Hinter den Kulissen des Selbst

Erkenntnisse zum bewussten Sein in den Dialogen eines Hirnforschers und eines buddhistischen Mönchs

Von Sandy SchefflerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sandy Scheffler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Band Jenseits des Selbst hat sich vorgenommen, die „Beziehungen zwischen Hirnforschung und mentalen Praktiken“ auszuleuchten. Die Frage, wie sich der Zusammenhang zwischen verschiedenen Bewusstseinszuständen, wie sie etwa in der tiefen Meditation erfahren werden, und neuronalen Prozessen erklären lässt, bildet dabei den Ausgangspunkt. Der Neurophysiologe Wolf Singer und der buddhistische Mönch Matthieu Ricard haben sich über einen Zeitraum von acht Jahren immer wieder getroffen, um einen stets am Zugang des jeweils anderen interessierten fruchtbaren Dialog zu führen. Beide machen zunächst deutlich, was der wesentliche Unterschied ist zu denjenigen Dialogen, die bereits zuhauf zwischen westlicher Wissenschaft und den Religionen bezüglich dieses Themas geführt worden sind. Ricard skizziert hierfür das Wesen des Buddhismus, der maßgeblich auf „Introspektion“ und Erfahrung ausgelegt ist, die durch Meditation gewonnen wird. Er schlussfolgert als wesentliches Merkmal, dass die empirischen Naturwissenschaften ebenso wie die Erforschung des Geistes im Buddhismus als Methode der Beobachtung bedürfen. Somit geht es nicht um das Verhältnis der Vorstellungen von etwas und zu etwas, sondern um die Gegenüberstellung von Erkenntnistheorie und personeller, innengerichteter Erfahrung.

Ricard macht in diesem intensiven Gespräch mit Singer deutlich, dass dem Menschen natürliche Anlagen mitgegeben sind, die jedoch noch nicht per se zum Lebensoptimum führen. Jede Fähigkeit des Denkens und Bewegens muss oft und jahrelang geübt werden, bevor sie schnell und ohne Umschweife automatisiert abgerufen werden kann. Genauso verhält es sich mit der meditativen Übung des Geistes. Sie kann „Schritt für Schritt“ zu einer „optimalen Lebensweise“ beitragen, jedoch nicht, ohne eine gewisse Fertigkeit darin erworben zu haben. Somit kann „der Zustand, den wir als ,normal‘ bezeichnen, nur den Ausgangspunkt“ markieren.

Die meditative Übung des Geistes meint nicht die meditative Übung des Denkens. Klar umreißt der Dialog zwischen Singer und Ricard, dass der Zustand ,reinen Gewahrseins‘, auf den Meditation abzielt, das Gegenteil von den stetig wiederkehrenden Denkprozessen des Gehirns meint. Absichtslose Achtsamkeit steht in Opposition zum zielgerichteten Denken. Dies äußert keine Bewertung, sondern liefert den Antagonismus, mit dessen Hilfe man vermitteln kann, dass der Begriff „Geist“ als Bewusstseinsfeld eine andere Instanz bedeutet und nicht eine anders gerichtete Art des Denkens. Meditativer Geist ist Gewahrsein. Denken ist die aktive mentale Bemühung um ein Objekt der Gedanken. Insofern gehören sämtliche mentale Prozesse nicht zum reflektierenden Geisteskern, sondern sie sind das Reflektierte. Sie laufen an der Peripherie ab, ohne den Kern tatsächlich berühren und verändern zu können. Ricard führt als bildhaften Vergleich an, dass das Licht der Fackel klar und erhellend bleibt, egal, worauf ihr Schein fällt, sei es ein Müllhaufen oder ein Juwelenberg, nichts macht das Licht selbst hässlich oder wertvoll. Für Singer ist diese Perspektive schwer vorstellbar. Bewusstsein oder Gewahrsein als ein Leersein von Gedanken müsste doch eigentlich zu etwas Nicht-Existentem führen, wie er mutmaßt. Ricard versucht, sich durch den Vergleich zu einem „dynamischen Strom“ des Bewusstseins, der stetig und klar „hinter der Trennwand aus Gedanken“ fließt, verständlich zu machen. Deutlich kann man erkennen, dass die kulturelle westliche Prägung auf die permanente Einübung des Denkens schwer vorstellbar macht, dass Wahrnehmung ohne mentale Einmischung überhaupt möglich ist. Hinzu kommt, dass die Identifikation mit den wechselnden Gedankenvorgängen selbst, die Wahrnehmung eines klaren Bewusstseins erschweren oder gar verhindern kann. Die Identifikation mit einem bestimmten Gedanken führt leicht zu einer Fehlinterpretation dessen, was tatsächlich ist und infolgedessen auch zu Leiden, das auf eben dieser Täuschung beruht. Daher steht in der buddhistischen Lehre die Überwindung der Täuschung mittels verschiedener Methoden an zentraler Stelle.

Die bisweilen recht herausfordernden Fragen Singers („Geht es dir um ein klares, von allen emotionalen Färbungen befreites Bewusstsein? Ich bezweifle sehr, dass solche emotionslosen Menschen überleben könnten, es sei denn, sie hätten das Privileg, in einer sehr geschützten Umgebung zu existieren.“) führen Ricard zum Zentrum dessen, was die Grundlage eines Abwehrmanövers für sämtliche Täuschungen ist: zur altruistischen Liebe. Nur eine solche erkenne im anderen dasselbe Wesen, das ebenso wie der Erkennende nicht leiden und frei sein möchte. „Bevorzugung, Besitzenwollen und Klammern“, inklusive seine Negativfolgen durch die Verstrickung in diese Begierden, lösen sich schlichtweg auf. Somit wird die Emotion, die durch das meditative Gewahrsein mit einem klaren Sehen keine hitzige mehr ist, zwar noch erfahren, aber es findet keine Identifikation mehr mit ihr statt. Mit 100-prozentiger Bewusstheit darf Wut da sein, aber es ist niemand notwendig, auf den Wut projiziert wird und an dem Wut ausgelassen wird. Die fehlende Übung eines selbstaufmerksamen Umganges mit den eigenen Emotionen führt dazu, dass sich ein im westlichen Kulturkreis sozialisierter Mensch nicht ,vorstellen‘ kann, wie das funktionieren könnte. Mit dem Nicht-Vorstellen-Können allerdings bewegen wir uns erneut auf der hochtrainierten mentalen Denkebene. Um bei dem eingangs gewählten Bild des Fackellichtes zu bleiben: Es ist der Versuch, das erhellende Licht als schön oder hässlich zu identifizieren, je nachdem ob es auf den Berg mit Juwelen oder Müll fällt. Worum es jedoch in dem aufgezeichneten Dialog geht, ist, metaphorisch gesprochen, das klare Licht, das beides beleuchtet. Das Gewahrsein des klaren Geistes ohne einen Gedanken und ohne den Wellenschlag einer hitzigen Emotion.

Die Problematik eines solchen Gewahrseins besteht in seiner Introspektivität. Denn wie ließe sich eine personelle Erfahrung mit den bekannten wissenschaftlichen Methoden überprüfen? So wendet der Hirnforscher ein, dass man bei der Überprüfung der introspektiven Beobachtung in der Meditation sozusagen einer subjektiven, narrativen Darstellung folgen muss, denn es gibt nichts, was sich im Außen als erfolgreich oder erfolglos ablesen ließe. Der meditierende Mönch hat darauf die kluge Antwort parat, dass man zunächst letztlich jedes neue Ergebnis, auch in den Naturwissenschaften, als Laie als gegeben hinnehmen muss. Man hat jedoch die Möglichkeit, sich in das Themengebiet einzuarbeiten, um dann das zunächst theoretisch Verbliebene selbst zu prüfen. Diese Chance besteht auch für die Übung des meditativen Geistes und die Überprüfung seiner erfolgreichen Funktionsweise.

Die Übung kann sogar so weit gehen, dass die aufmerksame Haltung des „heilsamen, mitfühlenden Geisteszustands“ nicht mehr verlassen wird. Ohne Ablenkung hält sich der Geist in der Balance der Meditation, ohne dass die aktive Praxis des Meditierens noch nötig ist. „Meditieren ohne Meditation“ wird möglich. Auf hirnphysiologischer Ebene zeigt eine Studie, dass „relative erfahrene Meditierende“ (19.000 Stunden Übung) eine verstärkte Aktivität in der Aufmerksamkeitsregion des Gehirns aufweisen. Fortgeschrittene Meditierende hingegen (44.000 Stunden Übung) weisen in eben dieser Region weniger Aktivität auf. Nachdem eine Fähigkeit erworben wurde, reicht somit eine „minimale Anstrengung“ aus, um – wie es heißt – sich vom „Flow“ der Aufmerksamkeit tragen zu lassen. Letztlich entspricht dieser Zustand der „Definition von Meditation, nämlich einen bestimmten Geisteszustand zu pflegen, ohne sich ablenken zu lassen“.

Die beständige Wiederholung der meditativen Praxis führt zu einer veränderten Funktionsweise des Gehirns, was in verschiedenen Studien nachgewiesen wurde: „Das Volumen der Hirnrinde in bestimmten Arealen der Großhirnrinde“ etwa nimmt „bei Menschen mit sehr großer Meditationserfahrung zu.“ Hinzu kommt, dass jede Hirnaktivität, die aufmerksam und bewusst erfolgt, erinnert werden kann. So kommt es auch zu Veränderungen an den Synapsen. Manche neuronale Verknüpfungen werden gestärkt, andere werden geschwächt. Wie Singer sagt, werden so „Veränderungen der Dynamik der interagierenden Zellpopulationen“ und damit „veränderte Funktionen“ ausgelöst. Für die Praxis der Meditation bedeutet es, dass es aus wissenschaftlicher Sicht durchaus plausibel ist, die auf Altruismus und Klarheit fußenden, trainierten Geisteszustände später bewusst herbeiführen zu können. Der Altruismus gilt als „der positivste aller Geisteszustände“ und dies in einer Art Doppelfunktion. Er wirkt wohltuend nach außen in die Umwelt und zugleich, das eigene positive Gewahrsein stärkend, nach innen. Es werden damit die Areale im Gehirn trainiert, die – wie wir in der Fokussierungsübung mit Meditation erfahren haben – zu Frieden und Erfüllung beitragen: „Die Aufmerksamkeit nach innen richten bedeutet reines Gewahrsein und Verweilen in der Frische des gegenwärtigen Augenblicks, ohne Ablenkung, mühelos, ohne irgendwelche Hirngespinste zu unterhalten.“

Interessant ist, wie die Hirnforschung die Wirkungsweise der alten Meditationsriten bestätigt. Beispielsweise nehmen Meditierende eine Schlafposition auf der rechten Körperseite ein, bei der die rechte Hand unter der Wange liegt und die linke Hand entlang des Körpers ausgestreckt ist. In dieser Körperhaltung sollen diejenigen Kanäle blockiert werden, die negative Emotionen transportieren, während die positive Emotion, die durch die linke Körperhälfte zirkuliert, sich frei bewegen kann. „Das passt erstaunlich gut mit der Erkenntnis zusammen, dass der rechte präfrontale Kortex eine Beziehung zu negativen Emotionen aufweist, während der linke aktiviert wird, sobald man positive Gefühle empfindet.“ Zudem sorgt diese Schlafposition dafür, dass das Herz „nicht zusammengedrückt wird“.

Ein weiterer Abschnitt des Buches widmet sich „unbewussten Prozessen und Emotionen“. So ist es recht aufschlussreich, dass das Gehirn dem Phänomen der so genannten „Veränderungsblindheit“ unterliegt. Es können zeitgleich nur etwa vier bis sieben Informationseinheiten bewusst gespeichert werden: „Wird uns ein Bild vorgelegt und kurz darauf ein zweites, das dem ersten bis auf eine kleine Veränderung gleicht, sind wir unfähig, diese lokalen Veränderungen zu erkennen.“ Die Wahrnehmung wird von vielfältigen Faktoren bestimmt, zum Beispiel von Erinnerungen und gespeicherten Informationen. Was wir als unsere Wahrnehmung ausgeben, ist somit zum Teil auch dadurch bestimmt, auf welche gespeicherten Erinnerungen und Informationen wir unsere Aufmerksamkeit richten, was wiederum von internen und externen Größen beeinflusst wird. Aus diesem Grund stimmen Ricard und Singer darin überein, dass die Intuition, das so genannte Bauchgefühl, legitimerweise zur Entscheidungsfindung beiträgt. Allerdings kann eine situative Entscheidung erst dann angemessen von der Intuition unterstützt sein, wenn das innere Gewahrsein trainiert wurde. Dann nämlich werden nicht augenblickliche Emotionen, wie Wut oder Angst, die Situation verzerren, in der entschieden werden muss. Vielmehr ist das freie Gewahrsein darin geübt, derlei Emotionen ohne Ausagieren wahrzunehmen und zuzulassen, um unbeeinflusst der klaren Intuition, die übrig bleibt, zu folgen.

Emotionen sind nicht selten motiviert von (negativen) Gedanken und den daraus folgenden Gedankenketten. Während die westliche Psychoanalyse darauf setzt, Probleme zu identifizieren und durch Analyse zu bearbeiten, setzt die östliche Meditation methodisch auf die Aufmerksamkeitsübung: (Negative) Gedanken wahrnehmen und ihnen nicht folgen, sie loslassen schon im Moment ihrer Entstehung, führt zur Unterbrechung der folgenreichen Gedankenketten, die wiederum negative Emotionen aktivieren. Ricard gibt sogar die Aussicht: „Erfahrungsgemäß kannst du mit der Zeit nicht nur erfolgreich mit jedem einzelnen negativen Gedanken umgehen, sondern du neigst insgesamt auch weniger dazu, solche Gedanken überhaupt zu haben. Am Ende treten sie überhaupt nicht mehr auf.“ Die Betonung liegt auf dem Wort „mit der Zeit“, denn eine rasche, oberflächliche Beruhigung von emotionalen Konflikten und destruktiven Gedanken kann nicht erwartet werden. Jahrelang eingeübte Negativmuster, auf die eine automatisierte emotionale Reaktion folgt, können kaum durch ein ebenfalls zu trainierendes, klares Gewahrsein, frei von jeglicher Zwanghaftigkeit und Negativität, über Nacht etabliert werden.

Ein weiteres Augenmerk des Buches liegt auf der Wahrnehmung dessen, was wir Realität nennen. Während der Hirnforscher schildert, dass die Wahrnehmung eine Zusammenschaltung neuronaler Prozesse ist, die unterdes der subjektiven Erfahrungsinterpretation unterliegt, bestätigt der buddhistische Mönch, dass eine Erfahrungswelt ohne Anhaftung zwangsläufig erkenne, dass die wahrgenommenen Dinge keine intrinsischen Eigenschaften aufweisen. Wäre dem so, dann gäbe es beispielsweise eine immerwährende Übereinstimmung über die Schönheit oder Hässlichkeit eines bestimmten Kunstwerkes. Alle diese Zuschreibungen, wie zum Beispiel dass eine Rose schön, köstlich oder uninteressant sei, unterliegen der individuellen Erfahrungswelt von Mensch, Biene und Tiger. Der Abstand zur Identifikation mit den eigentlich selbst zugeschriebenen Attributen, die als individuelle Erfahrung fälschlich für die einzige und wahre Realität gehalten wird, kann eintreten, wenn begriffen wird, was Veränderung ist: ein „dynamischer Fluss von Interaktionen zwischen zahllosen flüchtigen Phänomenen“. Matthieu Ricard spricht von „einschneidenden Konsequenzen“ dieser Erkenntnis. Denn sie bricht zunächst mit der gewohnten Sichtweise von Realität. Die Dinge sind Erscheinungen und keine Entitäten. Vergänglichkeit hilft uns, das zu erkennen. Und dann kann es möglich werden, eine Befreiung aus der Anhaftung an die Erfahrungswelt zu erleben, die zwangsläufig zur Anziehung (schön) oder Abstoßung (hässlich) führt und zu den damit verbundenen Emotionen und Frustrationen, sprich Leid. Ob es eine Realität hinter der für real gehaltenen, durch die Sinne wahrgenommenen Erfahrungswelt gibt, kann mit herkömmlichen Methoden nicht bewiesen werden. Es kann aber auch nicht gesagt werden, dass es sie nicht gibt.

Kausalzusammenhänge zwischen einzelnen Objekten hingegen basieren auf ihren so genannten „relativen Wahrheiten“. Ein Medikament kann gut oder schlecht wirken. Das ergibt sich aus einem komplexen Zusammenspiel diverser Faktoren, die nicht festlegbar sind. Das Medikament selbst hat also keine intrinsische Eigenschaft als „gut“ oder „schlecht“, jedoch ergeben sich aus den Kausalbezügen gute oder schlechte Wirkungen. Wie Ricard betont, ist eine solche Differenzierung „nicht bloß akademisch – sie zu ignorieren bringt uns dazu, auf eine Art und Weise zu handeln, die nicht mit der Realität übereinstimmt und daher dysfunktional ist“.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Aussage des Hirnforschers, dass es entgegen der westeuropäischen intuitiven Annahme, dass es eine zentrale Instanz im Gehirn gäbe, die alle Eindrücke, Beweggründe und neuronalen Funktionen bündelt, um zu einer exakten Wahrnehmung zusammengeführt zu werden und wo anschließend „Entscheidungen getroffen, Bewertungen vorgenommen, Pläne formuliert und Reaktionen initiiert werden“ können, fehl am Platze ist. Nach Singer gibt es „kein singuläres Zentrum im cartesischen Sinn“. Vielmehr haben wir es mit dem Gehirn als „einem hochkomplexen, distributiv organisierten System zu tun, das aus zahlreichen miteinander verbundenen Modulen besteht, die parallel arbeiten, wobei jedes für spezielle kognitive oder exekutive Funktionen zuständig ist. Diese Subsysteme arbeiten in sich stets verändernden, für die jeweiligen Aufgaben benötigten Konstellationen zusammen. Die dynamische Koordination dieses Zusammenspiels wird dabei von den Elementen des Netzwerks selbst organisiert und nicht durch ein übergeordnetes Kontrollzentrum vorgenommen.“

Die Kontroversen und Übereinstimmungen innerhalb des anregenden Dialoges zeigen Grenzen und Möglichkeiten der Kombination von Wissenschaft und Meditationspraxis im Hinblick auf die Erforschung von Bewusstsein auf. Dabei wird der Zugang zur jeweils anderen Sichtweise stets offen gehalten. Schwierigkeiten ergeben sich an der Trennlinie von mentalem Denkprozess und meditativem Erfahrungs- und Transformationsprozess. Ein Fortschritt innerhalb der Bewusstseinsforschung setzt in buchstäblichem Sinne ein persönliches Sich-Einlassen voraus, da tatsächliche Introspektion eben nicht durch Dialog und Theorie vermittelt werden kann. Der Dialog ist vielmehr eine Nachbearbeitung oder Übersetzung der meditativen Erfahrung, die in einigen Teilen mit den Neurowissenschaften übereinstimmt beziehungsweise durch diese bestätigt wird. Gerade die Kontroversen können als Herausforderung gelesen werden, sich kein Urteil zu bilden, sondern den Geist versuchsweise oder länger in einem bewussten Zustand reinen Gewahrseins ohne Gedankenformationen zu belassen. Es besteht die Möglichkeit, eine introspektive Erfahrung zu machen, die nicht länger eine These ist.

Titelbild

Wolf Joachim Singer / Matthieu Ricard: Jenseits des Selbst. Dialoge zwischen einem Hirnforscher und einem buddhistischen Mönch.
Übersetzt aus dem Englischen von Friederike Moldenhauer, Susanne Warmuth und Wolf Singer.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017.
351 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-13: 9783518425718

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