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„Unverhofftes Wiedersehen. Karten lesen“ gewährt persönliche Einblicke in Michael Krügers Postkartensammlung

Von Simone Sauer-KretschmerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Simone Sauer-Kretschmer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Schriftsteller und Verleger Michael Krüger, der bis 2013 die Geschäfte des Hanser Verlages leitete, hat von seinen Autoren nicht nur Manuskripte, Briefe und E-Mails erhalten, sondern auch unzählige Postkarten. Dass es sich bei den mit Fotos oder Gemäldeauszügen geschmückten Pappkarten um eine besondere Form der Nachrichtenübermittlung handelt, thematisiert Krüger in der kurzen Vorbemerkung zu dem vom marbacher magazin herausgegebenen Erinnerungsbuch „Unverhofftes Wiedersehen. Karten lesen“, für das Krüger rund 50 Postkarten ausgewählt hat, deren Bild- und Textseite präsentiert werden. Briefe, so Krüger, werden ordentlich archiviert und abgeheftet, während man bei Postkarten häufig nicht sicher sei, wie man mit ihnen verfahren sollte. Die Hochzeit der Sammelalben ist längst vorbei und auch die Aufnahmekraft der Pinnwand oder der Kühlschranktür irgendwann erschöpft, sodass Postkarten ein eher unsortiertes Dasein in Kartons und Kisten fristen oder irgendwann im Altpapier landen.

Der Betrachter und Leser von Krügers Fundstücken mag sich nun glücklich schätzen, dass die zusammengetragenen Stücke nicht in den Papierkorb gewandert sind, denn so lässt sich Anteil nehmen am postalischen Gruß von Horst Bienek, Reinhard Jirgl, Brigitte Kronauer und Cees Nooteboom, um nur vier zufällig ausgewählte Autoren zu nennen. Die Motive der Postkarten sind dabei naturgemäß so verschieden wie ihre Absender, die Texte ähneln sich da schon eher, da diese aufgrund der Postkartenmaße in ihrem Umfang natürlich sehr eingeschränkt sind und das Gebot der Kürze den Stil der Nachrichten prägt. Häufig sind Nachfragen zu Terminabsprachen oder aber der klassische Gruß aus dem Urlaub beziehungsweise dem schriftstellerischen Exil der Anlass für die verschickte Karte. Die allermeisten von ihnen sind per Hand beschrieben, sodass es sich bei „Unverhofftes Wiedersehen“ auch um eine kleine Sammlung von Schriftstellerhandschriften und Signaturen handelt. Wer sich jedoch große Einsichten in die Schriftstellerseele oder gar Zusammenhänge zwischen diesen Bruchstücken biografischer Dokumentation und dem literarischen Werk der Schreibenden erhofft, wird fast immer enttäuscht sein, denn der Inhalt der übermittelten Botschaften ist zumeist recht banal. Interessant ist es jedoch, sich die Gesamtkomposition einer Karte anzuschauen, also die Bildseite und wie der Text angeordnet ist, wie die Marken geklebt wurden oder wer dann doch die Schreibmaschine benutzt und somit keine handschriftliche Spur hinterlassen hat.

Die von Michael Krüger gezeigten Postkarten sind – trotz ihrer offen lesbaren Botschaft – letztlich jedoch Medien des Privaten und des Flüchtigen. Daher ist „Unverhofftes Wiedersehen“ zwar ein nettes Album von Erinnerungen und Fundstücken, doch es ist ein wenig so, als würde man das Fotoalbum entfernter Verwandter durchblättern: Hier und da verweilt der Blick etwas länger, aber mehr als ein paar Eindrücke unspezifischer Situationen und zwischenmenschlicher Verbindungen bleiben nicht.   

Titelbild

Michael Krüger: Unverhofftes Wiedersehen. Karten lesen.
Deutsche Schillergesellschaft, Marbach am Neckar 2016.
168 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783944469232

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