Tote Bienen, eine Wasserleiche und gefährlicher Giftmüll in der venezianischen Lagune

Die amerikanische Starautorin Donna Leon schickt ihren Kult-Commissario Brunetti auf seine 26. kriminalistische Mission

Von Barbara TumfartRSS-Newsfeed neuer Artikel von Barbara Tumfart

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Pünktlich wie jedes Jahr darf sich die Leserfangemeinde der amerikanischen Krimiautorin Donna Leon über einen neuen Brunetti-Roman freuen. Seit mittlerweile 25 Jahren ermittelt der venezianische Commissario Guido Brunetti in den verbrecherischen Untiefen Venedigs. Im nun bereits 26. Fall spielt das Hauptgeschehen allerdings nicht in der weltberühmten Lagunenstadt selbst, sondern auf einer kleineren, Venedig vorgelagerten Insel.

Die Juli-Hitze hält Venedig fest im Griff und macht die Menschen angriffslustig. So geschieht es, dass bei einem Verhör eines arroganten, einflussreichen Anwalts, der bezichtigt wird, einer jungen Bekannten Drogen untergejubelt zu haben, Brunettis junger Kollege Pucetti dem Anwalt gegenüber beinahe handgreiflich wird. Brunetti greift, um eine dienstrechtliche Katastrophe zu vermeiden, zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: Er simuliert einen Herzanfall und wird ins Krankenhaus gebracht. Dort wird ihm und der zuständigen Ärztin allerdings rasch klar, dass der Commissario tatsächlich dringend eine berufliche Auszeit braucht, um nicht gröbere gesundheitliche Probleme zu bekommen. Glücklicherweise stammt Paola, Brunettis Ehefrau, aus sehr betuchten Verhältnissen und ihre Eltern stellen dem ruhebedürftigen Brunetti ihr leerstehendes Anwesen auf Sant’Erasmo, einer kleinen Insel in der Lagune von Venedig zur Verfügung. Versorgt wird der Komissar a.D. dort vom Hausverwalter Davide Casati und dessen Tochter. Brunetti schließt rasch Freundschaft mit dem wortkargen, aber integer wirkenden Davide, in dem er auch den ehemaligen Ruderkameraden seines verstorbenen Vaters wiedererkennt. So verbringt Brunetti eine ruhige und beschauliche Zeit mit intensiver Klassikerlektüre, gelegentlichen Barbesuchen und fast täglichen Ruderausflügen mit Davide, der ihn zu seinen Bienenstöcken mitten in der Lagunenlandschaft führt. Allerdings scheint die Idylle getrübt, denn die Bienen sterben seit geraumer Zeit; Casati nimmt Bodenproben, während er Brunetti gegenüber kryptische Andeutungen über mögliche kriminelle Vorgänge in der Lagune macht. Und dann verschwindet Davide plötzlich eines Tages. Brunetti macht sich auf die Suche: Mit Unterstützung der Wasserpolizei finden sie Casatis Boot und seine Leiche in der Lagune, nicht unweit vom Friedhof. Obwohl vieles auf einen tragischen Selbstmord hindeutet, beginnt Brunetti mit der tatkräftigen Unterstützung seines Kollegen Vianello zu ermitteln. Allmählich kommen sie einem Umweltskandal auf die Spur, in die Davide und zwei seiner ehemaligen Arbeitskollegen als Mitarbeiter einer Spedition für den Transport von Industrieabfällen verwickelt waren. Ihre Befragungen und Ermittlungen schreiten in der üblichen Donna Leon-Manier eher gemächlich, stellenweise fast schleppend dahin. Entschädigt wird man für die fehlende Spannung allerdings durch die sehr authentisch wirkende Beschreibung der Lagunenfauna und Flora, die tiefenpsychologische Analyse der an der Geschichte beteiligten Charaktere und den einen oder anderen zu erwartenden Einblick in Brunettis Seelen- und Privatleben.

Stille Wasser ist somit einmal mehr ein typischer Donna Leon-Krimi: Atmosphärisch dicht gewebt vermittelt die Autorin eine Botschaft. Im vorliegenden Fall wird heftige Kritik sowohl an früheren als auch an aktuellen Umweltsünden in der Region Venedig geübt. Zum Einsatz hierfür kommen der Leserschaft altbekannte sympathische Ermittlerfiguren, die vor einem faszinierenden Hintergrund still, aber unaufhörlich einen korrekten Job erfüllen. In Summe ein lesenswerter Kriminalroman, der zwar erwartungsgemäß nicht durch klirrende Thriller-Spannung den Blutdruck in die Höhe treibt, allerdings einmal mehr in gewohnt routinierter Manier kultivierte und lesenswerte Unterhaltung bereithält.

Titelbild

Donna Leon: Stille Wasser. Commissario Brunettis sechsundzwanzigster Fall.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz.
Diogenes Verlag, Zürich 2017.
343 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783257069884

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