Klischee bedient?

Venedig für Eingeweihte

Von Kirsten GuddRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kirsten Gudd

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

An Hommagen auf die Schönheit Venedigs fehlt es nicht. Die Serenissima, die Durchlauchte, zieht seit jeher Künstler und Gelehrte in ihren Bann. Jedes Jahr wird der deutsche Büchermarkt aufs Neue mit Führern und Reiseberichten überschwemmt. "Einladung zum Untergang. Venezianische Hintertreppen" ist nach "Venedig. Das Insider-Lexikon" (1995 im C. H. Beck Verlag erschienen) Gaston Salvatores zweites Buch über seine Wahlheimat.

"Einladung zum Untergang. Venezianische Hintertreppen" lädt den Leser ein auf einen Spaziergang abseits der bekannten Touristenpfade zwischen Markusplatz und Rialtobrücke. Wie im venezianischen Labyrinth der Gassen verlaufen die Erzählungen Salvatores über den Wiederaufbau des Theaters La Fenice, den Karneval und das stetige Absinken der Stadt entlang zahlreicher Exkurse und Parenthesen. Spielerisch gelingt dem Autor dabei der Wechsel zwischen historischen Anekdoten und der aktuellen politischen und kulturellen Situation der Lagunenstadt. Salvatore erzählt vom Verfall der venezianischen Grandezza und von der Gefahr für die Stadt, ein modernes Disneyland zu werden. Infolge der stetig steigenden Besucherzahlen gibt es nur noch wenige Einwohner, die sich die hohen Lebenshaltungskosten leisten können und wollen. Auch die Zukunft der Künste an der Lagune ist ungewiss; längst hat Venedig seinen Ruf als Kulturmetropole verloren. So liest sich das Buch auch als Plädoyer für den kulturellen Wiederaufbau der Stadt. Interessant sind die Beschreibungen der guten Gesellschaft Venedigs in den achtziger Jahren vor dem Hintergrund der "mani pulite"-Kampagne. Hier begreift der Leser, warum der Wiederaufbau des La Fenice und die Maßnahmen gegen die stets drohende Sturmflut aufgrund von Korruption und egoistischer Motive der Politiker nur schleppend vollzogen werden.

Salvatores Insiderkenntnisse bereichern den Leser, ohne jedoch das gängige Bild der morbiden Lagunenstadt ins Wanken zu bringen: "Seit jeher kokettiert Venedig mit dem Untergang. Trotzdem gibt es keinen Venezianer, der wirklich daran glaubt." Einen großen Teil seiner Schilderungen verwendet der Autor darauf, die Venezianer zu charakterisieren: stoisch, im Winter depressiv, vergnügungssüchtig. Doch ist "der Venezianer", über den Salvatore schreibt, Inhaber großer Gärten und Teilnehmer illustrer Feste. Tatsächlich leben im historischen Teil Venedigs heute 70.000 Menschen, davon kann sich nur eine Minderheit eine Wohnung in einem Palazzo leisten. Dass Salvatore von der venezianischen Upper Class auf alle Bewohner der Lagune schließt, scheint dem, der Venedig kennt, dann doch unpassend.

"Einladung zum Untergang" ist weder Roman noch Reiseführer, vielmehr eine anschaulich und amüsant geschriebene Bereicherung für den fortgeschrittenen Freund Venedigs. Sicherlich nicht unersetzbar, doch allemal lesenswert.

Titelbild

Gaston Salvatore: Einladung zum Untergang, Venezianische Hintertreppen. Picus Lesereisen.
Picus Verlag, Wien 2000.
130 Seiten, 13,30 EUR.
ISBN-10: 3854527292

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