Von Geisterschlachten und Friedensstiftern

Über zwei Reformationsdarstellungen, das Jahr 1517 und eine neu aufgelegte Schrift des Erasmus von Rotterdam

Von Stefan JägerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Jäger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Heinz Schilling beleuchtet das Jahr 1517

Seit einigen Jahren gibt es einen regelrechten „Trend zum erzählten Jahr“. Auf Florian Illiesʼ 2012 erschienenes Buch 1913. Der Sommer des Jahrhunderts, das innerhalb kürzester Zeit zum Bestseller wurde, folgten zahlreiche Titel, die in ähnlicher Weise ein mehr oder weniger geschichtsträchtiges Jahr zum großen Ereignis stilisierten, darunter beispielsweise Adam Zamoyskis 1812. Napoleons Feldzug in Russland (2012), Thierry Lentzʼ 1815. Der Wiener Kongress und die Neugründung Europas (2014) oder Gunnar Deckers 1965. Der kurze Sommer der DDR (2015) – es ließe sich mühelos ein Dutzend weiterer Bücher aufzählen. Dieser Trend hat nun mit Heinz Schillings 1517 auch das Reformationsjubiläum erreicht. Der emeritierte Professor für Europäische Geschichte der frühen Neuzeit an der Humboldt-Universität zu Berlin, dessen Lutherbiografie von 2012 schnell zum Standardwerk avancierte, hat sich zum Ziel gesetzt, die „Weltgeschichte eines Jahres“ zu schreiben, so der Untertitel. Schilling schildert nicht nur die sich formierende Reformationsbewegung und Martin Luthers Veröffentlichung der 95 Ablassthesen am 31. Oktober 1517, sondern bettet die Geschehnisse im bis dahin so beschaulichen Wittenberg in die globalen Ereignisse der Zeit ein. Er eröffnet damit einen deutlich breiteren Horizont und ermöglicht den Lesern einen neuen Zugang zum bereits unzählige Male beschriebenen „Epochenjahr“.

In Europa waren die Jahre um 1517 von besonderer politischer Brisanz, da sich Karl V., Herzog der Burgundischen Niederlande, zunächst in Spanien die Herrschaft sicherte und nach dem Tod Maximilians I. (1519) zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches krönen ließ. Neben zahlreichen Kriegen unter den zersplitterten Machtbereichen christlicher Herrscher drangen die Osmanen unter Selim I. immer weiter Richtung Nordafrika und in den westlichen Mittelmeerbereich vor. Auch nach Osten richteten sich die Blicke, vor allem auf das Moskowiter Zarenreich, das Sigmund von Herberstein, der über Polen und Litauen an den Moskowiter Hof gelangte, später in seinem berühmten Reisebericht beschrieb. Das alles schildert Schilling ebenso fundiert wie sprachlich brillant und farbenfroh. Dass er dabei mal mehr, mal weniger weit in die Vergangenheit oder Zukunft zurückgeht respektive ausgreift, gerät nie zum Selbstzweck. Erst durch den Kontext versteht man die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Entwicklungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts, einer Zeit, die geprägt ist von vielerlei Umbrüchen und einer enormen Erweiterung des Weltwissens, vor allem durch die Entdeckungsreisen der Portugiesen und Spanier. Schilling geht in diesem Zuge nicht nur auf die Landung spanischer Schiffe im Frühjahr 1517 auf der mexikanischen Halbinsel Yukatan und die Begegnung mit den Maya sowie dem späteren Blutbad unter Hernán Cortés ein, sondern schildert ebenfalls die Probleme der Portugiesen, nach China, zum „Reich der Mitte“, vorzudringen.

Gleichzeitig verbreitete sich das Wissen der Renaissance und des Humanismus, ausgehend von Italien, in Europa – wenn auch in recht unterschiedlicher Geschwindigkeit. Vor allem die Innovationen im Buchdruck und das sich etablierende Netz von Druckern und Verlegern trug dazu entscheidend bei, aber ebenso die ausgedehnte Korrespondenz der Humanisten untereinander, man denke dabei nur an die vielfältigen Briefkontakte des Erasmus von Rotterdam, einem der zu dieser Zeit gefragtesten Gelehrten. In Deutschland kommt es „in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts zu einer eigentümlichen Mischung von traditionellen und neuen Formen und Ideen“, zu einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. So ist beispielsweise Ulrich von Hutten, der hauptsächliche Verfasser des zweiten Bandes der Dunkelmännerbriefe, einerseits entscheidend vom Ideengut des Humanismus geprägt, andererseits stark dem mittelalterlichen Reichsritterstand verhaftet. Erfreulich ist, dass Schilling in 1517, besonders im Kapitel „Die Renaissance und ein neues Wissen“, nicht nur die männlichen Akteure dieser Zeit in den Blick nimmt, sondern auch die weiblichen, die sich vor allem an den Höfen entfalten konnten. Neben Isabella dʼEste, Markgräfin von Mantua, und Marguerite von dʼAngoulême, die mit einer Vielzahl von Humanisten im Austausch stand, ist besonders Margarete von Österreich – die mächtigste der Renaissance-Frauen – zu nennen, die für viele Jahre die Statthalterschaft in den burgundischen Niederlanden für ihren unmündigen Neffen Karl übernahm.

Anschaulich geht Schilling auf die Mentalitätsgeschichte am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit ein, der von einem höchst heterogenen Denken geprägt war: Neben rationalen Erklärungsversuchen etwa in Bezug auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge stehen immer auch irrationale – und das keineswegs nur bei den ungebildeten Bevölkerungsschichten. Auch weltliche Herrscher, Theologen und Gelehrte waren für Magie- und Wunderglauben empfänglich. So verbreitete sich die Nachricht von einer Unheil verkündenden „Geisterschlacht“ nahe Bergamo in Windeseile. Tatsächlich handelte es sich dabei um vom Wind bewegte Nebelschwaden, die von einem dampfenden Misthaufen aufstiegen. Die Menschen deuteten das Naturphänomen als Zeichen Gottes, der sein sündiges Volk mit dem Vorrücken der Osmanen züchtigen wolle. Im Zuge des vermehrten Druckaufkommens erlebten auch die Schriften über Dämonen und Hexen, besonders der Malleus maleficarum (Hexenhammer), hohe Auflagen. Schilling konstatiert: „Sie waren Teil der Renaissancekultur und der neuen Weltorientierung der Humanisten. Das wird nur zu leicht übersehen, wenn man den Renaissancehumanismus mit dem gleichsetzt, was wir heute unter Humanismus verstehen.“ Damit einher ging eine ausgeprägte Fremdenphobie, die sich wie in Spanien bis zum „Reinheitswahn“ steigern konnte; ein „reiner Glauben“ wurde dort an die „Reinheit des Blutes“ geknüpft. Obwohl die Juden in Deutschland unter dem kaiserlichen Schutz Maximilians I. standen, waren sie in einigen Gebieten und Städten vielerlei Repressionen und Gefahren ausgesetzt, besonders schlimm in Regensburg, wo es zu einem Pogrom kam: Die Synagoge wurde vollständig zerstört, an ihrer Stelle wurde eine christliche Kapelle errichtet.

Im Laufe des Buches bewegt sich Schilling vom großen Ganzen der Weltgeschichte hin zu den mit den Anfängen der Reformation verknüpften Orten und Personen. So widmet er sich in den letzten beiden Kapiteln im Besonderen den beiden Hauptakteuren und späteren Widersachern Papst Leo X. und Martin Luther. Während Leo X. vor allem darauf bedacht ist, die Machtinteressen seiner Familie in Rom zu festigen und auszubauen – besonders die vom Verfall bedrohte Basilika Alt-St.-Peter soll mithilfe von Ablassgeldern wiederaufgebaut werden –, schickt sich der Augustinermönch im bis dahin unbedeutenden Wittenberg an, seine 95 Ablassthesen zu veröffentlichen. Luthers zunächst innerkonfessionelle Kritik führte zur „Fundamentalfeindschaft der Konfessionen“ und später zum „Inferno der Glaubenskriege“, weil Rom nicht willens war, „sich mit Luthers Kritik inhaltlich auseinanderzusetzen“, so Schilling zugespitzt. 1517 war also keineswegs das „Wunderjahr“, das die Neuzeit einläutete, wie noch immer von einigen behauptet wird, aber es stellte die Weichen für eine zunehmende Pluralisierung. Um noch einmal mit Schilling zu sprechen: „Wichtig war dabei, dass in der Konsequenz der Reformation der Kern der alteuropäischen Vergesellschaftung aufgebrochen wurde, nämlich die Verschränkung von Sakralem und Säkularem, Religion und Gesellschaft, Priesterlichem und Politischem.“

Schillings Buch ist eines der lesenswertesten zum Reformationsjubiläum, nicht zuletzt, weil es ein breites sozial- und kulturgeschichtliches Panorama des beginnenden 16. Jahrhunderts zeichnet, ohne zu sehr zu vereinfachen; stets bleiben die Ausführungen des Autors differenziert. Einzig die mehrfache Verwechslung der Inka mit den Maya im Prolog hinterlässt einen kleinen Wermutstropfen.

Erasmus von Rotterdam als Ireniker

Neben Luthers 95 Thesen erblickte 1517 ein weiterer bedeutender Text das Licht der Welt: Erasmus von Rotterdams Querela pacis (dt.: Die Klage des Friedens), der nun in einer Neuausgabe erschienen ist. In seiner umstürzenden Wirkung sicher nicht mit den Thesen des Reformators vergleichbar, ist die Friedensschrift des Erasmus in ihrer Grundproblematik jedoch auch 500 Jahre nach der Veröffentlichung noch immer aktuell. Kriege, mit all ihrer zerstörerischen Gewalt, überziehen nach wie vor den Erdball – die Gefahr einer globalen Eskalation ist in Zeiten von Donald Trump und Kim Jong-un stets greifbar. Seine Schrift verfasste Erasmus inmitten einer Periode, die von beständigen Kriegen erfüllt war, in denen es vor allem um die Vorherrschaft in Italien und das Erbe Karls des Kühnen ging. Um die Wogen in Europa zu glätten, sollte ein internationaler Friedenskongress in Cambrai stattfinden, Erasmus schien hochgradig geeignet, die passende Rede dazu zu liefern. Die Krux an der Sache: Der Friedenskongress kam niemals zustande.

Hatte im Lob der Torheit Stultitia in persona das Wort, so in der Klage des Friedens die römische Friedensgöttin Pax, die in der Weltgeschichte umherirrt, um einen Platz zu finden, an dem sie sich niederlassen kann. Doch vergebens: Überall, wo sie hinkommt, herrscht Uneinigkeit und Krieg, egal, ob bei den weltlichen Herrschern oder den Gelehrten, die „mehr durch ihre Leidenschaften bestimmt“ würden „als durch die Urteilskraft des Geistes“. Selbst in eines Menschen Brust herrsche Zwietracht, denn „der Mensch kämpft gleichwohl mit sich selbst, die Vernunft führt Krieg mit den Leidenschaften“. Noch schlimmer jedoch wiegt für Erasmus die Tatsache, dass sich Christen untereinander bekriegen, habe doch Christus seinen Jüngern das Gebot der Nächstenliebe gegeben. Pax alias Erasmus postuliert in bekannt ethischer Manier, dass das gesamte Leben Jesu nichts anderes gewesen sei als „eine Unterweisung zu Eintracht und gegenseitiger Liebe“. Denen, die miteinander Krieg führten, müsse der Christen-Titel abgesprochen werden, einen „gerechten Krieg“ kann es Erasmus zufolge nicht geben. In seiner Schrift hält er sich auch mit Papstkritik nicht zurück, vor allem an Julius II. (Papst von 1503 bis 1513), der für seine ausschweifenden militärischen Interventionen bekannt war. Luther bezeichnete ihn später als „Blutsäufer“.

Neben den christlich motivierten nennt Erasmus auch rein rationale Gründe, weshalb ein bewaffneter Konflikt unter allen Umständen vermieden werden müsse. Kriege forderten stets Todesopfer, vor allem unter dem einfachen Volk, das oft keine Schuld an ihnen trüge, verschlängen Unmengen an Geld und schwächten darüber hinaus die öffentliche Disziplin. Als Hauptursache für die Kriegslüsternheit der Zeit führt er die „verkehrten Begierden“ der Anstifter an. Würden sich mehr Menschen von der Vernunft leiten lassen, gäbe es weniger Kriege, so Erasmusʼ Credo. Sein rhetorisch geschliffener Text ist ein glühendes Plädoyer für den Frieden, Resignation hat darin keinen Platz. Selbst der ungerechteste Friede ist für den Humanisten immer noch besser als der gerechteste Krieg.

Erasmusʼ lebendig geschriebene Klage des Friedens hat die Zeit überdauert und ist auch im 21. Jahrhundert noch lesenswert, selbst wenn uns einige seiner Argumente inzwischen fremd sind. Die mit einem ausführlichen Vorwort der Übersetzerin Brigitte Hannemann sowie einem Nachwort von Stefan Zweig versehene Neuausgabe gibt ausreichend Gelegenheit, den „Humanistenfürsten“ wieder oder neu zu entdecken. Zweigs Text ist ein Auszug aus seiner Biografie Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam aus dem Jahr 1934. In ihm zeichnet er das Bild eines „Menschen der Stille und unablässigen Arbeit“ sowie eines Gegners des Fanatismus. Dass er damit nicht nur Erasmus, „den großen Vergessenen“, porträtierte, sondern ebenso sich selbst, wird an mehreren Stellen im Text deutlich, besonders jedoch an einer: Erasmus sei „unter allen Schreibenden und Schaffenden des Abendlandes der erste bewusste Europäer gewesen, der erste streitbare Friedensfreund, der beredteste [sic] Anwalt des humanistischen, des welt- und geistesfreundlichen Ideals.“ In dieser Traditionslinie – sicher nicht die schlechteste in der europäischen Geschichte – sah sich auch Zweig.

Über zwei Reformationsdarstellungen Thomas Kaufmanns

Der Frieden spielt in Thomas Kaufmanns 100-Seiten-Büchlein Reformation lediglich eine marginale Rolle. Vielmehr hat es sich der Göttinger Kirchenhistoriker zur Aufgabe gemacht, den Reformationsverlauf in Deutschland – und darüber hinausgehend auch in Europa – auf kleinem Raum nachzuzeichnen. Dieses Unterfangen Kaufmanns ist schon deshalb bemerkenswert, weil seine Geschichte der Reformation in Deutschland, die erstmals 2009 (unter dem Titel Geschichte der Reformation) herauskam und 2016 in überarbeiteter und erweiterter Auflage erschienen ist und nun ein zusätzliches Kapitel zur Erinnerungskultur sowie zur historischen Luther- und Reformations-Forschung enthält, satte 1038 Seiten umfasst. In diesem hebt er hervor, dass zu verschiedenen Zeiten ganz unterschiedliche Aspekte Luthers betont wurden. Fakt ist: Man kam um ihn nicht herum – weder die Protestanten noch die Katholiken. Der Umgang mit den Reformationsjubiläen zeige, dass „die Auseinandersetzung mit der Reformation hierzulande lebhafter als in jedem anderen europäischen Land“ blieb. Einen Grund dafür sieht Kaufmann darin, dass die Erinnerungspflege entscheidend von den politischen Herrschern betrieben wurde, auch schon zum 100. Jubiläum 1617. Wurde 300 Jahre später, zur Zeit des Ersten Weltkriegs, besonders das „germanische“ Wesen Luthers betont und er den Menschen als „Vorbild an Willensstärke, Zähigkeit und Durchhaltewillen“ vor Augen gestellt, so erfuhren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die irenischen Bestrebungen von anderen Reformatoren, beispielsweise Philipp Melanchthons oder Martin Bucers, eine höhere Beachtung. Die Gegenwart zeichne sich durch ein breites Spektrum an Lutherbildern aus: „neben dem auch in seiner Exegese zutiefst problematischen Judenfeind steht der unanfechtbar zivilisierte Lehrer der christlichen Religion, neben dem bewunderten Übersetzer der Verräter an den Bauern, neben dem genialen Publizisten der widerwärtige Polemiker, neben dem Fürstenknecht der Rebell“. Am Ende des Gedenkjahrs kann man feststellen, dass viele der von Kaufmann genannten Facetten Luthers tatsächlich in Publikationen, Reden oder Ausstellungen beleuchtet wurden – zum Nachteil der anderen Reformatoren, die mit Nichtbeachtung gestraft wurden. Stets stand respektive steht Luther in der Aufmerksamkeit weit über ihnen.

Doch zurück zur kleinen Reformationsgeschichte: Gelingt es Kaufmann nun, die gewaltigen Stoffmassen in seiner kurzen Überblicksdarstellung auf verständliche und nicht zu stark vereinfachende Art und Weise zu bündeln? Um es vorwegzunehmen: Ja, es gelingt ihm, mit kleinen Einschränkungen.

In gewohnt klarer und konziser Sprache führt der Autor seine Leser durch das Reformationsgeschehen, wobei er sich hauptsächlich an den von Leopold von Ranke (1795–1886) bestimmten zeitlichen Rahmen von 1517 bis 1555 hält. Vor allem im internationalen Raum gibt es plausible Ansätze, die die Reformation respektive Reformationen deutlich früher (um 1400) beginnen und später (um 1650) enden lassen, doch hält Kaufmann von diesen „recht unspezifischen historiographischen Konzeptionen“ nicht allzu viel. Das wird auch an seiner eng gefassten Definition von Reformation deutlich, denn unter dieser versteht er „die konkreten Veränderungen des überkommenen Kirchenwesens in einzelnen Städten, Territorien und Ländern […], in der Regel mittels der Einführung ‚reformatorischer‘ Kirchenordnungen durch die jeweils zuständigen politischen Instanzen – städtische Magistrate, Landesherren oder Könige.“ Er blendet also bewusst die von verschiedenen Seiten vorangetriebenen vorlutherischen Reformbestrebungen weitestgehend aus beziehungsweise fasst diese nicht unter den Reformationsbegriff. Hier hätte man sich eine deutlich weiter gefasste Definition sowie die Einbeziehung der vorlutherischen Kirchenkritiker gewünscht. Ebenso bleibt, ganz anders als zum Beispiel bei Heinz Schilling, Mentalitätsgeschichtliches weitestgehend ausgespart, was auch auf die Kürze der Darstellung zurückzuführen ist.

Doch damit genug der Kritik: Innerhalb des von ihm gezogenen Zeitrahmens bewegt sich Kaufmann mit nahezu traumwandlerischer Sicherheit in den verschiedenen reformationsrelevanten Themenfeldern. Er zeichnet das Leben Luthers in groben Strichen nach, geht auf die Entwicklung der Reformation in Deutschland und Europa ein, wobei er die Konsolidierungs- und Erneuerungsbestrebungen des Katholizismus nicht außer Acht lässt, beleuchtet die vielfältigen Strömungen innerhalb der Bewegung und widmet sich zum Schluss der Frage, welche historische Bedeutung der Reformation zukommt. Kaufmann betont, dass die „Frage nach der Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen westlichen Zivilisation“ nicht definitiv zu beantworten sei, nennt anschließend aber wichtige Folgen der Reformation wie beispielsweise die Aufwertung der Volkssprache, den Ausbau des Schulwesens oder die Eröffnung von Partizipationsmöglichkeiten in den Gottesdiensten.

Obwohl Kaufmann versucht, seine Ausführungen so einfach wie möglich an den Leser zu bringen, kann sein Überblick nicht uneingeschränkt für einen Einstieg in die Reformationsgeschichte empfohlen werden. Zuweilen ist die Faktendichte etwas zu hoch, auch wenn der Text durch Bilder, Diagramme und Schaukästen sinnvoll aufgelockert wird. Grundkenntnisse können also keinesfalls schaden, um so manchen Sachverhalt adäquat einordnen zu können. Wer sich darüber hinaus spezifischer informieren möchte, der greife zu Thomas Kaufmanns umfassenderen Darstellung Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation oder der bereits erwähnten Geschichte der Reformation in Deutschland.

Titelbild

Thomas Kaufmann: Geschichte der Reformation in Deutschland.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2016.
1038 Seiten, 28,00 EUR.
ISBN-13: 9783518425411

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Titelbild

Thomas Kaufmann: Reformation.
Reclam Verlag, Stuttgart 2016.
100 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783150204306

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Titelbild

Heinz Schilling: 1517. Weltgeschichte eines Jahres.
Verlag C.H.Beck, München 2017.
364 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783406700699

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Titelbild

Erasmus von Rotterdam: Die Klage des Friedens.
Mit einem Vorwort von Brigitte Hannemann und einem Nachwort von Stefan Zweig.
Übersetzt aus dem Lateinischen von Brigitte Hannemann.
Diogenes Verlag, Zürich 2017.
176 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783257069853

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