Auch die Autoren hätten gewarnt sein können

Donald Trump eignet sich nicht zur langfristigen Analyse, wie Brendan Simms‘ und Charlie Ladermans Buch beweist

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Grunde sind die Marktgesetze für politische Bücher recht einfach: Gerät ein Politiker in den Fokus der Öffentlichkeit, beginnen die Verlage Bücher über ihn auf den Markt zu werfen: Biographien und Analysen, populäre sowie investigative Publikationen türmen sich, je nach Bedeutung der Person, in den Auslagen der Buchhandlungen. Je präsenter eine Figur, desto wahrscheinlicher der Erfolg des Buches, ein einfache Rechnung und beileibe keine neue Information.

Als Donald Trump überraschend die Vorwahlen der Republikanischen Partei gewann, wurde er nicht nur für ein amerikanisches, sondern für ein weltweites Publikum interessant – was ist das für ein Typ, der die USA so stark polarisiert? Zum Glück gab es bereits einige kritische Biographien, die nur noch um ein letztes Kapitel aktualisiert werden mussten, immerhin war Trump ja bereits seit Jahrzehnten eine schillernde mediale Persönlichekeit. Seit er jedoch auch noch US-amerikanischer Präsident geworden ist, lässt sich die Flut an Veröffentlichungen kaum noch zählen. Auch diese Tatsache entspricht den Regeln der Branche, doch hat sie nicht mit Donald Trump gerechnet.

Dass er in einem so hohen Maße unberechenbar werden würde, dass seine Meinungen und Ansichten sich manchmal innerhalb zweier in Minutenabständen abgesandten Tweets (bewusst oder unbewusst) ändern würden, damit war selbst bei Trump nicht zu rechnen. Erst ist die NATO „obsolet“ (Gespräch mit der BILD-Zeitung kurz vor seiner Amtseinweihung), dann ist sie plötzlich nicht mehr obsolet (‚sie hat sich geändert’ nach seiner Amtseinweihung), nach seinem NATO-Besuch im Mai und seiner Weigerung, Artikel 5 in seiner Rede vor dem Hauptquartier auch nur zu erwähnen, scheint sie wieder etwas obsoleter geworden zu sein. Zu diesen – vielleicht auch bewussten – Irrungen gesellen sich mittlerweile weitere, unkontrollierbare Skandale wie die dubiosen Verbindungen nach Russland, die momentan in nicht geringem Maße auch das politische Handeln der Trump-Administration bestimmen.

Anders gesagt: Würde man ein Buch über Angela Merkel und ihre politischen Überzeugungen und Ziele schreiben, könnte man es auch noch in zehn Jahren verkaufen. Trump dagegen ist im Grunde ein postmoderner Politiker, ein Politiker des digitalen Zeitalters, für den das gedruckte Buch ebenso obsolet geworden ist wie, vermeintlich, die NATO. Denn auch wenn renommierte britische Historiker hinter dem Buch Wir hätten gewarnt sein sollen. Donald Trumps Sicht auf die Welt stecken, so kann dieses allenfalls als täglich zu aktualisierendes e-Book funktionieren. Simms und Laderman sammeln Zitate Trumps aus Interviews oder Reden aus den vergangenen Jahren und versuchen anhand dessen aufzuzeigen, dass man schon früh das ideologische Konstrukt hinter seiner Politik (bzw. das, was man zum Publikationszeitpunkt, immerhin Frühjahr 2017, dafür hielt) hätte erkennen können.

Das liest sich wie ein Text aus einer frühen, vergangenen Zeit, als die Medien Trumps Chefstrategen Steve Bannon noch als dunkle Eminenz im Weißen Haus und als „Schattenpräsidenten“ inszeniert haben. Zwischendurch sah es so aus, als stehe Bannon kurz vor dem Rausschmiss, jetzt scheint er als Mitglied eines dubiosen „War Rooms“ wieder Oberwasser zu gewinnen (Stand: 30. Mai 2017), während sein Nachfolger als ‚Schattenpräsident’, der deutlich liberalere (aber nicht weniger undurchsichtige) Schwiegersohn Jared Kushner nun wegen seiner ungeklärten Russland-Verbindungen in die Enge getrieben wird. Insofern ist abzuwarten, welcher ‚Schattenpräsident’ als Nächstes angeblich im Hintergrund die Fäden zieht und die Agenda bestimmt.

Bekannt ist, und das gestehen die Autoren ja auch zu, dass Trump sich vor allem von seinem Bild in den Medien leiten lässt (außer in denen, die er als ‚Fake News’ bezeichnet, also jenen links von Fox News). Insofern gerät die Tatsache, dass er zu den rechtsradikalen Morden von Portland Ende Mai kein Wort twitterte, während er sich in Bezug auf die Russland-Vorwürfe die Finger gleichzeitig wund schrieb, sofort zum Politikum und zum Nachweis seiner rechtsextremen Politik. Dann verurteilte er die Morde doch (via Twitter) und die Vorwürfe waren zunächst vergessen. So gesehen ist vieles, was in diesem Buch steht, richtig, vieles überholt, und vieles schon wieder richtig (oder falsch). Dafür können die Autoren natürlich nichts, zumal die Dynamik der Russland-Vorwürfe tatsächlich nicht vorausgeahnt werden konnte. Trotzdem ist Trumps Politik ein Tagesgeschäft, eine ideologischer roter Faden nicht erkennbar und stark abhängig von seinen jeweilig favorisierten Beratern. Vieles davon ist in diesem Buch auch zu lesen, aber alleine das Anfangskapitel ist wenige Wochen nach Erscheinen hoffnungslos veraltet.

Insofern gerät das Buch zum Plädoyer für das politische eBook, das von den Autoren stets aktualisiert werden müsste, in Trumps Fall mitunter täglich. Oder aber man veröffentlicht das Ganze gleich auf Twitter, auf 140 Zeichen kompakt zusammengefasst.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Brendan Simms / Charlie Laderman: Wir hätten gewarnt sein können. Donald Trumps Sicht auf die Welt.
Übersetzt aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2017.
157 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783421047984

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