Einfach zum Nachdenken und Schmunzeln

Dietrich zur Nedden entlarvt in seinen 135 Geschichten menschliche Schwächen

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Autor und Publizist Dietrich zur Nedden hat in den zurückliegenden Jahren im Wehrhahn Verlag schon einige Erzählbände vorgelegt. Nun erscheinen unter dem mehrdeutigen Titel Nach wie vor inzwischen 135 Geschichten, die in den letzten zehn, zwanzig Jahren entstanden und im „Schädelspalter“, Hannovers Stadtillustrierte, erschienen sind. Wie der Autor in der Vorbemerkung erwähnt, hat er „da und dort tapfer gekürzt; einzelne Passagen behutsam, manche dagegen rabiat überarbeitet“. Hier und da schmuggelte er auch „Unveröffentlichtes und zwischenzeitlich Verschollenes“ ein.

In den Kürzest-Geschichten, meist nur eine Seite lang, setzt sich der Autor mit den Unzulänglichkeiten unseres Lebens, unseres Alltags oder mit den Marotten seiner Mitmenschen auseinander. In seinen Texten sinniert, philosophiert oder schwadroniert er munter drauflos. Immer jedoch mit dem nötigem Ernst, aber auch mit einem gehörigen Schuss Satire, wobei die Selbstironie nicht zu kurz kommt. Häufig gelingen ihm dabei schöne Metaphern und außergewöhnliche Wortkonstruktionen. Da lernen wir den „Subpfandabgeber“, den „zerrütteten Markenkonsumenten“ oder den „Facility Manager“ kennen. Letzterer hieß früher Hausmeister, doch im heutigen Management-Jargon hat er eine berufliche Namensverbesserung erfahren, die irgendwie Weltkenntnis signalisiert, die man ja vielleicht auch braucht, zum Beispiel beim Auswechseln von defekten Glühlampen.

Bereits die Überschriften der Geschichten zeigen deren Themenvielfalt. So äußert sich zur Nedden zum Seniorentag, zur Sprachforschung, zum Baumarkt oder zu den Teletubbies. Natürlich fehlt auch der „Ballermann“ nicht, genauer die TV-Sendung „Ballermann Hits 2004“, in der für den Autor „der kollektive Frohsinn ungeahnte Höhen erreichte“. In der Geschichte „Beim Metzger“ geht es allerdings weniger um Wurst und Rippchen, sondern um Metzgersöhne wie Franz Josef Strauß oder Joschka Fischer.

Zur Nedden wundert sich über „Nationalstolzwochen“, „Vampirforschung“ oder „Versschmiedearbeiten“. Mit seinen Geschichten erwartet er aber nicht die Zustimmung der Leser, vielmehr zielt er auf deren Widerspruch hin. Oft ist die Überschrift auch irreführend und im Text geht es um ein ganz anderes Anliegen. So verbirgt sich hinter „Rasenmäher“ die Entlarvung eines Werbetextes für Duschgel.

Seine Themen findet zur Nedden stets in seiner Umgebung, die er messerscharf wahrnimmt und seine Gedanken dann geistreich, hintersinnig und mit viel Wortwitz formuliert. Die blitzgescheiten Betrachtungen sind eine schmackhafte Lesekost zum Nachdenken und Schmunzeln serviert als 135 Häppchen. Hier noch eine kurze Kostprobe:

Zu dem Überfluss an genialen Bemerkungen anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft muss auch ich – immerhin Torhüter des Norddeutschen Fußballmeisters der B-Jugend 1976 – etwas besteuern. Punkt eins: Eine WM, bei der die Schiedsrichter einen Sahnesprüher oder eine Rasierschaumdose an der Hüfte zu tragen haben, kann nicht „unsere“ WM sein.

Titelbild

Dietrich zur Nedden: Nach wie vor inzwischen. 135 Geschichten.
Wehrhahn Verlag, Hannover 2017.
176 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-13: 9783865255501

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