Die Angst vor dem Anderssein

Der Film „Auf Augenhöhe“ zeigt die Geschichte eines Jungen auf der Suche nach seinem leiblichen Vater

Von Maurice BuschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Maurice Busch

Der mehrfach ausgezeichnete Film Auf Augenhöhe gewann zuletzt 2017 den Deutschen Filmpreis für den besten Kinderfilm. Die Regisseure Joachim Dollhopf und Evi Goldbrunner erzählen mit ihrem Film die Geschichte des Heimkindes Michi (Luis Vorbach), der durch einen Brief seiner Mutter seinen bislang unbekannt gebliebenen Vater findet.

Michi, der in einer Heimunterkunft lebt, findet einen Brief seiner Mutter, der ihm Aufschluss über den Verbleib seines Vaters Tom Lambrecht (Jordan Prentice) gibt. Der Junge macht sich auf den Weg, den Vater persönlich kennenzulernen, muss allerdings feststellen, dass dieser – entgegen seinen Erwartungen – kein cooler Typ mit einem aufregenden Beruf ist, wie er vor den anderen Heimkindern angibt. Tom, so der Name des Vaters, ist kleinwüchsig. Schnell ziehen ihn seine Freunde damit auf, dass sein Vater anders ist. Das Mobbing eskaliert, Michi läuft aus dem Heim weg und versucht, unter allen Umständen bei seinem Vater zu bleiben, obwohl er sich für ihn schämt und ihn vor seinen Freunden verleugnet. Seine Schulfreundin Katja (Ella Frey) lässt sich von seinen Lügen allerdings nicht blenden und findet schnell heraus, warum Michi immer so wirre Geschichten erzählt. Diese Begegnung macht ihm Mut und läutet den Wendepunkt des Films ein, der schließlich ein versöhnliches Ende nimmt, welches man Michi, trotz seiner egoistischen Art, Verleugnung und seinen Lügen, von Herzen gönnt.

Die Darsteller überzeugen durch ihre schauspielerischen Leistungen. Luis Vorbach versteht es, die Situation des jungen Michi zu spielen. Er stellt ihn hilflos, aber gleichzeitig auch clever, egoistisch und auch ein bisschen perfide dar. So behauptet Michi gegenüber Frau Gonsalves (Anica Dobra), einer Mitarbeiterin des Jugendamtes, dass er lieber bei seinem Vater bleiben möchte, da er der einzige Mensch sei, der ihm noch geblieben ist, auch wenn in den vorherigen Szenen seine Schamgefühle und sein Unverständnis für seinen Vater zu sehen waren.

Jordan Prentice verkörpert in exzellenter Weise den kleinwüchsigen Tom Lambrecht. Er muss ebenfalls mit der neuen Situation, einen Sohn zu haben, zurechtkommen. Das Verhältnis der beiden ist schwierig, sodass Tom in eine innere Krise gerät: Sein Sohn verleugnet ihn und er fühlt sich selbst von seinen Freunden, die ihn in jeder Lebenssituation zu unterstützen versuchen, missverstanden.

Weniger überzeugend werden hingegen die Situationen im Kinderheim ebenso wie die Heimleitung Astrid (Mira Barutschek) dargestellt, die von Streit und Zwist unter den Kindern und Jugendlichen nichts mitbekommt. Das Heim wird gezeigt, als handle es sich um eine geschlossene Einrichtung weitab jeglicher Zivilisation. Die Darstellung des Heimes wirkt so unauthentisch und hat Kasernencharakter.

Die Schauspieler haben die Überforderung und die gegenseitigen Beziehungen ihrer Figuren fulminant dargestellt. Trotz aller Umstände finden Michi und Tom zueinander und nach und nach entwickelt sich ein Vater-Sohn-Verhältnis zwischen ihnen. Michi zeigt immer mehr seine Freude über die Tatsache, einen Vater zu haben und beginnt zu dessen Kleinwüchsigkeit zu stehen. Der größte Beweis ist wohl die Bitte, dass sein Vater ihn zu seiner neuen Schule begleiten soll, um ihn dort anzumelden.

Der Kinder- und Familienfilm Auf Augenhöhe stellt ein Plädoyer für Toleranz dar. Besonders die angestrebte jüngere Zuschauerschaft bekommt auf Augenhöhe mitgeteilt, was es bedeutet, Menschen, die sich zwar durch ein auffälliges Merkmal von anderen unterscheiden, stets mit Toleranz und Akzeptanz zu begegnen. Aus pädagogischer Sicht eignet sich der Film besonders, um Kindern und Jugendlichen ein Beispiel zu geben, damit sie verstehen, dass Mobbing und Diskriminierung niemals der richtige Weg sind.

Der Film scheitert zwar an der Inszenierung der Heimeinrichtung, zeichnet sich dafür aber durch die überzeugende Darstellung der Schauspieler und den Plot aus, der die Geschichte nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene durchaus sehenswert macht. Es werden Mobbingerfahrungen und die Angst anders zu sein, aber auch die eigene Unzulänglichkeit und die Sorge seiner Verantwortung nicht gerecht zu werden, thematisiert. Trotz der Geschichte des kleinen Michi, der seinen „leiblichen“ Vater findet, verfällt der Film nicht in Kitsch. Im Gegenteil: Die Mischung aus tiefgründigen, gesellschaftlich relevanten Themen und kindlichem Witz macht den Film aus.

Alles in allem bildet Auf Augenhöhe ein strahlendes Exempel für Toleranz und Akzeptanz und zeichnet sich durch viel Witz und Humor seitens der Figuren aus, was zum mehrmaligen Schauen nicht nur für Kinder einlädt.

Auf Augenhöhe
Deutschland 2016
Regie: Joachim Dollhopf, Evi Goldbrunner
Drehbuch: Joachim Dollhopf, Evi Goldbrunner, Nicole Armbruster
Darsteller: Luis Vorbach, Jordan Prentice, Ella Frey, Anica, Dobra, Mira Barutschek
99 Minuten

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Weitere Filmrezensionen hier