Ein Doppelmord und die Schatten der Vergangenheit

Mit „Redemption Point“ setzt die Australierin Candice Fox die Geschichte ihrer Helden Ted Conkaffey und Amanda Pharrell fort

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In ihrem vierten Roman Crimson Lake hat die Australierin Candice Fox – als Shootingstar der englischsprachigen Thrillerszene für ihre Eden-Archer-Trilogie (deutsch  2016–2017) von der internationalen Presse gefeiert – den deutschen Lesern vor Jahresfrist ihre neuen Helden Ted Conkaffey und Amanda Pharrell vorgestellt. Er ein Ex-Polizist, den unglückliche Umstände – er war der Letzte, den Zeugen an einer Bushaltestelle mit einem 13-jährigen Mädchen gesehen haben, das kurz darauf Opfer einer Entführung und brutalen Vergewaltigung wurde – ins Gefängnis gebracht haben. Allein für eine Verurteilung reichten die Beweise nicht. Sie nach Abbüßung einer achtjährigen Haftstrafe wegen Mordes an einer gleichaltrigen Freundin inzwischen Inhaberin einer kleinen Detektei, die einen mit Ermittlungsarbeit vertrauten Angestellten durchaus vertragen könnte. Eine bemerkenswerte Konstellation. Doch wer Foxʼ vorherige Geschichte um den Schrotthändler und König der Unterwelt von Sydney, Heinrich Archer, genannt Hades, und seine beiden Ziehkinder Eden und Eric, die es zu Top- Ermittlern der Polizei bringen und dort ihre eigenen Methoden der Verbrechensbekämpfung etablieren, gelesen hat, wundert sich über das Pärchen Pharrell/Conkaffey sicher nur wenig.

Crimson Lake heißt der kleine Ort in Australiens Norden, in dem Ted versucht, ein neues Leben zu beginnen. Frau und Kind haben ihn verlassen. Rechtlich war er zwar nicht zu belangen, aber was kümmert das eine durch sensationslüsterne Medien aufgehetzte Öffentlichkeit, die den „Kinderschänder“ nur zu bald an seinem Fluchtort aufgespürt hat und beginnt, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Amanda kommt da wie gerufen. Die furchtlose junge Frau, der die Gefängniszeit jegliche Empathie ausgetrieben hat, merkt schnell, wie verwandt ihre beiden Schicksale sind. Während Pharrell und Conkaffey in Crimson Lake das Geheimnis um einen verschwundenen Bestsellerautor lüften, versuchen sie zur selben Zeit, sich gegenseitig von den Vorwürfen zu entlasten, unter denen sie jeweils zu leiden haben.

Redemption Point nun nimmt den Faden dort wieder auf, wo er in Crimson Lake liegengeblieben war – und verbindet  die Suche nach dem wahren Entführer der dreizehnjährigen Claire Bingley erneut mit einem Fall für das Detektivduo Pharrell/Conkaffey. Diesmal wurden zwei junge Leute, Angestellte in einer dubiosen Bar, mitten in der Nacht, nachdem sie das Etablissement noch sauber gemacht hatten, ermordet. Niemand in der Umgebung der abgelegenen und keinen guten Ruf genießenden Kaschemme hat etwas mitbekommen. Warum mussten die beiden sterben? Ist der Doppelmord eine Eifersuchtstat der Freundin des jungen Mannes, eines Ortsansässigen, der sich auf eine Affäre mit einer sich ihr Geld für die Weiterreise in der Kneipe verdienenden englischen Studentin eingelassen hatte? Oder handelt es sich bei der nach dem Werk von Profis aussehenden Tat um einen mit einem älteren Verbrechen in Verbindung stehenden Raubmord?

Während Amanda von der ihr Amt als Ermittlerin vor Ort gerade antretenden, unerfahrenen und ein bisschen naiven Phillippa Sweeney eingespannt wird, um den Doppelmord im „Barking Frog Inn“ mit aufzuklären, hat ihr Partner Ted Conkaffey ganz andere Probleme. Denn eines Nachts taucht Dale Bingley, Vater der in Sydney entführten und beinahe ermordeten Claire, in Crimson Lake auf, weil er der Polizei nicht vertraut und seine Tochter selbst rächen will an dem Mann, den die Öffentlichkeit nach wie vor für den Täter hält. Da sich fast zur selben Zeit eine Jugendfreundin Teds an einen Fernsehsender wendet, um mit Enthüllungen über dessen einstiges Interesse an ihrer minderjährigen Schwester die wieder aufflammende Hysterie noch weiter anzuheizen, sieht er sich gezwungen, die Suche nach dem Psychopathen, der ihm sein Leben gestohlen hat, selbst aufzunehmen.

Geschickt verbindet Candice Fox ihre beiden Erzählstränge miteinander, lässt Ted Conkaffey als Ich-Erzähler agieren, während sie die größere Distanz zu Amanda – die auch deren eigener Distanz zur Welt entspricht – durch einen personalen Erzählgestus betont, sobald die „bunttätowierte Elfe“ mit ihrem „disfunktionalen Gefühlsrepertoire“ ins Spiel kommt. Zudem fügt sie noch eine dritte Ebene ein, in der Ausschnitte aus dem Therapietagebuch des psychopathischen Täters zunächst die Vorgeschichte des Verbrechens, für das man Conkaffey zu Unrecht an den Pranger gestellt hat, wiedergeben, ehe man sich Schritt für Schritt der Gegenwart und damit der persönlichen Begegnung zwischen den beiden Männern nähert. Dass der seine pädophilen Neigungen nicht unter Kontrolle bringende Täter während des rasanten Showdowns noch die Zeit findet, weitere Tagebucheinträge zu Papier zu bringen, ist freilich eine logische Schwachstelle des Romans, der ansonsten aber richtig gut funktioniert.

Redemption Point ist ein rasanter Thriller ohne Längen oder Spannungseinbrüche – besser und auch humorvoller noch als sein Vorgänger. Allein die Figuren des Conkaffey wider dessen Willen unterstützenden Drogenbarons Khalid Farah und seiner beiden „Mitarbeiter“, die sich hinter Frauennamen verstecken, sind es wert, in einem Folgeband wieder aufgegriffen zu werden. Mit der Kriminalistin Pip Sweeney präsentiert Fox eine weitere interessante, von inneren Widersprüchen zerrissene Figur und vergisst auch die sieben Gänse nicht, die seit den ersten Seiten von Crimson Lake Ted Conkaffeys neue Familie bilden. Und wenn der Held des Romans einen Satz mit den Worten „Gucke bitte“ beginnt, weht durch die deutsche Übersetzung sogar noch ein ganz kleiner Hauch von sächsischer Gemütlichkeit. Krimiherz, was willst du mehr?

Titelbild

Candice Fox: Redemption Point. Thriller.
Herausgegeben von Thomas Wörtche.
Übersetzt aus dem Englischen von Andrea O‘Brien.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018.
441 Seiten, 15,95 EUR.
ISBN-13: 9783518468982

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