Licht und Schatten

Laurie Pennys „Bitch Doktrin“ hält zum Glück nicht, was der Titel verspricht, sondern bietet eine Zusammenstellung ihrer jüngsten Essays

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bitch Doktrin, das erinnert an die Zeiten, in denen Riot Grrrls das amerikanische College-Städtchen Olympia aufmischten, Bands wie Bikini Kill oder 7 Year Bitch Furore machten, Andi Zeisler als Antwort auf die musikalische Popkultur die erste Ausgabe des Zines Bitch herausgab und sich alle zusammen solche frauenfeindlichen Ausdrücke wie Bitch, Slut und dergleichen aneigneten. Das ist mittlerweile ein Vierteljahrhundert her. Bitch Doktrin aber ist der Titel des neuesten Buches von Penny Laurie. Die Riot Grrrls der ersten Stunde werden vielleicht nur müde lächeln, wenn jüngere Frauen immer noch glauben, die Selbstcharakterisierung als „Bitch“ wäre rebellisch oder bewirke irgendetwas. Heutzutage doch nicht mehr, wo die auf junge Mädchen zielenden Werbeindustrien den Rebellinnen den Begriff längst wieder entwunden haben, und zudem nicht nur die üblichen misogynen Rapper, sondern auch Rapperinnen wie Lady Ray Bitch mit frauenfeindlichen Songzeilen reüssieren wollen. Und als Doktrin hätten Feministinnen wie Zeisler oder Kathleen Hanna ihre Manifeste schon gleich gar nicht bezeichnet.

Wie also kommt Penny zu diesem Titel? „Bitch Doktrin habe ich dieses Buch genannt“, erklärt sie im Vorwort, „weil ich mir jedes Mal, wenn ich meines Erachtens völlig logische und vernünftige Argumente für soziale Veränderungen formuliere, das Schimpfwort ‚Bitch‘ (Schlampe, Miststück) oder Schlimmeres anhören muss“. Penny greift also auf das alte Rezepte der Aneignung zurück, die in diesem Fall der Versuch einer Wiederaneignung ist, und übertreibt dabei ein bisschen, wie sie überhaupt zu kategorischen Urteilen beziehungsweise Allaussagen neigt. Natürlich nicht immer zu Recht. So hat sich die Bloggerin die besagte Beschimpfung vermutlich nicht wirklich jedes Mal anhören müssen. Und sicher nicht von allen, sondern ‚nur‘ von Minderheiten wie maskulinistischen Trolls, die sich gerne als Mehrheiten aufspielen. Aber das ist gewiss auch schon schlimm genug. Als Mann kann man sich gar nicht vorstellen, wie viele irre Geschlechtsgenossen Frauen, Feministinnen zumal, auf die widerwärtigste Weise mit misogynen Beschimpfungen und sexuellen Androhungen überziehen – und schon gar nicht, wie es sein muss, dem ausgesetzt zu sein. Auch dann nicht, wenn mann schon tausendmal darüber gelesen hat.

Was nun aber den Titel der Essay-Sammlung (denn um eine solche handelt es sich bei dem Buch) betrifft, so ist damit noch nicht erklärt, warum Penny sie als Doktrin ausgibt, mithin also als programmatisches Dogma, das absolute Geltung beansprucht. Aufgeklärt wird das von der Autorin nicht, vielmehr stellt sie nur noch fest, dass der Titel „natürlich eine Provokation“ sei. Anders sei das auch gar nicht möglich, denn, behauptet sie in einer weiteren ihrer übertreibenden Allaussagen, „alles, was egal welche Frau über Politik schreibt, kommt als Provokation an“. So preist denn auch schon der Klappentext das Buch als „klug und provokant, witzig und kompromisslos“. Das ist es auch – dann und wann. Manchmal bietet es aber auch nur steile Thesen voller heißer Luft: „Als Spezies sind wir immer noch nicht zu dem Schluss gelangt, dass Frauen empfindungsfähig sind“. Steil ist die These schon alleine deshalb, weil immerhin gut die Hälfte der Spezies selbst weiblichen Geschlechts ist.

Während der Untertitel der deutschen Ausgabe die übergreifenden Themen der Essay-Sammlung „Gender, Macht & Sehnsucht“ benennt, bricht derjenige der englischen Ausgabe „Essays for Dissenting Adults“ die Charakterisierung als Doktrin ironisch und verweist auf die Zielgruppe der nonkonformistischen Erwachsenen.

Wenn sich die Autorin allerdings zu Beginn des Buches mit den Worten „ihr werdet erwachsen“ an ihre LeserInnen wendet, scheint sie sich damit doch eher an Jugendliche und Heranwachsende zu richten. Der angenommenen Sprache des intendierten Publikums sind Ausdrucksweise und Stil der Essays der selbst in ihren Dreißigern stehenden Autorin denn auch gelegentlich nachempfunden.

Schreiben aber kann Penny zweifellos. In ihren besten Momenten fühlt man sich sogar an die großartige Hedwig Dohm erinnert. Jedenfalls dann, wenn sich Penny nicht zu sehr von ihrer bissigen Wortgewalt mitreißen lässt und die überbordende Polemik den oft richtigen Kern ihrer Argumentation erstickt. Denn anders als bei Dohm steht bei ihr die Schärfe des Ausdrucks nicht immer im Dienst des Arguments. Manchmal verbirgt sich bei Penny hinter einer gut klingenden Metapher lediglich ein dürftiger Inhalt: „Der Motor des kapitalistischen Patriarchats wird mit dem schmutzigen Treibstoff weiblicher Scham betrieben“.

An dieser Stelle ist eine Bemerkung zu Anne Emmerts Übertragung aus dem Englischen angebracht, die oft allzu wörtlich erfolgt zu sein scheint, was gelegentlich befremdlich und hölzern wirkt. So etwa, wenn sie übersetzt: „Wir haben uns nach Kräften bemüht, Mitgefühl zu zeigen für den vermeintlichen Verlust von Privilegien, der fälschlicherweise als Vorurteil empfunden wird.“ Der nicht immer sinnvolle und konsequente Einsatz des Gender-Asterisk dürfte ebenfalls der Übersetzung anzulasten sein. Dass „neue Chauvinisten überwiegend Männer“ sind, ist in einem Text, der mit dem Gender-Asterisk arbeitet, nicht nur eine Tautologie, sondern in diesem Fall sogar einmal eine Untertreibung. Und wenn Penny klagt, sie sehe keine der „selbsternannten Frauenbeschützer ehrenamtlich in Frauenhäusern arbeiten“, so wäre das in Deutschland auch gar nicht möglich. Jedenfalls insofern hier nicht das generische Maskulinum benutzt wird. Da aber der Gender-Asterisk nur meistens, nicht aber immer zum Einsatz kommt, wenn alle Geschlechter gemeint sind, weiß man es eben nicht.

Der Zusammenstellung der Essays – es handelt sich um „Auszüge von Artikeln und Blogs“ – wiederum ist anzulasten, dass sie sich nicht zu einem stimmigen, schlüssigen Ganzen fügen und natürlich schon gar nicht zu einer Doktrin, was allerdings durchaus kein Manko ist. Die Disparität der Zusammenstellung wird sich mehr oder weniger zwangsläufig in dieser Besprechung widerspiegeln, denn Penny hat tausend Themen in ihr Buch gepackt, manche von ihnen sehr persönlich. Auch zögert sie nicht mit Kritik an einem ihrer eigenen früheren Texte, falls sie diese für berechtigt hält. Das ehrt sie. Überhaupt tritt die Autorin insgesamt sehr sympathisch auf.

Bei all dem kommen „Frauenpolitik und Genderpolitik“ in ihren Texten „immer an erster Stelle“, da „alles andere nicht nur verfehlt, sondern auch völlig witzlos wäre“. Dabei versteht sie den von ihr vertretenen Feminismus nicht als „Identität“, sondern als „Bewegung“ und Lebensweise, der es „nicht nur um Frauen“ geht, „sondern darum, alle Menschen von der Gender-Repression zu befreien“. Dass sie trotz des übergeschlechtlichen Anspruchs von Feminismus spricht, begründet sie ganz ähnlich wie Chimamanda Ngozi Adichie damit, dass „Frauen von den modernen Gender-Normen und -Gesetzen besonders unterdrückt werden“ und „die Triebkraft der Bewegung immer die Frauenpolitik war“. Ziel dieses Feminismus ist „eine freundlichere Welt“, wie es an einer Stelle einmal recht unbestimmt heißt.

Obgleich sie Feminismus nicht als Identität bestimmt, erklärt Penny – wiederum mit einer der für sie typischen Allaussagen –, „jede Politik“ zur Identitätspolitik. Problematisch sei das aber nur bei „Rechten“, „die die Fahne des weißen Nationalismus und der chauvinistischen Gewalt schwenken“.

Nicht weniger fragwürdig als die Behauptung, alle Politik sei Identitätspolitik, ist das Erkenntnisprivileg, das Unterdrückte Penny zufolge gegenüber der „Unterdrückerklasse“ besitzen, wobei sie letztere sogleich mit Personen assoziiert, die „weiß, hetero, cis, gebildet, wohlhabend und möglichst männlich“ sind. Penny begründet das Erkenntnisprivileg damit, dass „in den Theorien und Schriften unterdrückter Menschen die Grundannahmen der Unterdrückerklasse bereits enthalten“ seien. Ihre Überlegung berücksichtigen neben manch anderem wie mangelnden Bildungschancen und dem wohlgehüteten Herrschaftswissen allerdings nicht, dass die meisten derjenigen, die sie mit der allzu vagen Kategorie „Unterdrückte“ zu fassen sucht, aufgrund ihrer Lebensgeschichte und -umstände kaum die Möglichkeit haben, Theorien überhaupt auch nur zu entwickeln und Schriften zu verfassen.

Wenn die Autorin an anderer Stelle den „falschen Gegensatz“ zwischen den „angeblich verfeindeten Lagern des ‚sex-positiven‘ und des ‚sex-negativen‘ Feminismus“ beklagt, wiederum unterschlägt sie, dass es sich bei ersterem um eine Selbstbezeichnung, bei letzterem um die denunziatorische Fremdzuschreibung durch eben jene Ersteren handelt. Pennys Selbstcharakterisierung als „weder sex-positiv noch sex-negativ“, sondern als „sex-kritisch“ klingt allerdings gar nicht so schlecht.

Penny hat die mehrere Dutzend Essays des Bandes grob in acht Abschnitte unterteilt, deren erster eine Art Tagebuch aus den Tagen und Wochen vor und nach der Wahl Donald Trumps enthält. Es ist zwar nun eine alte Weisheit aus der Post-Hippie-Ära, dass die beste Droge ein klarer Kopf ist, Penny aber meint in diesem Tagebuch, „das Selbstbewusstsein eines mittelmäßigen weißen Mannes“ sei die „stärkste Droge“. Das ist natürlich auf Trump gemünzt, den sie wahlweise als „jammernde Personifizierung der weißen nationalistischen Triebe“ oder „gelackt lügendes Bündel aus Persönlichkeitsstörungen“ charakterisiert, was ja beides nicht falsch sein muss. Und auf einem ziemlich merkwürdigen Trip ist er ja schließlich auch.

Dem Tagebuch folgen als weitere Abschnitte „Liebe und andere Pflichten“, „Kultur“, „Gender“, „Handlungsmacht“, „Rückschlag“, „Gewalt“ und „Zukunft“. In ihnen bietet Penny etwa eine originelle Lesart der Romane Jane Austens, die „gar keine Liebesgeschichten“, sondern „Horrorgeschichten“ seien, oder verteidigt prominente Feministinnen wie Emma Watson gegen „Hexenverbrennungen“ durch weniger prominente Gesinnungsgenossinnen auch dann, wenn sie wie bekanntlich alle mal etwas „vermasseln“. Tatsächlich ist das Sister-Bashing ein altbekanntes Problem der Frauenbewegung, das schon in den 1970er Jahren beklagt wurde, indem die berühmte Parole „Schwesternschaft ist mächtig“ von der lesbischen Aktivistin Ti-Grace Atkinson um den Zusatz „Sie tötet. Vor allem Schwestern“ ergänzt wurde. Zu den Opfern dieser Macht zählte damals beispielsweise Shulamith Firestone.

Auch werden in den Essays einige herausragende Frauen der Zeitgeschichte vorgestellt und gewürdigt wie etwa die kämpferische Suffragette Emily Davison, die 1913 ihr Leben für das Frauenwahlrecht ließ, oder die wagemutige Nellie Bly, die sich als Undercover-Journalistin in ein – wie es damals hieß – Irrenhaus wagte oder Jules Vernes Reise in achtzig Tagen um die Welt unternahm.

Penny erinnert darüber hinaus daran, dass die große Feministin Susan B. Anthony und andere „Frauen der letzten Jahrhunderte […] aus eigenem Entschluss ohne Partner blieben, damit sie Kunst und Geschichte machen konnten, ohne das ständig ein Mann um sie herumlungerte und ein warmes Abendessen oder ein Lächeln von ihnen erwartete“. Anders als etwa der flanierende Sokrates, dem Diogenes Laertius in seiner Schrift Leben und Meinungen berühmter Philosophen die bekannte Sentenz „heirate oder heirate nicht, du wirst beides bereuen“ in den Mund legte, empfiehlt Penny ihren Geschlechtsgenossinnen, es sei für sie „in der Regel besser, allein zu sein“, und nennt dafür einige „praktische“ und „ideologische“ Gründe wie etwa „die tägliche Schinderei, andere Leute glücklich zu machen“. Sicher wäre auch Xantippe ohne Sokrates glücklicher gewesen, der sich lieber daran ergötzte, sich auf dem Marktplatz herumzutreiben und junge Männer in Gespräche zu verwickeln als seinem vom Vater erlernten Handwerk als Steinmetz nachzugehen. So dürfte auch in Xanthippes Eheleben die ganze Arbeit am weiblichen Part hängengeblieben sein und sich die Work-Life-Balance als die „monumentale Lüge“ erwiesen haben, als die Penny sie für in Partnerschaft lebende oder gar verheiratete Frauen entlarvt. Statt sich zu binden, lieber alleine zu bleiben – was ja nicht unbedingt heißen muss, der Lust nicht zu frönen –, dürfte also zumindest für heterosexuelle Frauen die bessere Wahl sein.

Penny jedenfalls propagiert weder die Zweisamkeit noch die Einsamkeit, sondern die Poliamorie, wobei sie gerne einräumt, dass „am Herumvögeln gar nichts neu“ ist. Neu sei allerdings, „dass wir wie Erwachsene darüber reden“. Tatsächlich ist aber nicht einmal das neu. So propagierte der sich als Matriarchatsverfechter gebende misogyne Anarchist Otto Gross die Poliamorie um 1900 zwar mit kruden, wenn nicht verlogenen, aber keineswegs kindischen Theorien. Ebenso wenig diskutierten Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre Mitte des 20. Jahrhunderts wie die Kinder über ihr offenes Sexualleben. Und das von Penny vorgebrachte Argument, „die Erwartung, dass eine einzige Person in der Lage sein soll“, all die verschiedenen Bedürfnisse einer anderen wie etwa „Liebe, Gesellschaft, Fürsorge, Intimität, sexuelles Abenteuer, Selbstentfaltung“ zu befriedigen, sei „nicht nur unrealistisch, sondern unvernünftig“, ist nun zwar völlig richtig, war aber Anfang der 1970er Jahre bereits an jedem Küchentisch der zunehmend zahlreicher werdenden Kommunen und Wohngemeinschaften zu hören. Manchmal redet Penny daher, als hätte die Welt vor ihrer Generation nicht existiert.

Ähnlich verhält es sich mit ihrer Argumentation für das Recht auf Abtreibung, für das sie sich wie alle gestandenen FeministInnen dezidiert stark macht. Auch hier ist ihr ohne Abstriche beizustimmen. Aber wiederum ist nicht jedes ihrer Argumente neu. Ihre Spekulationen darüber, wie das Abtreibungsrecht wohl aussehen würde, „wenn Männer schwanger werden könnten“, machte ebenfalls schon in den 1970er Jahren etwa in Form des Florynce Kennedy zugeschriebenen Spruchs „Wenn Männer schwanger würden, wäre Abtreibung ein Sakrament“ die Runde. Nicht immer originell zu sein, ist aber keineswegs notwendigerweise ein Mangel. Oft müssen eben auch alte Erkenntnisse stets wiederholt werden. Und zwar so lange, bis sich die Verhältnisse ändern.

So macht es auch gar nichts, dass Penny auf wohlbekannte Argumente für die Quote zurückgreift, die „die einzige Methode“ sei, „die Gleichberechtigung nachweislich zu beschleunigen“. Nun ist die Quote zwar sicher nicht das einzige, aber doch ein wichtiges und erfolgreiches Mittel, um den Gender-Gap im Arbeitsleben und auf der Karriereleiter zu schließen. Dass Penny in diesem Zusammenhang aber eine „echte Leistungsgesellschaft“ als „ideale Welt“ preist, würde vermutlich sogar den so gern gescholtenen Neoliberalen zu weit gehen.

Ist Penny auch nicht immer notwendig originell, so kann ihre Originalität doch sehr erhellend sein. Nicht nur sehr originell, sondern zudem ein echter Augenöffner ist beispielsweise ihre Überlegung zu Leihmutterschaft:

Reiche Frauen bezahlen arme Frauen, damit diese ihnen Schwangerschaft und Geburt abnehmen. Die entsetzte Reaktionen darauf täuschen darüber hinweg, dass Männer dasselbe tun: Sie sorgen dafür, dass Frauen Kinder für sie austragen, gebären und sogar erziehen, damit sie ungestört Karriere machen können.

Gegen die Lüge von der allgegenwärtigen Vergewaltigungslüge wiederum bietet sie neben einigen treffenden Argumenten auch einen originellen statistischen Vergleich: „Eher fällt ein Mann selbst einer Vergewaltigung zum Opfer, als fälschlicherweise beschuldigt zu werden.“ Ausführlich und ebenfalls überzeugend argumentiert sie gegen die selbst bei Frauen immer wieder anzutreffende enge Definition dessen, was eine Vergewaltigung ist, und bekräftigt schließlich: „Nein heißt Nein, egal wer du bist, egal, welchen Job du hast. Egal ob er dein Partner ist. Egal, wie oft du vorher schon ja gesagt hast.“ Schlimm genug, dass auch das immer noch betont werden muss.

So vehement wie Penny die Vergewaltigungskultur angreift, verteidigt sie Triggerwarnungen. Eigentlich handele es sich bei einer Triggerwarnung um nichts weiter als „eine einfache Empathiechiffre, die Diskussionen über Tabuthemen in geschützten Räumen erleichtern soll“,  einen „höflichen Appell zu mehr, nicht zu weniger Offenheit, zu mehr, nicht weniger Wahrheit“. Kurz, sie seien „das Gegenteil von Zensur“. Dass ihre Bücher mit Triggerwarnungen erscheinen, würde sie aber auch nicht wollen, bekennt sie. Sollten sie jedoch an Universitäten diskutiert werden, hätte sie nichts dagegen einzuwenden, „wenn die Dozenten ihre Studierenden vor schwierigen Passagen warnten“. Immerhin räumt sie auch ein, „dass Leute Triggerwarnungen einfordern, um andere zum Schweigen zu bringen“. Doch geschehe das „viel seltener als behauptet“ und bleibe „meist erfolglos“. Vielmehr werde der Begriff „Triggerwarnung“ „dafür missbraucht, der Linken einen Hang zur Zensur zu unterstellen“. Als sei diese ‚Unterstellung‘ so abwegig. Erinnert sei hier nur daran, wie es in all jenen Ländern um die Freiheit stand, in denen Linke, gemeint ist hier nicht die sozialdemokratische Variante, an der Macht waren. Einige Länder bieten bekanntlich auch heute noch erschreckendes Anschauungsmaterial.

Die bekennende Linke Penny ist ebenfalls nicht frei von diesem Hang zur Zensur, ohne dass sie sich das allerdings selbst eingesteht. Sie definiert Meinungsfreiheit kurz, bündig und zutreffend als „das Recht aller Menschen, ihre Meinung zu äußern, ohne Gewalt, Einschüchterung oder Inhaftierung fürchten zu müssen“. Somit „eröffnet“ das Recht auf Meinungsfreiheit „die Möglichkeit, dass diese Ideen Wirkung entfalten“. Diese Meinungsfreiheit sei in der Krise, klagt Penny, und moniert, dass „Leute, die mit großem Nachdruck die Meinungsfreiheit mächtiger weißer Männer und rückständiger Wissenschaftler verteidigen“, schweigen, „wenn Frauen, die im Internet ihre Meinung kund tun, schikaniert, bedroht und beleidigt“ werden. Zugleich aber merkt sie an, dass diejenigen, die die Meinungsfreiheit „missbrauchen, um andere zu schikanieren und zu verletzen, damit rechnen sollten, zur Verantwortung gezogen zu werden“. Das ist natürlich völlig in Ordnung, solange dies im Rahmen der Gesetze geschieht. Ganz und gar nicht in Ordnung ist hingegen, wenn Penny weiter erklärt, Meinungsfreiheit heiße nicht, dass „wir“ eine „Person des öffentlichen Lebens“, die „transsexuelle Frauen als widerlich bezeichnet hat“, „Vorträge halten lassen“. Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht mehr als bedenklich. Denn ein Mensch, der irgendwann einmal etwas „widerliches“ gesagt hat, sollte dieser Auffassung zufolge sein Rederecht schlechthin verwirkt haben. Wer ist außerdem dieses ominöse „Wir“, das darüber befindet, wer was wann sagen darf, und was bedeutet „widerlich“ überhaupt? Sicher finden Trump-AnhängerInnen etliche Äußerungen Pennys ebenso widerlich wie sie deren. Haben also alle das Recht die ‚widerlichen‘ Meinungen aller anderen zu unterbinden und ihnen nach Kräften künftig jede öffentliche Rede unmöglich zu machen? Herrscht somit das Faustrecht der Meinungsfreiheit? Fragen über Fragen. Der einzige, zugegebenermaßen nicht geringe Unterschied zwischen den Meinungszensoren verschiedener Couleur scheint zu sein, dass sich nur eine Seite, die der TrumpistInnen und maskulinistischer Internettrolle sexueller Angriffe bedient, um Meinungsäußerungen zu unterbinden.

Penny greift in ihrer Argumentation darüber hinaus zu einem Taschenspielertrick, wenn sie erklärt: „Meinungsfreiheit heißt nicht, dass die Mächtigen ununterbrochen reden dürfen und die weniger Mächtigen ihnen zuhören müssen“. Denn niemand zwingt irgendjemanden, einem anderen zuhören zu müssen. Radios und Fernsehgeräte kann man ausschalten. Auf Vorträge und Veranstaltungen muss man nicht gehen. Im Internet kann man sich jederzeit selbst zu Wort melden. Dass das eine oft wirkungsmächtiger ist als das andere, ist dabei unbestritten. Penny aber behauptet, „besonders bösartiger Angriffe Linksliberaler gegen den neuen Radikalismus zufolge sollen sich Studierende und junge Leute gefälligst nicht über Ansichten eines bestimmten Redners, einer Pädagogin oder einer Person öffentlich beschweren. Die Jugend habe zuzuhören, nicht zu widersprechen und ganz gewiss nicht zu demonstrieren.“ Mit den neuen Radikalen meint sie – mit wie viel Recht auch immer –  offensichtlich sich selbst und ihre GesinnungsgenossInnen. Aber welche Linksliberalen verlangen so etwas? Penny nennt keine Namen. Stattdessen weist sie offenbar billigend darauf hin, dass sich in Großbritannien und in den USA Studierende „organisieren“, um „gezielt die Reden transphober und ethnisch unsensibler Redner*innen“ zu unterbrechen. So viel zu Pennys Verständnis von Meinungsfreiheit.

Wie Penny in einem anderen Text ausführt, gilt es, „gleichzeitig für Geschlechtergerechtigkeit und gegen Transphobie zu kämpfen“. Transphobie bekämpfen zu wollen ist allerdings Unsinn, denn man kann sie allenfalls therapieren. Bekämpft werden kann und sollte vielmehr Transfeindlichkeit. Der von Penny ausgerufene Kampf gegen Transphobie, so die Autorin weiter, müsse sich „traurig aber wahr“ auch gegen „Feministinnen“ (also nur gegen die weiblichen?) richten. „Transphobe Feministinnen“ behaupten ihr zufolge nämlich: „wenn sie nicht aufpassten, würden sich grässliche sexistische Männer als Frauen getarnt in ihre Konferenzen, Demonstrationen und Seminare schleichen“. Abgesehen davon, dass offene Scheinheiligkeit ein Widerspruch in sich selbst ist, kommen gerade solche oder zumindest ganz ähnliche Vorwürfe in jüngster Zeit insbesondere aus der LSBTTIQ*-Gemeinde selbst, wie sich unter anderem in dem von Patsy L’Amour laLove herausgegebenen Sammelband Beissreflexe nachlesen lässt. Die radikalfeministische Kritik an der Genderidentitätspolitik des transsexuellen Aktivismus ist hingegen wesentlich grundlegender. Und bekanntlich können nicht nur FeministInnen transfeindlich, sondern Schwule, Inter- und Transsexuelle ihrerseits reaktionär und frauenfeindlich sein. Generationen von Frauen haben entsprechende Erfahrungen machen müssen. Nachdem Penny ausführlich und einseitig gegen FeministInnen ausgeteilt hat, tritt sie dafür ein, dass „Transaktivist*innen und Feministinnen natürliche Verbündete sein sollten“.

Eine weitere hier anzubringende Kritik betrifft Pennys Haltung zur Prostitution. Zwar ist sie im Unterschied zu etlichen anderen Netzfeministinnen ihrer Generation grundsätzlich für die Abschaffung der, wie sie es nennt, „Sexarbeit“, „allerdings nur insoweit“, als sie „für die Abschaffung von Arbeit insgesamt“ ist. Vorsichtshalber definiert sie dabei, was sie unter Arbeit versteht, nämlich die „wirtschaftliche und moralische Verpflichtung, seine Arbeitskraft zu verkaufen um zu überleben“. Nun, eine Verpflichtung dazu gibt es eigentlich nicht und schon gar keine moralische, sondern ‚nur‘ eine Notwendigkeit, und die ist ausschließlich wirtschaftlicher Art

Das Problem an der Prostitution, so Penny, sei „nicht der Sex, sondern die Arbeit“. Eben weil er dies verdeutliche, sei der Begriff „Sexarbeit“ so „notwendig“. Dass Prostituierte allerlei widerwärtige und erniedrigende Verrichtungen über sich ergehen lassen und dabei so tun müssen, als hätten sie Spaß an der Sache, wischt sie mit der Bemerkung vom Tisch, dass alle so tun müssten „als wünschten sie nichts anderes, als Müll zu sammeln oder müden Angestellten einen Café Latte einzuschenken“. Denn es sei nicht einfach damit getan, „seine Arbeit zu machen: Wir alle haben der Arbeitsgesellschaft jeden Tag unsere existenzielle Unterwürfigkeit zu beweisen.“ So billig nivelliert Penny alle gravierenden Unterschiede der Art und Weise, wie jemand seinen Lebensunterhalt sichert, zu einem allgemeinen, übelschmeckenden Einheitsbrei. Wahr ist das darum noch lange nicht. Denn dass es einen Unterschied machen könnte, ob jemand andere Leute auf den elektrischen Stuhl setzt, als Söldner oder Fremdenlegionär unterwegs ist, Klos putzt, sich anal penetrieren lassen muss, während drei andere ihm ins Gesicht pinkeln, in Forschung und Wissenschaft bahnbrechende Entdeckungen macht, in einer Profiliga kickt, sein Geld damit verdient, dass er musiziert, malt oder wie Penny seine Ansichten unter die Leute bringt, kommt bei dieser Argumentation gar nicht erst in ihren Blick. Es ist halt alles Arbeit und somit gleichermaßen abscheulich.

Auch beweist es gar nichts, wenn „die meisten Sexarbeiter*innen“, mit denen Penny gesprochen hat, „nur ihren Lebensunterhalt verdienen“ wollen, „ohne vom Staat drangsaliert zu werden“, ganz so, als gebe es keine Menschhändler, Zuhälter und Bordellbetreiber, die Prostituierte ‚drangsalieren‘. Es beweist darum nichts, weil Menschen bekanntermaßen dazu neigen, sich in ihrer Not einzurichten, um sie ertragen zu können, oder sie sich gar schön reden. Vielleicht hat Penny aber auch einfach nicht mit den richtigen Frauen geredet. Hätte sie etwa Rachel Moran, Sandra Norak oder Huschke Mau gefragt, hätte sie sicher andere Auskünfte erhalten.

Vor allen Dingen aber blendet Penny die verheerende Funktion und Wirkung von Prostitution in einer sexistischen Gesellschaft aus und verliert kein Wort darüber, dass Prostitution der schärfste Ausdruck des Patriarchats ist und nicht nur die Prostituierten betrifft, sondern alle Frauen, da sie sowohl deren Selbstbild als auch das Frauenbild der Männer beeinflusst. Auch verschleiert Pennys konsequente Verwendung des sternchenbewehrten Ausdrucks „Sexarbeiter*innen“ die geschlechterspezifischen Machtverhältnisse in der Prostitution.

Penny möchte Prostitution zwar, wie gesagt, abschaffen, aber erst, wenn alle Arbeit abgeschafft wird. Also wohl am Sankt-Nimmerleins-Tag. Bis dahin gelte es „innerhalb der Branche für bessere Arbeiter*innen-Rechte zu kämpfen“. Auch „sollte Sexarbeit legalisiert werden, um den Erkenntnisprozess zu erleichtern, in dem klar wird, wie schädlich die Arbeitsgesellschaft tatsächlich ist“. All das, was Prostituierten bis dahin zugemutet wird, fällt dann wohl in die Kategorie Kollateralschäden im Kampf um die Abschaffung der Arbeit?

Ebenfalls zu kritisieren ist Pennys Verschleierung der für islamisch geprägte Gesellschaften spezifischen Sexismen und Frauenfeindlichkeiten, die in aller Regel weit übler sind als die hierzulande gängigen, die bekanntlich schon schlimm genug sind, wobei eine der grässlichsten geschlechterspezifischen Menschenrechtsverletzungen, die Prostitution, in beiden Kulturen weit verbreitet ist. Penny erklärt jedenfalls zunächst zwar völlig zu Recht, dass Frauenfeindlichkeit ein „strukturelles, kulturelles Problem“ ist, „das in jedem Land existiert“, und betont, dass die Feststellung „Sexismus gehört auch zur westlichen Kultur“, keineswegs heißt, „dass Frauen im Westen genau dieselben Erfahrungen machen wie Frauen in den Diktaturen und Kriegsgebieten des Nahen Ostens“. Wie sie implizit folgert, hat das aber nicht etwa etwas mit den kulturellen Prägungen von Gesellschaften zu tun, die sich analysieren ließen, sondern ist schlicht so, „weil sich die Welt nicht aufteilt in ‚Dinge, die genau gleich sind‘ und ‚Dinge, die genau gegensätzlich sind‘“. Als hätte jemals jemand eine solche Opposition behauptet. Damit hat Penny jedenfalls den Weg zu einer genaueren Untersuchung, warum was wie ist, zwar noch nicht verstellt, aber doch schon einmal vernebelt. Statt nun genauer hinzuschauen, mischt Penny noch einige weitere Faktoren mit dem Hinweis unter, dass sich „Sexismus und Frauenfeindlichkeit in verschiedenen Kulturen und Religionen, in verschiedenen Ethnien, sozialen Schichten und auch Generationen“ unterscheiden. Das ist zwar alles richtig und die Reihe ließe sich vermutlich endlos verlängern, allerdings gerät so immer weiter aus dem Blick, die unterschiedlichen Formen in verschiedenen Kulturen konkret zu benennen und zu beleuchten. Penny allerdings vermeidet es, ihren Blick auf diese Unterschiede zu richten und ebnet sie somit letztlich ein.

Natürlich kann man ihre Forderung, „es wäre phantastisch, wenn Vergewaltigung, sexuelle Übergriffe und strukturelle Frauenfeindlichkeit immer so ernst genommen würden wie dann, wenn Migranten und Muslime Täter sind“, nur unterstreichen. Doch obwohl sie betont, dass sexuelle Gewalt „niemals akzeptabel“ ist, „nicht aus kulturellen Gründen. Nicht aus religiösen Gründen. Nicht weil die Täter wütend und entrechtet sind“, erhebt sie umgekehrt ihre Stimme fast ausschließlich gegen den strukturellen Sexismus des Westens und den individuellen seiner angestammten Bewohner. Die einzige Ausnahme findet sich in einem Essay über die massenhaften, ganz überwiegend von Zuwanderern aus dem Nahen Osten und Nordafrika begangenen sexuellen Angriffe auf Frauen in Köln während der Silvesternacht 2015/16. Doch nutzt Penny die sexuellen Angriffe dieser Nacht obskurer Weise als Gelegenheit, zu behaupten, dass „Migranten sexuell nicht mehr oder weniger aggressiv sind als jede andere Bevölkerungsgruppe“. Abgesehen davon, dass sie sexuell vermutlich doch ein klein wenig aggressiver sind als etwa die Bevölkerungsgruppe der Rentnerinnen, stimmt das polizeilichen Kriminalstatistiken zufolge auch dann nicht, wenn man ihre Sexualdelikte mit denjenigen der Gesamtbevölkerung vergleicht. So folgt etwa aus der polizeilichen Kriminalstatistik für 2016 laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“, dass bei Vergewaltigung und anderen gravierenden Sexualdelikten fast 15 Prozent der Tatverdächtigen „Zuwanderer“ sind, was deren Anteil an der Gesamtbevölkerung übertrifft. Die Gruppe der Zuwanderer setzt sich aus Asylsuchenden, Asylberechtigten, Kontingentflüchtlingen, international oder national als schutzberechtigt geltenden Personen mit Duldungsstatus sowie Menschen, die sich unerlaubt im Land aufhalten, zusammen. Sie machen also nur einen Teil der in Deutschland dauerhaft lebenden Ausländer aus, wobei eingebürgerte Menschen mit Migrationshintergrund als Deutsche geführt werden. Es darf vermutet werden, dass noch gravierendere Unterschiede sichtbar würden, wenn man die heterogene Bevölkerungsgruppe der „Zuwanderer“ etwa nach Geschlecht, Alter oder Herkunft weiter aufschlüsseln würde.

Schließlich geht auch Pennys Klage fehl, niemand frage die „vielen vielen muslimischen, arabischen, asiatischen und eingewanderten Feministinnen, die gegen Sexismus und Frauenfeindlichkeit innerhalb und außerhalb ihrer eigenen Länder und Kulturen mobilmachen“, „wie man am besten mit systembedingter sexueller Gewalt umgeht“. Doch, sie werden gefragt. Zum Beispiel Ayaan Hirsi Ali, Necla Kelek, Waris Dirie und etliche andere.

Im letzten Abschnitt ihrer Essay-Sammlung wendet sich Penny unter dem Titel „Zukunft“ Utopien und Dystopien in der feministischen oder zumindest von Frauen verfassten Science-Fiction zu und erklärt erfreut, dass „wir in der Science Fiction eine Blüte der innovativen spannenden Geschichten von Frauen, Queeren und People of Colour erleben“. Tatsächlich ist diese Freude seit längerer Zeit, eigentlich seit einigen Jahrzehnten schon begründet. Denn neben Sheri S. Trepper, M. K. Jemisin, Ursula K. Le Guin, James Tiptree jr. und Octavia Butler, die Penny nennt, ließen sich etwa noch Carolyn Ives Gilman, Margaret Atwood, Monica Byrne, Alena Garedon, Ann Leckie, Tricia Sullivan, Nnedi Okorafor und natürlich Marge Piercy nennen. Die Reihe ließe sich nahezu beliebig fortsetzen. Es sei hier jedoch nur noch Sophie Behr hinzugefügt, um auch mal eine deutsche Autorin zu nennen.

Zwar seien auch Dystopien „noch lange nicht nutzlos“, doch bevorzugt Penny eindeutig Utopien, „denn ohne das Ziel im Kopf zu haben, findet keine Reise statt“. Das ist ein Trugschluss, da man sich, um im Bild zu bleiben, auf dem Weg in eine weniger sexistische Welt auch immer auf die nächsten zu erreichenden Stationen konzentrieren kann, ohne bereits ein konkretes Ziel im Auge zu haben oder auch nur zu wissen, wohin genau die Reise letztlich gehen soll. Wo bliebe in diesem Fall auch die Freiheit künftiger Generationen, die die Reise fortführen werden, die feministische Aktivistinnen bekanntlich schon lange vor unserer Zeit begonnen haben.

Auch dass „Utopische Ideen“ jenseits der Science-Fiction „heute vielleicht wichtiger denn je“ seien, „weil uns der Entwurf einer besseren Welt vielleicht nie unerreichbarer erschien“, mag nicht recht überzeugen, haben sämtliche utopischen Reparadisierungsversuche doch bislang geradewegs in höllische Zustände geführt. Warum dies künftig anders und der ihre davor gefeit sein soll, erklärt Penny nicht. Ja, sie formuliert nicht einmal eine Utopie, sondern fordert sie nur ein. Allerdings muss zugestanden werden, dass feministische Utopien seit den 1960er Jahren im Unterschied zu herkömmlichen Staatsutopien keinen idealen Endzustand beschreiben, sondern stets zwar bessere, aber keineswegs ideale, sondern vielmehr prekäre Gesellschaften wie etwa Marge Piercy in Woman AT The Edge Of Time und He, She, and It, Ursula K. LeGuin in The Dispossessed, Monique Wittig in Les Guérillès oder Sally Miller Gearhart in The Wanderground.

Welches Fazit ist nun bei einem Buch zu ziehen, in dem so viel Licht neben so viel Schatten zu finden ist. Eben dieses, dass es gute und schlechte Seiten hat, die viel Licht und viel Schatten bieten. Und dass Pennys Essays auch dann, wenn man nicht mit ihr d’accord gehen mag, gelegentlich für diesen oder jenen Denkanstoß gut sind.

Titelbild

Laurie Penny: Bitch Doktrin. Gender, Macht und Sehnsucht.
Übersetzt aus dem Englischen von Anne Emmert.
Edition Nautilus, Hamburg 2017.
312 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783960540564

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