Empörungsgestus vs. Selbstviktimisierung

In ,,Mit Rechten reden“ hat das heterogene Autorentrio Per Leo, Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn einen „Leitfaden“ zum Umgang mit dem Phänomen des Rechtspopulismus geschrieben – und wurde leider häufig missverstanden

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das „meistdiskutierte Buch auf der Frankfurter Buchmesse“, dazu ein Titel der schon fast zum geflügelten Ausspruch geworden ist, gefolgt von der bangen Frage: ‚Sollte man das wirklich tun?‘ Tatsächlich ist das von einem Philosophen, einem Juristen und einem Schriftsteller/Historiker verfasste Werk eine weitaus größere Herausforderung an seine Leser als der bewusst plakativ gewählte, zunächst irreführende Titel vorgibt. Denn mindestens ebenso interessant wie Mit Rechten reden ist die Debatte, die daraufhin einerseits in Feuilletons, andererseits aber vor allem in den sozialen Netzwerken – auch auf den Seiten eines der Autoren – losgebrochen (und leider auch manchmal etwas entglitten) ist. Jene Debatte hat in den letzten Monaten vor allem eines gezeigt: Selbst Bücher, über die man hitzig diskutiert, werden von einigen der Urteilenden in erschreckend vielen Fällen  nicht gelesen. Genau dies prangern Leo, Steinbeis und Zorn nicht nur während besagtem Rezeptionsprozess, sondern bereits am Anfang des Buches selbst an. Gleichzeitig kann Mit Rechten reden schon gar nicht mehr unabhängig von jenem Rezeptionsprozess gelesen werden, weil sich darin Vieles spiegelt, was die Autoren im Buch ansprechen.

Aber der Reihe nach. Was soll man mit diesem Band anfangen? Schon auf den ersten Seiten stellen die Verfasser klar, dass es sich mitnichten um einen Ratgeber handelt, wie man denn nun am besten mit politisch „rechts“ stehenden Zeitgenossen reden soll. Genauso wenig sollte man den Titel als Aufforderung verstehen, genau das zu tun; vielmehr möchte er als Infinitiv verstanden werden um dabei die Frage aufzuwerfen: Was passiert eigentlich so, wenn man mit „Rechten“ redet? Dass etwa die Titanic hier nicht Halt machen konnte und für ein nur halbwegs witziges Experiment drei Rechtsnationalen-Darsteller mit dem Schild „Mit Rechten reden“ auf einen öffentlichen Platz gesetzt hat, zeugt ebenso von Unverständnis dem Ziel des Buches gegenüber wie die rhetorischen Angriffe auf die Autoren, sie wollten die Gefahr durch Rechtspopulisten oder gar Nazis verharmlosen.

Dabei ist das Buch zunächst einmal auf fast schon herausfordernde Weise locker geschrieben; das ernste Thema mit hinreichend Humor aufbereitet, über den man zwar geteilter Meinung sein kann, aber immerhin wird der Leser zumindest im Schlußkapitel vorher gewarnt, wenn es mal zu albern wird. Da die Expertise der Autoren – inhaltlich wie auch stilistisch – auf verschiedenen Feldern zu finden ist, erhält der Leser einen differenzierten Einblick in die Problematik. Und diese dreht sich eben nicht, wie dem Buch immer wieder unterstellt wird, darum, einen rhetorischen Sieg in Diskussionen mit rechtnationalen Zeitgenossen davonzutragen, sondern eher um den Versuch, deren Argumenten erst einmal offen gegenüberzustehen, zu versuchen, diese zu verstehen, und sie dann auf ihre (meist nicht vorhandene) Gültigkeit abzuklopfen. Und zwar nicht mit dem von der anderen Seite erwünschten Empörungsgestus, der dann automatisch in eine Selbst-Viktimisierung umschlägt, sondern mit sachlicher und vor allem logischer Argumentation. Kurz: Auf die typischen Setzungen sollte nicht mit der vielzitierten Nazikeule, sondern mit der, meist nicht mal besonders anspruchsvollen, inhaltlichen Entkräftung des Arguments geantwortet werden.

Während dies vor allem das Feld des Argumentationslogikers Daniel-Pascal Zorn sein dürfte (markiert sind die verschiedenen Passagen nicht, man muss also über den jeweilig federführenden Autor spekulieren), scheinen die juristischen Passagen vom Gründer des Verfassungsblogs, Maximilian Steinbeis, zu stammen. Die faszinierendsten Passagen des Buches, nämlich diejenigen, die es als „Sachbuch“ so innovativ machen, sind jedoch jene die (mutmaßlich) vom Schriftsteller Per Leo stammen. Hier ist vor allem die immer absurder anmutende Geschichte eines „Informanten“ zu nennen, der als Höhepunkt über mehrere Seiten von einem surrealen Traum berichtet, welcher in einem dunklen Wald spielt, in dem nicht nur die drei Autoren scheinbar ihr Unwesen treiben, sondern auch eine ziegenmelkende, schwarz gekleidete Gestalt ihren Senf dazugibt. Diese dürfte den meisten an der Thematik Interessierten sofort ein Begriff sein und die Szene, bei aller Unheimlichkeit, auch den ein oder anderen leisen Lacher provozieren.

Man kann nun über Einiges, was in dem Buch behauptet, durchgespielt oder angeraten wird, geteilter Meinung sein, oder es für sich selbst nicht akzeptieren wollen. Doch die Debatte um Mit Rechten reden spiegelt leider viel zu selten den oben beschriebenen Innovationsgehalt des Buches wider, noch geben sich viele Kritiker die Mühe, das, was die Autoren in einfacher Sprache und eigentlich recht anschaulich beschreiben, auch genau so zu verstehen: als (der Untertitel, aber auch das erste Kapitel, sagen es bereits) „Leitfaden“. Und spielen letztlich der Argumentation des Trios auf diese Weise direkt in die Karten, da auch sie die affektive Reaktion in den Mittelpunkt stellt. Vor allem die durchaus kritische (und stets augenzwinkernde) Auseinandersetzung mit „den Linken“ kann für viele interessierte Leser auf den ersten Blick schmerzhaft sein. Sie unterscheidet sich jedoch wenig von anderen aktuellen Auseinandersetzungen mit der Problematik wie etwa Didier Eribons Rückkehr nach Reims oder Angela Nagles gerade erschienenes Buch über die „Culture Wars“ im Internet, Kill All Normies. Man kann das alles natürlich auch – mit gutem Grund – recht kritisch sehen und hinterfragen. Doch eine Lektüre des keineswegs dicken Bandes sollte vorher schon drin sein.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Per Leo / Maximilian Steinbeis / Daniel-Pascal Zorn: Mit Rechten reden. Ein Leitfaden.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2017.
183 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-13: 9783608961812

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