Zwei erbitterte Feinde, die große Liebe und späte Freundschaften

Jane Gardam besticht auch im letzten Teil ihrer „Old Filth“-Trilogie mit einer gehörigen Portion Charme

Von Eleonore AsmuthRSS-Newsfeed neuer Artikel von Eleonore Asmuth

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Schon der Titel der deutschen Ausgabe kündet vom Ende der unterhaltsamen Geschichte um den berühmten britischen Kronanwalt Edward Feathers, genannt Filth (als Spitzname für den Slogan „Failed In London Try Hong Kong“), der informierten Lesern und Liebhabern des Gardam’schen Schreibstils bereits als Untadeliger Mann bekannt ist: In Letzte Freunde, wie der dritte Teil auf Deutsch heißt, rückt die preisgekrönte Autorin nun Terrence Veneering, den seit jeher ärgsten Feind des „aristokratischen Filth“, in den Vordergrund. Dass Veneering nicht nur karrieretechnisch als Feathersʼ Widersacher gilt, sondern auch auf privater Ebene als sein Konkurrent ernst genommen werden muss, weiß man spätestens seit Gardams zweitem Band (Eine treue Frau), in dem die ungestillte Liebe zwischen Feathersʼ Ehefrau Betty und ebendiesem Veneering publik wird. „Wie sie sich gehasst hatten“, beschreibt Gardam mit viel Witz und Ironie aber auch in diesem Teil, denn ihre Protagonisten hatten „mehr als ein halbes Jahrhundert lang […] Gift und Galle gespien, Aug in Aug, Hector und Achilles“. Kurzum: In Letzte Freunde taucht der Leser ein letztes Mal in die Dreiecksgeschichte um Feathers, Betty und Veneering ein und erfährt, wie die beiden Männer am Ende ihres Lebens doch noch eine tiefe Freundschaft verbindet.

Der letzte Teil der Trilogie liest sich – ebenso wie die Vorgängerromane – wie eine eigene, abgeschlossene Erzählung: Es ist vor allem die Lebensgeschichte des aus armen Verhältnissen stammenden Terry Veneerings, der sich durch viel Fleiß, eine gehörige Portion Glück und die richtigen Kontakte zu einem der erfolgreichsten Juristen des britischen Königreichs emporarbeitete. Darüber hinaus wird der Leser, der von der ersten Seite des Buches um die Feindschaft der beiden Männer weiß, Zeuge einer sich erst spät entwickelnden Freundschaft, die lange Zeit unmöglich schien.

„Mitten in der schlechten Zeit im mit Armut geschlagenen Nordosten“ wächst Terry, Sohn eines russischen Zirkus-Schaustellers und einer tüchtigen Kohlewäscherin aus Heeringsfleet, so ganz anders auf als der ins Establishment hineingeborene Filth. Schon die Umwandlung von Terrys Nachnamen, der eigentlich „Venitski? Vanetski? Varenski?“ lautet, ist Symbol seines sozialen Aufstiegs. Sein Mentor aus Jugendtagen, der – wie wir bereits aus dem ersten Band wissen – auch Edward Feathers unter seine Fittiche genommen hatte, nannte ihn schlichtweg „Veneering“, um den Jungen salonfähig zu machen und ihn auf seine große Zukunft als Anwalt vorzubereiten: „Dein Name ist ab sofort Veneering“, teilte er dem Jungen mit. „Ja. Wunderbar. Ein bisschen aufpoliert.“

Kommentiert wird die Erzählung um Veneerings Biografie, die in altbekannter Manier zwischen verschiedenen Zeitebenen oszilliert und dabei ein gewohnt flottes Erzähltempo aufweist, überwiegend aus der Rückschau. Es sind die „letzten Freunde“ von Veneering, Feathers und Betty, die durch ihre Erinnerungen die Geschehnisse lebendig machen. Sie – Fred Fiscal-Smith, der Sohn von Terrys einstigem Schulleiter und gleichzeitig Trauzeuge bei Feathersʼ und Bettys Hochzeit, und Dulcie, Witwe eines ebenfalls bekannten britischen Rechtsanwalts – versammeln sich binnen weniger Monate gleich zweimal in der Temple Church in London, um Abschied zu nehmen: Zuerst verstarb Terry Veneering, kurz darauf Edward Feathers.

Gardam erschafft vor dem Panorama des zerfallenden British Empire authentische und spannende Charaktere, die in Letzte Freunde abschließende Konturen erhalten. Noch einmal öffnet sich für den Leser die Welt von Feathers, Betty und Veneering, noch einmal brilliert die preisgekrönte Britin mit ihrem ironisch-charmanten Schreibstil, mit dem nur das Nötigste über die Figuren preisgegeben und der Rest in Schweigen gehüllt wird. Die verschiedenen kleinen Episoden und Handlungsstränge überzeugen durch variantenreiche Schreibkniffe und gekonnte Überleitungen. Dass die Geschichte auch im Deutschen mit ihrem Sprachwitz begeistern kann, ist sicherlich auch das Verdienst der Übersetzerin Isabel Bogdan. So ist man bei der Lektüre des letzten Teils der „Old Filth“-Trilogie dankbar für diesen Lesegenuss und gleichzeitig etwas wehmütig, denn „die Titanen waren nicht mehr. Sie hatten ihre letzte Reise angetreten.“

Titelbild

Jane Gardam: Letzte Freunde. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Isabel Bodgan.
Hanser Berlin, Berlin 2016.
239 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783446252905

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