Über allem aber schwebt Luther?

Zum Themenschwerpunkt der Mai-Ausgabe

Von Stefan JägerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Jäger

Die Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum sind in vollem Gange und auch literaturkritik.de widmet sich nach zwei Schwerpunkten im vergangenen Jahr nun erneut in der aktuellen Maiausgabe der Reformation. Nachdem bereits 2016 zahlreiche Titel – vor allem zu Luther – zum Jubiläum erschienen sind, hält die Publikationsflut in diesem Jahr weiter an. Reformation und eine zum Teil exzessive Vermehrung der Druckerzeugnisse gehen also auch 500 Jahre danach noch Hand in Hand, so scheint es zumindest. Dabei fällt allerdings auf, dass sich viele Neuerscheinungen weniger mit der Reformation an sich beschäftigen, mit ihren zahlreichen Verfechtern, Vorläufern oder deren gesellschaftlichen Implikationen, sondern sich monothematisch auf Luther und seine Biografie versteifen. Sämtliche Aspekte seines Lebens wurden bereits zigfach beschrieben, trotzdem ebbt der Strom an biografischen Darstellungen zum Reformationsjubiläum nicht ab. Wirklich Neues lässt sich in ihnen kaum mehr finden. Das ist schade, denn das Gedenkjahr hätte die Möglichkeit geboten, auf bisher wenig Bekanntes in Bezug auf das Reformationsgeschehen und mit diesem verknüpfte Aspekte einzugehen. Denn die Reformation war keineswegs die Tat eines einzelnen hammerschwingenden Mannes, sondern konnte nur von einer Vielzahl interagierender Personen ins Werk gesetzt werden. In ihrer theologischen Ausrichtung war sie zwar stark von Luther abhängig, doch inner- und außerhalb derselben bildeten sich alternative Konzepte aus, die in aktuellen Darstellungen kaum Beachtung finden.

Einige Texte unseres zusammen mit der Mittelalter-Redaktion initiierten Schwerpunkts versuchen einem erweiterten Blick auf die Reformation Rechnung zu tragen: Ein Essay beschäftigt sich beispielsweise mit den „Dunkelmännerbriefen“, die in der unmittelbaren Zeit vor der Reformation eine öffentliche Diskussion auslösten, ein anderer mit der Luther-Rezeption Gustav Freytags. Besonders erfreulich in dieser Hinsicht ist eine Ausstellung (sowie der entsprechende Begleitkatalog) des Deutschen Historischen Museums in Berlin, die den weltweiten Einflüssen der Reformation nachspürt. Fakt ist, dass es sich bei allem Hype um Luther lohnt, auch vermeintliche „Nebenschauplätze“ der Reformation in den Blick zu nehmen und ihn schweifen zu lassen.

Eine anregende Lektüre wünscht

Stefan Jäger