Reifenpannen und Gegenwind

Erlebnisreisen mit dem Fahrrad

Von Georg AmshoffRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Amshoff

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit dem Mountain Bike durch Amerika zu radeln ist vielleicht keine besonders außergewöhnliche Idee, herausgekommen ist aber doch ein unterhaltsames Buch. In drei Monaten haben die beiden jungen Österreicher Stefan und Tobias Mieke den Kontinent von West nach Ost durchquert und sind dabei tapfer 6.683 km gestrampelt. Zwar dreht sich ihr Bericht um viele technische Details, und die Begeisterung für tolle Räder und schickes Equipment ist den beiden nur allzu deutlich bis zur Penetranz. Die Beschreibung der Reise ist jedoch weder Tagebuch noch platter Abenteuerbericht, obwohl er eine gute Portion von beidem enthält. Auch treten die beiden Bücher nicht nur als harmonisches Autorenduo auf. Der Text ist durchsetzt mit Einschüben, in denen der jeweilige Bruder nicht spart mit seiner abweichenden Sicht der Dinge. Was das Buch aber wirklich unterhaltsam macht, ist der Wiener Humor: selbst die absurdesten Situationen haben für sie noch Witz, und um passende Zitate sind sie nie verlegen. "Beam' mich rüber" scheint ein ebenso ehrlicher Kommentar zur momentanen psychisch-körperlichen Situation der Extrem-Radler zu sein wie "Dead man cycling". Oder wie Curt Cobain ihrer Meinung nach gesagt hätte: "Endlich ein Nachschlagewerk für Lebensmüde".

Fazit: Im großen und ganzen zwar ein Bericht über den Ego-Trip zweier Jugendlicher auf Selbstfindungstour durch das gelobte Land der schnurgeraden Straßen, dennoch aber kurzweilig. Trotz der zahlreichen Beschreibungen über Begegnungen mit den dortigen Ureinwohnern sollte man aber keine großen Erkenntnisse in dieser Richtung erwarten - vor allem, da Micke & Co. diesen Anspruch gar nicht erst erheben.

Einen anderen Ansatz verfolgen Hermann Härtel und Maria Rennhofer. Ihr Buch ist kein simpler Erlebnisbericht, sondern die Aufarbeitung des Nachlasses eines der ersten Weltumsegler auf dem Sattel. Gustav Sztavjanik, damals ein junger Bursche, traf im Herbst 1924 mitten in Wien einen Inder, der an seinem Fahrrad herumbastelte. Der Wiener Radsportler bot seine Hilfe an, und ließ sich von dem Fremden und seiner Idee begeistern - und gemeinsam zogen die beiden weiter, zunächst kreuz und quer durch Europa, dann in westlicher Richtung um die Welt. Sieben Jahre später kam Sztavjanik wieder in Wien an, als gefeierter Held; denn er hatte großes Geschick darin bewiesen, die Öffentlichkeit durch Briefe, Zeitungsberichte und Radiointerviews auf dem laufenden zu halten. Alle Stationen ihrer Reise hatten die beiden Radfahrer dokumentiert, durch Photos, Zeitungsauschnitte und Mitbringsel, unter anderem Grußkarten vieler Prominenter, in deren Ländern ihr Weg sie geführt hat.

Zwar bemüht sich das Buch um eine historische Einordnung all dieser Dokumente, doch gelingt dies nicht immer; bei der Fülle des Materials kaum verwunderlich. Härtel und Rennhofer lassen den Radler ausführlich zu Wort kommen und ergänzen dessen Bericht um Informationen zum Reisen und zur Fahrradtechnik jener Zeit - schließlich hatten die beiden Abenteurer weder aufwendiges Equipment noch technisches Hilfswerk - sie fuhren mit Felgenbremse und kleinen Petroleumlampen. Insofern ist ihre Fahrt sicherlich entbehrungsreicher und viel anstrengender als die Unternehmungen ihrer heutigen Nachahmer gewesen, aber von einem ehrlichen Interesse an Begegnungen mit den Menschen getragen, mit denen sie auf ihrer Fahrt zusammentrafen. Oft sind sie mehrere Tage geblieben, manchmal sogar einige Wochen in ihren Gastländern, so dass ihr Bericht durchaus Einsichten in die Lebensverhältnisse der Länder zu jener Zeit geben kann. Dies ist eine besondere Stärke des Buches, denn neben der gründlichen Dokumentation der Reise vermittelt erst die kompetente Einordnung der Erlebnisse in die größeren historischen Zusammenhänge ein Verständnis für das, was die beiden mutigen Radler wirklich erlebt und erreicht haben. Die vielen Fotos illustrieren die Reise gut - die zahlreichen Faksimiles von Dokumenten und gestempelten Pässen tragen jedoch nicht viel zum Verständnis bei. Als einziger Einwand gegen dieses interessante und ungewöhnliche Reisebuch bleibt anzumerken, dass der Gefährte des Wiener Radlers, der Inder F. J. Davar, deutlich zu kurz kommt. Über ihn erfahren wir im wesentlichen nur, dass er der religiösen Gemeinschaft der Parsi angehört und aus Bombay stammt. Wir erfahren nicht, was ihn zu seiner Reise veranlasst hat, mit der er den Wiener erst auf die Idee brachte, übrigens nach einer schon durchaus beachtlichen Wegstrecke. Wie haben die beiden unterwegs zusammengelebt? Wenn darüber nur wenig Informationen vorliegen, dann weil Sztavjanik, aber nicht Davar ein Tagebuch geführt und Berichte hinterlassen hat - schade.

Titelbild

Stefan Micke / Tobias Micke: Biker's Barbecue. Die Wiederentdeckung Amerikas.
Orac Verlag, Wien 2000.
232 Seiten, 20,40 EUR.
ISBN-10: 3701504245

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Hermann Härtel / Rennhofer Maria: Mit dem Zweirad um die Welt.
Haymon Verlag, Innsbruck 2000.
160 Seiten, 29,70 EUR.
ISBN-10: 3852183278

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