Exemplarisch tragisch

Connie Palmen setzt unangepasster Weiblichkeit ein Denkmal

Von Wieland SchwanebeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Wieland Schwanebeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Connie Palmens schmaler, aber keinesfalls substanzloser Band Die Sünde der Frau beinhaltet vier biografische Kurzporträts von Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, die Zeit ihres Lebens eine „Verbannung aus einem vorgeschriebenen, häuslichen Leben“ in Kauf nahmen und um den Preis ihres persönlichen Glücks zu Legenden wurden. In Palmens Darstellung lesen sich die vier geschilderten Lebensläufe – sie gehören Marilyn Monroe, Marguerite Duras, Jane Bowles und Patricia Highsmith – zugleich vorbildlich und abschreckend, halten sich doch Bewunderung für das künstlerische Vermächtnis und den konsequent eingeschlagenen Lebensweg sowie das Mitgefühl für die von schwersten Schicksalsschlägen Gezeichneten beständig die Waage.

Neue biografische Einsichten sollte man nicht erwarten; Palmen gesteht freimütig, sich in der Mehrzahl lediglich auf die einschlägig bekannten Biografien aller vier Frauen gestützt und diesen Schilderungen ihre eigenen essayistischen Annäherungen abgelauscht zu haben. Am erhellendsten liest sich dieses literarische Experiment, wann immer Palmen zwischen Monroe, Duras, Bowles und Highsmith Zusammenhänge herstellt und unerwartete Brücken schlägt, etwa wo es um den Umgang mit Krankheit oder die Tragweite selbst- und fremdverordneter Pseudonyme geht. Dagegen bleibt eher nebulös, was genau die Autorin ihren vier biografischen Subjekten unterstellen möchte. Heißt es einleitend zunächst, alle vier hätten sich „aus freien Stücken“ zum Außenseitertum entschlossen, nehmen sich die Schilderungen selbst dann keinesfalls als Musterbeispiele autonomer Lebensführung aus. Ganz im Gegenteil werden die vier Lebensläufe in die Schablone der Tragödie eingepasst, und gemäß den Eigenschaften dieser Gattung genügt ein Knacks, eine Anmaßung oder ein folgenreicher Irrtum, um die Handlungsträgerinnen auf einen unumkehrbaren Kurs in die Katastrophe zu schicken. Für allzu viel Autonomie bleibt da kein Raum, weder im Fall von Marilyn Monroes Todestrieb und ihrer Unfähigkeit, aus der zum Image geronnenen Leinwand-Performance zu treten, noch bei Patricia Highsmiths folgenschwerer Hassliebe zu ihrer Mutter, die laut Palmen genügen sollte, um die Autorin „das ganze weitere Leben unter Schmerz, machtloser Wut und Scham gebückt“ gehen zu lassen. Beim Versuch, ihren vier ,unordentlichen‘ Frauen dennoch Handlungsmacht zuzuschreiben, wird es dann gelegentlich esoterisch: Von Marguerite Duras schreibt Palmen, sie habe das Krankenhaus „mit einer animalischen Urkraft“ überlebt; sowohl bei Duras als auch Bowles (von der es schlicht heißt, ihre Originalität sei ihre Sünde gewesen) finden sich deutliche Parallelen zu dem im Titel des Buchs anklingenden Sündenfall Evas.

An anderer Stelle bleibt unklar, ob die Autorin die Perspektivität wahrt oder ob sie Klischees aufsitzt, die sie eigentlich entlarven will. So hat die junge Norma Jean Baker ihr Erweckungserlebnis im Kino, wo sie selbstverständlich „die Welt der Sünde, die verbotene Welt des Scheins“ kennenlernt, und nicht etwa, Gott bewahre, von Filmen gut unterhalten werden möchte. Falls diese Passage der Versuch einer auktorialen Einschätzung sein soll, dann ist sie einigermaßen unoriginell, und falls sie die Sicht der jungen Norma Jean Baker selbst wiedergeben will, dann erweist sie der fälligen Revision des Monroe-Mythos einen Bärendienst, indem sie die junge Frau zu einem hoffnungslosen Naivchen macht. Da ist man mit Joyce Carol Oatesʼ facettenreichem Roman Blond (1999) oder dem mythenkritischen Film My Week with Marilyn (2011) bereits bedeutend weiter gewesen.

Dem gegenüber finden sich allerdings auch zahlreiche Passagen, in denen Connie Palmen ihren vier ,sündhaften‘ Frauen mit einprägsamen und geistreichen Impressionen beikommt – sie zeigen nachdrücklich, dass diese Lebensläufe wert sind, (wieder-)entdeckt zu werden und im Gedächtnis zu bleiben.

Titelbild

Connie Palmen: Die Sünde der Frau. Über Marilyn Monroe, Marguerite Duras, Jane Bowles und Patricia Highsmith.
Aus dem Niederländischen übersetzt von Hanni Ehlers.
Diogenes Verlag, Zürich 2018.
95 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783257070224

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