Der Ball, der Baum und 71 Schafe

Pablo Albo erzählt von einem turbulenten Turnier fußballspielender Schafe

Von Susanne MarschallRSS-Newsfeed neuer Artikel von Susanne Marschall

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das ist dumm gelaufen, genauer gesagt: saudumm. Gerade wurde das Spiel angepfiffen, schon wird es wieder unterbrochen: Die Nummer 1 hatte kein glückliches Händchen – vielmehr Füßchen. Vielleicht hatte sie einen Krampf in der Wade oder eine lästige Fliege im Auge. Oder die Sonne hat sie geblendet. Wie dem auch sei: Der Ball sitzt jetzt jedenfalls in einer Astgabel fest, und es scheint ihm dort zu gefallen.

Schafe spielen ja möglicherweise ein bisschen anders Fußball, vielleicht sind es auch nur diese Schafe. Das fängt schon mit der Zahl an: Genau 70 Spieler müssen es sein, 35 auf der einen Seite, 35 auf der anderen. Der Schiedsrichter ist das 71. Schaf – das einzige schwarze – und das bleibt in der Mitte. Und da stehen sie dann, dicht an dicht wie die Sardinen, dass sie sich kaum mehr rühren können: Auf staksigen Strichbeinchen – da traut man ihnen schon von vornherein keinen gescheiten Pass zu – mit ihrem wolkigen Gewolle und dem etwas verständnislos-dümmlichen Blick. Los geht’s: Pfiff – Kick – Ball in der Astgabel – noch dümmlichere Gesichter…

Aber ganz so dumm sind sie auch wieder nicht: „Die Schafe versuchen, den Ball auf die eine oder andere Art wieder runterzuholen.“ Zwei Gruppen scharen sich um den Baum mit angestrengt verkniffenen Augen und rütteln, was ihre dürren Strichärmchen hergeben. Und tatsächlich, er wackelt ordentlich. Schwingt rasend schnell hin und her, dass man gleich mehrere Bäume sieht. Die restlichen Schafe haben sich dahinter aufgestellt. Konzentriert und mit gespitzten Lippen prusten sie, was das Zeug hält, stoßen wellenlinienförmig die Luft aus ihren Lungen. Nur leider sind sie keine geübten Puster: Schon kurz darauf löst sich ihr Gepruste in einem kleinen wolkigen Plopp auf. Also keine sehr große Hilfe. Aber was ist das? Da kneift doch tatsächlich eines auf der rechten Seite: Kaum zu glauben, dass sich das Schaf getraut, in so einer prekären Situation ans Fressen zu denken. Und sind Schafe nicht eigentlich Mitläufer?

Der Ball, ein Wollknäuel (ist ja klar), sitzt immer noch fest, nur die letzten gelben Blättchen segeln gen Boden: „Sie versuchen es noch einmal.“ Werfen mit Steinchen. „Und noch einmal.“ Mit Schafen.  Hurra: „Das Spiel kann weitergehen.“ Geht es aber nicht. Jetzt hängt nämlich ein Schaf im Baum fest. Und dann kreuzt auch noch der Wolf auf: Mit panisch aufgerissenen Augen sehen sie die schwarzen Ohren hinter der Bergkuppe auftauchen. Und schwupps, sitzen alle im Baum: „Er läuft vorbei. Was für ein Glück!“ Furchteinflößend waren allerdings auch nur die Ohren und nur von Weitem: Es ist ein alter Wolf, der nur noch wenige Zähne hat, und kurzsichtig ist er auch noch: Wofür sollte er sonst diese dicke Brille tragen?

Ein herrlich herzerfrischendes Bilderbuch: einfach, verspielt, überraschend. Voller skurriler Einfälle, unvorhersehbarer Ereignisse und Wendungen. Die Sprache von Pablo Albo – ein großes Lob an die Übersetzerin Mónica Hahn – ist fast schon schwarzhumorig trocken, glasklar und vollkommen schnörkellos. Und das, was der spartanische Text im Vagen lässt, buntstiftelt Guridi mit sparsam präzisen und lockeren Strichen, die umso lustvoller erzählen. Er füllt die wenigen Worte, die wie ein Zuruf sind und ein bisschen an Regieanweisungen erinnern, mit prallbuntem Leben aus abstrusen und witzigen Ideen: ein kongeniales Team, ein vergnügliches Bilderbuch. Mehr davon!

Titelbild

Pablo Albo: 71 Schafe spielen Fussball.
Illustriert von Guridi Raúl Nieto.
Übersetzt aus dem Spanischen von Mónica Hahn.
Aladin Verlag GmbH, Hamburg 2018.
44 Seiten, 12,95 EUR.
ISBN-13: 9783848901272

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