Ein Drama als Kammerspiel

Ruth Beckermann hat den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan verfilmt

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Über die wechselvolle Beziehung von Ingeborg Bachmann und Paul Celan ist schon viel geschrieben worden – mal mehr, mal weniger kenntnisreich. 2008 erschien dann die sich über zwei Jahrzehnte erstreckende Korrespondenz der beiden LyrikerInnen in Buchform. Verfilmt wurde ihre Geschichte aber noch nie. Bislang jedenfalls. Nun aber liegt ein, wie Regisseurin Ruth Beckermann sagt, „Kammerspiel“ auf DVD vor, in dem die unter dem Namen Soap&Skin bekannte Sängerin Anja Plaschg und der Schauspieler Laurence Rupp Auszüge aus der Korrespondenz vorlesen. Die Briefe sind stets wohlformuliert, ausgefeilt fast wie Gedichte, sehr persönlich, sehr emotional, oft zart und, zumindest von Seiten Celans, nie absichtslos. So schlägt er zumal in den späteren Jahren auch schon einmal ausgesprochen harte, fast erpresserische Töne an, die Bachmann mit ungerechten Vorwürfen überhäufen. Doch auch dann noch schwebt eine melancholische Grundstimmung über dem Film, die nicht nur daher rührt, dass man die tragische Geschichte beider kennt, sondern die nicht minder in der Art der Lesenden, die Briefe vorzutragen, begründet ist. Auch das als Set genutzt Studio 3 des Funkhauses Wien mit seinen Gemälden von Hilda Jesser trägt das seine dazu bei. So tritt die Dramatik der Beziehung nahe an das Publikum heran, vermittelt durch die beiden SprecherInnen vor allem, aber auch über die karge Bildlichkeit.

Eine unmittelbare, fast intime Nähe wird von den ersten Sekunden an dadurch erzeugt, dass die Gesichter von Plaschg und Rupp vor dunklem Hintergrund in Nahaufnahme erscheinen, während sie aus den ersten Briefen vorlesen. Dann wird das Licht hochgedimmt. Man sieht, dass sie einander gegenüberstehen. Gelegentlich irritiert die immer mal wieder unruhig werdende Kameraführung. Verlangt die Sehgewohnheit, dass Nahaufnahmen reglos auf den Gesichtern ruhen, schwankt die Kamera hier hingegen leicht hin und her, wie bei einem, der nicht ganz still halten kann. Spricht Celans Ärger aus seinen Briefen, hält sie etwas größeren Abstand vom Gesicht Rupps und der Raum wird hell erleuchtet. Sofort wirkt die Situation weniger intim und das Publikum mag die Distanz empfinden, die Bachmann angesichts seiner geradezu rabiat fordernden Anklagen empfunden haben könnte. Rupp liest die Briefe oft weit schärfer, fordernder, kritischer als Plaschg diejenigen Bachmanns, die zärtlicher, gebender, liebender klingen. Damit treffen beide auf feinfühlige Weise stets den richtigen Ton.

Zwischengeschaltet sind den Lesungen einige Szenen, die Plaschg und Rupp in einer Konzertprobe oder während einer Zigarettenpause im Gespräch miteinander zeigen. Die nicht geprobten Unterhaltungen machen deutlich, dass sich Plaschg besser in Bachmann und ihre Gefühlswelt hineinversetzen kann als Rupp in diejenige Celans, dessen Wesen ihm fremd zu bleiben scheint. Auch argumentiert Plaschg bedächtiger. Angesichts von Celans (Vor-)Geschichte mag es zwar leicht fallen, Verständnis für ihn aufzubringen, seine Briefe aber lassen kaum zu, dass Sympathie für ihn aufkommt. Auch Rupp empfindet offenbar keine.

Die Fragmente der Unterhaltungen zwischen den SprecherInnen spiegeln die der Briefe auf verdichtete und doppelte Weise. Denn Briefe selbst sind nur Fragmente einer jeden Beziehung, und es sind wiederum nur Fragmente einiger der Briefe dieser besonderen Beziehung, die Plaschg und Rupp lesen. Wie wenig kann der Film also über die unglückliche Liebe von Bachmann und Celan mitteilen. Und doch, wie intensiv wirkt dieses Wenige!

In den Briefen klingen auch die gegen Celan erhobenen und – wie man weiß – falschen Plagiatsvorwürfe an. Deutlich wird auch Celans feines Gespür für jeglichen Antisemitismus und seine Verletzlichkeit durch diesen, die sich in ihrer Verzweiflung wenig zielgerichtet auch gegen Bachmann richtet und so selbst verletzend wird. Bachmann war demgegenüber ebenso macht- und hilflos wie alle, die sich um Celan bemühten.

Nur sehr gelegentlich erfährt man via schriftlicher Einblendungen das Notwendigste über wichtige Einschnitte im Leben der SchriftstellerInnen. Etwa die Heirat Celans 1952 oder dass sechs Jahre der Trennung verstrichen waren, als sie einander 1957 wieder sahen. Ansonsten stehen die Briefe für sich, ohne irgendwie geartete Erklärungen über die jeweiligen Lebensumstände von Bachmann und Celan. Der Film vermag zwar nicht das epische Ausmaß des Beziehungsdramas auf den Bildschirm zu bringen, kann aber doch dessen tiefen Kern freilegen.

Der DVD beigefügt ist ein informatives Booklet, in dem nicht nur einige Briefauszüge abgedruckt sind, sondern auch – und vor allem – ein von Verena Lueken geführtes Interview mit Ruth Beckermann und der Bachmann-Biografin Ina Hartwig, welche die zunächst so liebevolle, dann von Seiten Celans so verletzende Beziehung als sehr traurig wahrnimmt. Für Beckermann hingegen ist sie das keineswegs. Wie man sie selbst empfindet, ist natürlich höchst individuell. Unberührt lassen wird dieser Film jedenfalls niemanden.

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Titelbild

Ruth Beckermann: Die Geträumten. Ingeborg Bachmann und Paul Celan.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017.
DVD (89 Min.), 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783518135419

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