bucht in einer Entfernung von drei, vier Meilen eine große Welle mit glatten Umrissen nahen; dennoch riss sie die Küste entlang Häuser und Bäume nieder; als sie mit unwiderstehlicher Gewalt dahinraste.“ Darwins Beschreibungen rufen sofort Bilder an das Erdbeben und den Tsunami wach, die im Februar 2010 beinahe dieselbe Region in Chile erschütterten.

Neben Naturphänomenen wird in den Reisebeschreibungen auch detailliert über die indigenen Völker der bereisten Länder sowie die politischen und kulturellen Begebenheiten berichtet. Darwin verschließt dabei nicht die Augen vor den Ungerechtigkeiten, die auch seine Landsleute nicht nur in Südamerika, sondern auch in der Südsee oder in Australien vielen Ureinwohnern zufügten: „Wo sich der Europäer auch hinwendet, scheint der Tod die Eingeborenen zu verfolgen.“

Überlegungen zur Entstehung der Arten tauchen in diesem Werk nur vereinzelt auf. Besonders präsent sind sie allerdings bei den Beschreibungen des Galapagos-Archipels mit dem wohl berühmtesten Beispiel der Galapagos-Finken, die heute nach ihrem Entdecker Darwinfinken genannt werden. Darwin beschreibt die auffallenden Unterschiede in der Schnabelform und schließt daraus, „dass von einer ursprünglichen geringen Zahl an Vögeln auf diesem Archipel eine Art ausgewählt und für verschiedene Zwecke modifiziert wurde.“ Eine Schlüsselthese, die er knapp 30 Jahre später in seinem Werk On the Origins of the Species ausführte und mit Belegen untermauerte.

Die Illustrationen des Bandes reichen von Fotografien und zeitgenössischen Zeichnungen bis zu Karten und Porträts und lassen Darwins Beschreibungen noch lebendiger erscheinen. Ergänzt werden die Schilderungen durch eingeschobene Passagen aus On the Origins of the Species, dem Reisetagebuch des Kapitäns Robert FitzRoy sowie einigen Briefen des Naturforschers.

„Abschließend will mir erscheinen, dass für einen jungen Naturforscher nichts förderlicher sein kann, als eine Reise in ferne Länder.“ Mit diesem Appell schließt Charles Darwin sein Reisetagebuch und es scheint nicht nur ein Aufruf an alle Zeitgenossen, sondern auch an den heutigen Leser zu sein, denn noch immer sind nicht alle Geheimnisse der Natur enträtselt worden. Nur wer die Welt kennt, in der er lebt, kann sie und ihre Wunder auch verstehen.

Titelbild

Charles Darwin: Die Fahrt der Beagle. Darwins illustrierte Reise um die Welt.
Übersetzt aus dem Englischen von Eike Schönfeld.
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2016.
480 Seiten, 49,95 EUR.
ISBN-13: 9783806233919

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