Ein Gefüge praktischer Ethik und zu erkämpfender Rechte

Andi Zeisler verteidigt den „echten Feminismus“ gegen den „Marktfeminismus“

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Unlängst wurde Valie Export, während der 1970er-Jahre eine der Protagonistinnen der feministischen Avantgardistinnen in der Kunst, in einem vom Berliner „Tagesspiegel“ geführten Interview gefragt, was sie davon halte, dass die Werbung den Feminismus für ihre Zwecke einspanne und auf T-Shirts Aufdrucke wie „Girl-Power“ prangen. Für die „Werbetreibenden“ sei dies ein „konsequenter Schritt“, erläuterte die Künstlerin und monierte, dass die Slogans „ohne Inhalt“ daherkommen, „stellt diese Vereinnahmung der feministischen Ideen für mich auch einen Eingriff dar. Jeder dieser Menschen, der diese Kleidungsstücke kreiert und trägt, tut nichts für eine demokratischere, nicht sexistische und antidiskriminierende Welt. Das ist gar nichts. Es ist ein Schritt ins Gegenteilige.“

Andi Zeisler, eine „amerikanische Feministin der dritten Welle“ und in den 1990er-Jahren Mitbegründerin des Riot-Grrrl-Fanzines „Bitch: Feminist Response to Pop Cultur“ räsoniert in ihrem 2016 erschienenem und unverkennbar in der Zeit vor Donald Trump verfassten Buch Wir waren doch mal Feministinnen unter anderem am Beispiel des Slogans „This is what a feminist looks like“ ebenfalls kritisch über solche T-Shirt-Aufdrucke. Der Ausdruck „Girlpower“ wiederum sei „1997 den Riot-Grrrl-Fanzines entrissen“ worden und „als Frankensteins Monster des Marktfeminismus wieder aufgetaucht, das in Gestalt der Spice Girls alles platt hüpfte, was ihm im Weg stand“.

Im Zentrum von Zeislers Buch steht eine oft vehemente Kritik eben dieses „Marktfeminismus“. Es handelt sich bei dem Ausdruck um einen Neologismus, den sie offenbar selbst geschaffen hat, ohne ihn allerdings konzise mit Inhalt füllen und sodann in ein eindeutiges Verhältnis zu dem von ihr vertretenen „echten Feminismus“ zu setzen. Dies mag allerdings auch dem Umstand anzulasten sein, dass es sich bei dem Marktfeminismus offenbar selbst um ein uneindeutiges, schillerndes Phänomen handelt. So konstatiert Zeisler einerseits eine „Kluft zwischen Feminismus und Marktfeminismus“ und macht den Hauptwiderspruch zwischen beiden darin aus, „dass feministische Bewegungen Systeme verändern wollen, wohingegen der Marktfeminismus das Individuum in den Mittelpunkt stellt“. Damit scheint eindeutig gesagt zu sein, dass der Marktfeminismus kein Teil des Feminismus ist. Überhaupt habe der Marktfeminismus „das Wort Feminismus bereits zu einer Art hipper Allzweckwürze“ degradiert, „mit dem Medien und Popkultur ihre Inhalte aufpeppen.“ Andererseits gesteht die Autorin verschiedenen Vertreterinnen des Marktfeminismus – sie nennt hier namentlich Beyoncé, Lena Dunham, Sheryl Sandberg, Taylor Swift und Emma Watson – zu, dass „der Feminismus, den diese Frauen verfechten, sicher vernünftig“ sei, nur leider „nicht sonderlich differenziert“. Ein Vorwurf, der auf die Autorin insofern zurückfällt, als sie diese fünf in vielerlei Hinsicht doch sehr unterschiedlichen Feministinnen zumindest hier kurzerhand über einen Kamm schert.

Zudem zeugt Zeislers wiederholte Rede vom „echten Feminismus“ von einem dezidierten Anspruch auf Deutungshoheit. Gleichwohl spricht sie von der Gegenwart als „einer Zeit des pluralistischen Feminismus – einer Zeit, in der von einem einzigen Feminismus eigentlich gar keine Rede mehr sein kann“. Das war allerdings wohl schon zu der Zeit nicht sehr viel anders, als die ersten Frauen begannen, sich für ihre Rechte einzusetzen.

Ein wichtiger Unterschied zwischen dem von ihr propagierten Feminismus und dem Marktfeminismus besteht jedenfalls darin, dass der Auffassung des letzteren zufolge „jede Entscheidung eine feministischesein kann“, „solange es nur eine Feministin (selbst eine vorübergehende) ist, die sie trifft“. Dem hält Zeisler zunächst einmal mit guten Argumenten entgegen, dass „wir nicht im luftleeren Raum existieren, und unsere Wahlmöglichkeiten auch nicht“. Vielmehr „wirken sich die kulturellen Idealnormen, die von profitgetriebenen Medien und Unternehmen geschaffen und geliefert werden, massiv auf die angeblich so freien Entscheidungen aus“. Zeislers Feminismus tritt daher nicht nur für die Möglichkeit ein, wählen zu können, sondern besteht vor allem aus einem „Gefüge praktischer Ethik und zu erkämpfender Rechte“, das sich gegen „strukturelle Ungleichheit“ richtet. Damit liefert die Autorin eine brauchbare Kurzdefinition dessen, was Feminismus (neben seinem Kampf gegen individuellen Sexismus) ausmacht. Und natürlich räumt auch Zeisler jeder Frau das Recht ein, zu wählen, welches Leben sie führen möchte. Nur ist es nicht eo ipso feministisch, eine solche  Entscheidung zu treffen. Ob sie es ist, hängt vielmehr stets davon ab, wofür sich die Frau entscheidet. Genauer gesagt, ob ihre Entscheidung „ein klitzekleines Schrittchen in Richtung einer Welt mit objektiv mehr Gleichberechtigung oder von dieser weg sein könnte“. Besser lässt es sich kaum sagen. So interessiert Zeisler letztlich auch nicht, „ob sich jemand das feministische Etikett anheftet, sondern vielmehr, was sie oder er mit dem Feminismus anstellt“.

Zwar stehen die einzelnen Kapitel des Buches recht unverbunden nebeneinander, doch kritisieren sie zumeist verschiedene Aspekte des Marktfeminismus und bieten manche informative Ein- und Rückblicke in die US-amerikanische Begriffs- und Mediengeschichte. So bietet Zeisler einen zwar kurzen, aber erhellenden Abriss zur Begriffsgeschichte des Ausdrucks „Ermächtigung“ oder über die Rolle der Frauen in der US-amerikanischen Filmgeschichte mit Fokus auf Hollywood, ohne dass der Indie-Film zu kurz kommt. All dies natürlich unter Berücksichtigung feministischer Anliegen und Theorien inklusive einiger messerscharfer Formulierungen. Zu einer solchen findet die Autorin beispielsweise, wenn sie klagt: „Beim Konsum der Hollywood-Version ‚feministischer‘ Inhalte kommt man sich häufig vor wie eine Absolventin der Literaturwissenschaft, der jemand ein Tigerenten-Buch in die Hand drückt mit den Worten: ‚Ich habe gehört, du liest gern!‘“

Was die Entwicklung des feministischen Anliegens über die Jahrzehnte hinweg betrifft, zieht Zeisler ein ambivalentes Fazit. Zwar verstünden „immer mehr Menschen“, „was Feminist*innen seit Jahren sagen“, doch habe es seit Anfang der 1970er-Jahre kaum Fortschritte gegeben. Auch komme der Feminismus „heutzutage ja wirklich fröhlicher und witziger, cooler und lockerer daher als je zuvor“. Das Problem dabei sei allerdings, dass Feminismus „kein Spaß“ ist, sondern eine „ernsthafte Angelegenheit“, deren „Kernthemen“ – Zeisler nennt „Lohnungleichheit, geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, institutionalisierter Rassismus und Sexismus, strukturelle Gewalt und natürlich körperliche Autonomie“ – „alles andere als sexy“ sind. So ist es.

Nicht zuletzt, weil Zeisler hierauf beharrt und diese Haltung mit zahlreichen Fakten und Überlegungen erhärtet, lohnt sich die Lektüre ihres Buches. Hinzu kommt ihr erfrischender Stil, unter dem die argumentative Schärfe keineswegs leidet. Ist Zeisler einmal nicht überzeugend, hat das meist inhaltliche Gründe. Denn es gibt durchaus das eine oder andere zu monieren.

Vor der inhaltlichen Kritik sei jedoch auf ein oder zwei formale Mängel hingewiesen. Der eine betrifft die Quellenangaben, die sich immer wieder als unzulänglich erweisen oder gar völlig fehlen. So referiert die Autorin gegen Ende des Buches die Ergebnisse dreier Studien zum Verhältnis von Attraktivität und beruflichem Erfolg, ohne überhaupt zu erwähnen, um welche Studien es sich handelt. Zum Zweiten bedarf die Übersetzung von Anne Emmert und Katrin Harlaß einer Anmerkung. Während der Untertitel der deutschen Ausgabe vom Original abweicht – „Der Ausverkauf einer politischen Bewegung“ ist etwas völlig anderes als „The Buying and Selling of a Political Movement“ (es mag die Abänderung dem Schweizer Verlag anzulasten sein) –, halten sich die Übersetzerinnen im Text gelegentlich allzu eng an bestimmte Gepflogenheiten und Wendungen des Amerikanischen, was teilweise hölzern wirkt:

Doch obwohl diese Strategie [der Werbetexterin  Frances Maule, „Frauen nicht als amorphen, leicht beeinflussbaren Haufen zu betrachten, sondern stattdessen den Slogan der Suffragetten ‚Frauen sind Menschen‘ zu beherzigen“, RL] eigentlich nichts anderes war als gesunder Menschenverstand, stand sie im Konflikt mit der wachsenden Kultur des Massenmarktes, deren Profitstreben darauf beruhte, die Kultur zwischen den Geschlechtern nicht nur zu betonen, sondern diese verbindlich festzuschreiben.

Gelegentlich erliegen sie den Tücken des Amerikanischen sogar mit inhaltlichen Folgen. Joan Holloway-Harris aus der Fernseh-Serie Mad Man als „Chef-Schlampe vom Dienst“ zu bezeichnen, wird der Figur weder vor noch während ihrer Teilhabe an dem Unternehmen gerecht. Im Original wird sie als „head bitch in charge“ charakterisiert, und das ist tatsächlich um Einiges treffender. Den Übersetzerinnen ist da allerdings kein allzu großer Vorwurf zu machen, lässt sich der Ausdruck Bitch mit all seinen Konnotationen wohl kaum adäquat ins Deutsche übertragen. Vielleicht hätten sie ihn einfach stehen lassen sollen, wie sie es bei dem Begriff „Gender“ tun. Angemerkt sei aber auch, dass Emmert und Harlaß öfter relativ frei und richtig gut übersetzen, wie das obige Tigerenten-Zitat zeigt.

Ansonsten sind inhaltliche Mängel und Fehler selbstverständlich der Autorin selbst anzulasten. Etwa was die Geschichte der (US-amerikanischen) Frauenbewegung und Zeislers sonstige historische Angaben betrifft. Manchmal handelt es sich dabei nur um eine fragwürdige Einschätzung: „Historisch gesehen waren schließlich die Konzepte der verschiedenen feministischen Bewegungen in ihrem Kern stets antikapitalistisch“. Ob dies so ist, hängt natürlich vom Verständnis dessen ab, was Feminismus im Kern ausmacht und trifft nur zu, falls man allen anderen Strömungen und Bewegungen den Ehrentitel feministisch verweigert. Dann aber ist die Aussage so inhaltsleer wie die Behauptung „Alle Kugeln sind rund“. Zur Zeit des deutschen Kaiserreiches jedenfalls war weder die gemäßigte bürgerliche, noch die radikale bürgerliche Frauenbewegung antikapitalistisch, und schon gar nicht die verschiedenen religiösen, sondern nur die sogenannte proletarische Frauenbewegung der Sozialdemokratie. Auch für die Suffragetten diesseits und jenseits des Atlantiks lässt sich Zeislers Behauptung nicht wirklich aufrechterhalten.

Aber auch ihre historischen Tatsachenbehauptungen sind gelegentlich ungenau. Dass Angela Davis 1970 „wegen ihrer Beteiligung  an der Ermordung eines Richters auf der Flucht“ gewesen sei, kann man so nicht stehen lassen, auch wenn nach der kommunistischen Bürgerrechtlerin gefahndet wurde, weil sie die Waffen zu einem gescheiterten Befreiungsversuch während eines Prozesses besorgt haben soll, bei dem vier Menschen getötet wurden – unter ihnen Richter Haley. Die Waffe, mit der er erschossen wurde, hatte Davis’ nur 17 Jahre alter Leibwächter Jonathan Jackson beim Kauf auf ihren Namen registrieren lassen. Auch er ließ bei dem Befreiungsversuch sein Leben. Davis, die während der Tat nicht im Gerichtsgebäude war, wurde nach einer Woche Fahndung verhaftet und später im Prozess freigesprochen. Sie war also nicht wegen der Beteiligung an der Tat auf der Flucht, sondern weil sie der Beteiligung verdächtigt wurde.

Auch Zeislers impliziter Rassismusvorwurf gegen Elisabeth Cady Stanton und Susan B. Anthony fußt nur auf der halben Wahrheit. Die Autorin schreibt, die beiden Urmütter der amerikanischen Frauenbewegung hätten eine „rassenexklusive Strömung“ der Bewegung vertreten, da „die Feministinnen der ersten Welle keine People of Color dabei haben wollten, die ihnen womöglich die Erlangung des Wahlrechts vermasselt hätten“. Dabei unterschlägt die Autorin die langjährige Zusammenarbeit zwischen den beiden Angehörigen der Frauenbewegung und der gegen die Sklaverei gerichteten AbolitionistInnen. Stanton etwa reiste bereits 1840 zur ersten „World’s Anti-Slavery Convention“ nach London, wo ihr aber, wie allen Frauen, das Rederecht verweigert wurde. Auch ließen das feministische Duo und ihre MitstreiterInnen während des amerikanischen Bürgerkriegs den Kampf ums Frauenwahlrecht zu Gunsten des Kampfes gegen die Sklaverei ruhen. Wahr ist allerdings auch, dass sich die beiden Feministinnen nach dem Bürgerkrieg vehement gegen die abolitionistische Bewegung wandten, da diese ihrerseits die Forderung der Feministinnen abgelehnt hatte, sich dafür einzusetzen, dass der Wortlaut des 1870 vorgelegten 15. Zusatzartikels zur Verfassung der Vereinigten Staaten, in dem das Wahlrecht für afro-amerikanische Männer festgeschrieben wurde, vor der Abstimmung dahingehend umformuliert werden sollte, dass auch Frauen das Wahlrecht zugestanden wurde. Die Kritik von Cady Stantons und Susan B. Anthonys konnten nicht nur weiße Frauenrechtlerinnen nachvollziehen, sondern etwa auch die Feministin und frühere Sklavin Sojourner Truth.

„Die Feministinnen der zweiten Welle“ wiederum werden von Zeisler angegriffen, weil sie „keine Lesben und Transgenderfrauen dabei haben wollten, die mit ihren randständigen Identitäten die Bewegung kompromittiert hätten“. Nun sei zwar eingeräumt, dass es in der zweiten Frauenbewegung tatsächlich eine aus überwiegend taktischen Gründen lesbenfeindliche Strömung gab – aber eben nicht nur: Bedeutenden Feministinnen der 1970er-Jahre wie der heute noch aktiven Gloria Steinem, Florynce Kennedy und Kate Millet wird man der lesbenfeindlichen Strömung ebenso wenig zurechnen können wie Barbara Love und ihre Partnerin Sidney Abbott. Auch nicht Robin Morgan (die allerdings 1973 versuchte, Beth Elliott von der West Coast Lesbian Conference auszuschließen, weil sie eine Transgenderfrau ist) oder Jill Johnston, die die Lesbian Nation als Feminist Solution (so der Titel eines ihrer Bücher aus dem gleichen Jahr) propagierte. Nicht zu vergessen Ti-Grace Atkinson, der die damals einflussreiche Parole „Feminismus ist die Theorie, Lesbianismus die Praxis“ zugeschrieben wurde und deren Buch Amazon Odyssey ein Jahr nach demjenigen Johnstons erschien. Auch gab es während der Zweiten Welle nicht nur in den USA einen starken lesbischen Flügel der Frauenbewegung, sondern ebenfalls in Europa. In Deutschland waren es etwa nicht zuletzt Lesben, die in zahlreichen Städten Frauenzentren aufbauten, sie gaben feministische Zeitschriften wie „Die schwarze Botin“ heraus und gründeten den feministischen Amazonenverlag. Überhaupt war die autonome Frauenbewegung Deutschlands fast während der 1970er-Jahre nicht unwesentlich von Lesben geprägt. Frankreich wiederum brachte mit Monique Wittig die wohl bekannteste Vertreterin des lesbischen Feminismus Europas hervor. Und auf der anderen Seite des Globus agierte das feministische Australian Lesbian Movement.

Ebenfalls kritikwürdig ist Zeislers Haltung zur Prostitution, oder, wie sie sagt, zur „Sexarbeit“. Eine Benennung, die ihr besonders wichtig ist, denn „dass Sexarbeit Arbeit ist, ist ein Thema, dessen Bedeutung man gar nicht hoch genug einschätzen kann“. Warum das so wichtig sein soll, begründet sie nicht. Es dürfte ihr auch schwer fallen, gibt es doch Arbeit, der die höchste Achtung zu zollen ist, aber auch andere, welche die tiefste Verachtung verdient. Beispiele für das eine oder andere zu nennen, erübrigt sich. Ansonsten führt die Autorin einen merkwürdigen Eiertanz bei der Behandlung des Themas auf. Zwar weiß sie sehr wohl, dass sich „Entscheidungen, die wir tagtäglich treffen […] in der großen Welt auswirken“ und „in vielen dieser Entscheidungen das Potential liegt, die Welt besser oder schlechter zu machen“. Sie behauptet sogar völlig zutreffend, dass „die Argumentation, alle Entscheidungen seien gleich gut, solange sie von einzelnen Frauen getroffen würden, jeden Sinns entbehrt“. Schreibt sie jedoch über Prostitution, so scheint sie all das zu vergessen und erklärt, „die Diskussion über die damit [mit der Prostitution, RL] verbundenen komplexen Zusammenhänge sollte generell am besten denen überlassen bleiben, die damit am meisten Erfahrung haben, nämlich den Sexarbeiterinnen“. Ihre eigenen „nicht vorhandenen praktischen Erfahrungen auf diesem Gebiet“ schlössen daher „irgendwelche Äußerungen im Rahmen dieses Buches dazu aus“. Dieser Argumentation zufolge müsste jeder Mensch zu den meisten Tätigkeiten anderer Menschen und deren Angelegenheiten schweigen. Auch Zeislers Buch wäre, hätte sie sich stets an diese Maxime gehalten, um die eine oder andere Seite dünner geworden. Ganz abgesehen davon, dass der Blick aus dem Inneren nicht unbedingt immer der klarste ist. Als Ganzes lässt sich ein Phänomen beispielsweise am besten von außen überblicken. Wie wäre es, wenn alle, die von Prostitution betroffen sind, über sie mitreden würden und sollten? Das wären nämlich überhaupt ausnahmslos alle, die in einer Gesellschaft leben, in der es Prostitution gibt. Zudem können auch Menschen, die von einem bestimmten Thema nicht betroffen sind, durchaus kluge und hilfreiche Dinge zu ihm beitragen.

Angesichts dieser vielleicht recht zahlreich anmutenden kritischen Anmerkungen sei noch einmal betont, dass Zeislers Buch im Großen und Ganzen überzeugt, ja dass es so manche Information und Anregung bietet und seine Lektüre somit jedem kritischen Kopf zu empfehlen ist.

Titelbild

Andi Zeisler: Wir waren doch mal Feministinnen. Vom Riot Grrrl zum Covergirl – Der Ausverkauf einer politischen Bewegung.
Übersetzt aus dem Englischen von Anne Emmert und Katrin Harlaß.
Rotpunktverlag, Zürich 2017.
302 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-13: 9783858697264

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