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Migrationserfahrungen aus erster Hand

Firas Alshater gibt in „Ich komm auf Deutschland zu“ Einblicke in sein Leben als Flüchtling

Von Monika Grosche

Ich komm auf Deutschland zu ist ein lustiges, intelligentes, aber auch berührendes und nachdenkliches Buch, das man jedem empfehlen kann, der mehr erfahren will über die Hintergründe, die Menschen aus Syrien zur Flucht treiben, aber auch über die Erfahrungen, die man macht, wenn man in Deutschland als „Geflüchteter“ versucht, Fuß zu fassen. Dabei ist der Autor, der Syrer Firas Alshater, mit seiner Geschichte kein ganz ‚typischer‘ Flüchtling.

Er kam weder per Boot übers Mittelmeer noch über die Balkanroute, vielmehr gelangte er auf ganz legalem Wege nach Deutschland – mit einem Schengen-Visum. Gekommen war er, weil der Regisseur des Films Syria Inside, Tamer Alawam, bei Filmaufnahmen im Kriegsgebiet ums Leben gekommen war. Und so half Alshater, selbst Filmemacher, dem Produzenten des Films, Jan Heilig, in Berlin dabei, das unvollendete Werk fertigzustellen.

Worum es dabei ging, kennt Alshater selbst zur Genüge, hat er doch in Syrien an den Protesten gegen das Regime teilgenommen und gefilmt, wie aus seiner Heimat ein Ort des Grauens und des Todes wurde. Dabei erlebte er nicht nur die Macht der (zahlreichen) syrischen Geheimdienste am eigenen Leib im Foltergefängnis, sondern auch die zynische Folge, die sein Überleben der Haft hatte: Fortan glaubten viele Freunde, er sei ein Verräter oder Spitzel, denn sonst wäre er ja wohl kaum wieder freigelassen worden.

Und so beginnt er ein neues Leben in Berlin, wobei natürlich auch ihm die Hürden der deutschen Asylpolitik mit ihrer Bürokratie, dem endlosen Warten und der Massenunterbringung in Flüchtlingsheimen nicht erspart bleiben. Eindringlich beschreibt Alshater die Zustände im Heim: Den Schmutz, den Lärm, den Stumpfsinn, und das Gefühl, wichtige Lebenszeit zu vergeuden, obwohl man doch eigentlich Deutsch lernen und arbeiten gehen könnte.

Was ihm in dieser Situation hilft, ist sein Ehrgeiz, seine Anpassungsfähigkeit, seine Energie – und letztendlich sein Humor. Das alles lässt ihn bereits nach wenigen Jahren in seiner neuen Heimat zum YouTube-Star werden. So zeigt eines seiner bekanntesten Videos, wie er sich im Februar 2016 mit einem Schild auf den Alexanderplatz stellt: „Ich bin syrischer Flüchtling. Ich vertraue dir – vertraust du mir? Umarme mich!“ liest man darauf, während er mit verbundenen Augen dasteht. Nach schier endlosem Warten kommt die erste Umarmung, und dann die zweite, die dritte, bis er sich kaum noch retten kann. „Wenn die Deutschen einmal mit etwas anfangen, hören sie überhaupt nicht mehr auf“, so sein Kommentar.

Ebenso wie seine YouTube-Filme widmet sich sein sehr persönliches Buch vor allem den Unterschieden zwischen Arabern und Deutschen, den Missverständnissen und Problemen des Alltags zum Beispiel angesichts von fremden Toilettengepflogenheiten, Pfandautomaten, ruheliebenden Nachbarn und allgegenwärtiger Bürokratie. Doch wer glaubt, hier nur lustige interkulturelle Geschichtchen vorzufinden, der liegt falsch.

Trotz schnodderiger, humorvoller Sprache geht es Alshater nicht allein um nette Unterhaltung, denn hinter allem, was er schreibt, stehen bittere Erfahrungen um die finsteren Seiten des menschlichen Daseins: Der Onkel, der auch in Berlin noch Assad-Anhänger ist und ihm die Tür weist; die zunehmende Abstumpfung der Weltöffentlichkeit, die sich an Bilder toter Kinder nur allzu schnell gewöhnt; die Alpträume, in denen er das Grauen des Gefängnisses und des Krieges immer wieder erlebt.

Mit Ich komm auf Deutschland zu liegt nun also das erste Buch vor, das ein syrischer Flüchtling über seine Geschichte auf Deutsch publiziert hat. Sein Autor vermittelt darin seine unerschütterliche Überzeugung, dass Integration funktionieren kann. Von dieser Überzeugung und von seinem Leitmotiv „Humor ist nicht alles, aber ohne Humor ist alles nichts“ könnte sich so mancher hierzulande – egal welcher Herkunft – eine Scheibe abschneiden.

Firas Alshater: Ich komm auf Deutschland zu. Ein Syrer entdeckt seine neue Heimat. Ullstein Verlag, Berlin 2016. 337 Seiten, 14,99 EUR. ISBN-13: 9783864930492 Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch