Neue Studien zu Arno Schmidt und seiner Lieblingsepoche

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Arno Schmidt galt lange als Schriftsteller im Zeichen des 18. Jahrhunderts, vor allem der Aufklärung. Besonders in den 1950er Jahren stilisierte er sich gern gern zum „Schreckensmann“ in der Nachfolge von Autoren wie Karl Philipp Moritz – arm, aber hochgebildet und unbarmherzig gegen die Autoritären, was in seinem Fall die CDU, Konrad Adenauer und die Katholische Kirche meinte. Zum anderen verlangte er die Neubewertung von kanonischen, aber „falsch“ eingeschätzten Autoren wie Friedrich Gottlieb Klopstock und Christoph Martin Wieland und initiierte die Neuentdeckung praktisch vergessener Schriftsteller wie Johann Gottfried Schnabel und Friedrich de la Motte-Fouqué.

Aber stimmte überhaupt das Bild, das Schmidt von der Literatur des 18. Jahrhunderts vermittelte? Und welche Konsequenzen hatte dieses Bild für sein eigenes Schreiben? Diesen Fragen ging ein Symposium nach, das 2014 zum 100. Geburtstag des Autors in Weimar stattfand und dessen Ergebnisse nun in einem Sammelband vorliegen. Das 18. Jahrhundert wird von Herausgeber Hans-Edwin Friedrich und den Vortragenden in der Anlehnung an Schmidt weit gefasst und reicht von der Frühaufklärung bis zur Spätromantik und darüber hinaus, bis hin zu Ludwig Tieck und Edgar Allan Poe. Damit wird ein Desiderat der Forschung eingelöst, die sich lange meist mit Schmidts Rezeption einzelner Autoren aufhielt und seine Sichtweise gern tautologisch verdoppelte, während grundsätzliche Äußerungen speziell zur Aufklärung – etwa von Wolfgang Albrecht und dem schon verstorbenen Horst Thomé – bereits Jahrzehnte zurückliegen.

Der Sammelband Arno Schmidt und das 18. Jahrhundert gliedert sich in vier Teile: Im ersten, „Modelle“, geht es um Schmidts generelle Sicht auf die Zeit der Aufklärung und der Französischen Revolution sowie um die Beziehungen, in denen der Autor die Zeit zu seiner eigenen, dem mittleren 20. Jahrhundert, sah. Der zweite, „Werk-Werk-Bezüge“, thematisiert die Rezeption ausgewählter Autoren wie Matthias Claudius, Jean Paul und Christoph Martin Wieland für Schmidts eigenes Schreiben; dabei wird – etwa im Fall Johann Wolfgang Goethes – auch ihre zwiespältige, bisweilen widersprüchliche Bewertung durch Schmidt aufgearbeitet. Der dritte Part thematisiert „Funktionalisierungen“ älterer Text durch Schmidt sowohl für seine Selbstinszenierung im literarischen Feld als auch für die kritische Bezugnahme auf die eigene Zeit. Im abschließenden Teil „Verfahrensweisen“ steht das eigentümliche Vorgehen Schmidts bei der Vermittlung der Literatur zwischen 1720 und 1830 im Vordergrund, von der „Radioästhetik“ seiner zahlreichen Funkessays bis hin zur Untersuchung der Frage, was Schmidts literaturpolitische Bestrebungen denn nun tatsächlich in der Literaturwissenschaft und der allgemeinen Rezeption der diskutierten Autoren bewirkt haben.

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Titelbild

Hans-Edwin Friedrich (Hg.): Arno Schmidt und das 18. Jahrhundert.
Wallstein Verlag, Göttingen 2017.
522 Seiten, 34,90 EUR.
ISBN-13: 9783835318984

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