Skurrile Reisen entscheiden über die Zukunft der Erde

Stefano Benni hält der Welt einen immer noch aktuellen Spiegel vor

Von Stefan CernohubyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Cernohuby

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist nicht ganz so einfach, die Werke von Autoren zu verfolgen, die nicht in deutscher oder englischer Sprache schreiben. Italienisch ist beispielsweise nicht jedem Leser geläufig, und so ist man diesbezüglich in der Regel auf einen Übersetzer angewiesen. Der Wagenbach Verlag hat sich jedoch unter anderem auf das Verlegen von italienischer Literatur spezialisiert, was nun dazu geführt hat, tatsächlich ein druckfrisches Exemplar von Stefano Bennis Klassiker Terra! zu erhalten.

Wir schreiben das Jahr 2157. Nach diversen Atomkriegen, die durch traurig-ironische Umstände ihren Anfang nahmen, befindet sich die Erde in den Klauen einer Eiszeit. So wirkt es beinahe wie ein Wunder, als sich der Menschheit eine neue Chance bietet. Eine Nachricht deutet auf einen Planeten hin, welcher der Erde sehr ähnlich ist. Fieberhafte Aktivitäten starten, um sich diesen als erster zu sichern. Leider wurde über längere Zeit die Raumfahrt nicht sonderlich ernsthaft verfolgt, weshalb man nehmen muss, was man kriegen kann – selbst wenn es mit Disney-Motiven versehen ist. Und an Bord der verschiedenen Raumschiffe geht es rund. Es gibt Diktaturen, schwelende Rebellionen und unterdrückte Mäuse auf dem einen Schiff. Da sind seltsame Helden wie etwa Boza Cu Chulain – gleichzeitig Gauner –, die gemeinsam mit Robotern in die Unterwelt eindringen und Erfahrungen machen, bei denen man nur ungläubig weiterlesen kann. Parallel dazu gibt es ein äußerst ungleiches Duo aus einem gezüchteten Genie namens Einstein und dem chinesischen Philosophen Fang, das ein uraltes Rätsel zu lösen versucht. Dieses Rätsel ist es, das letztlich über den Ausgang des großen Abenteuers entscheidet. Dies alles umspannend, unterminierend und durchsetzend gibt es kurze und lange Geschichten. Solche, die von den Charakteren selbst erzählt werden und solche, die von Charakteren in den Geschichten der Geschichte erzählt werden.

Stefano Benni hat seinem Roman schon zu Beginn ein sehr klar strukturiertes Inhaltsverzeichnis beigegeben. Es umfasst Abschnitte, Hauptkapitel und Abschweifungen vom Thema. So könnte man es zumindest sehen. Liest man das Buch jedoch, bleibt von dieser Struktur wenig übrig, da die mitunter sehr kurzen Kapitel beinahe organisch ineinander übergehen. Was bedeutet, dass man sich in einer Spirale aus satirisch-überzeichneter Handlung, verzerrt-referenzierter Charaktere und wüsten Räuberpistolen befindet, die immer schneller rotiert. Hier muss sich der Leser wirklich anstrengen, um dem roten Faden, der in einer ziemlich skurrilen Zukunft zahlreiche Haken schlägt, wirklich auf der Spur zu bleiben. So gibt es im letzten Drittel des Werks Reime, Bilderrätsel und Diagramme, die auf ihre eigene verquere Art Ordnung ins Chaos bringen wollen – dabei aber selbst ein integraler Bestandteil desselben sind. Terra! ist definitiv kein einfach zu lesendes Buch. Es macht jede Menge Spaß, benötigt aber im Gegenzug viel Aufmerksamkeit vom Leser, wenn dieser sich nicht nur von Kapitel zu Kapitel amüsieren, sondern auch zum Kern des großen Ganzen vordringen will.

Terra! gilt als das bedeutendste Werk des italienischen Autors Stefano Benni – ob zu Recht, das steht auf einem anderen Blatt. Der aus dem Jahr 1983 stammende Roman vermag es jedenfalls noch heute, Leser zu beschäftigen, den Menschen einen mit viel Satire und Fantasie durchzogenen Spiegel vorzuhalten und ganz bestimmt zu fesseln. Und doch benötigt es einige Konzentration, um sich nicht in den vielen Schichten des Werks zu verlieren. Wer lediglich nach Humor sucht, findet diesen zwar, ihm entgehen jedoch die zahlreichen weiteren Aspekte des Textes.

Titelbild

Stefano Benni: Terra! Roman.
Übersetzt aus dem Italienischen von Pieke Biermann.
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2017.
432 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783803127716

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