Oscar Wildes Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" in einer schönen Neuausgabe

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"Ich würde gern einen Roman schreiben, der so köstlich wäre wie ein Perserteppich und ebenso unwirklich." Diesen Satz legt Oscar Wilde seiner Figur Lord Henry Wotton in den Mund. Und er trifft auch auf den Autor selbst und seinen ersten Roman zu. "Das Bildnis des Dorian Gray" scheint ein Perserteppich voller Motive zu sein, durch dessen buntes Gewirr eine Blutspur gezogen ist. Von Moral handelt der Roman, und von Mord. Schönheit wird verehrt, Unschuld verloren und dem Zynismus zugesprochen.

Dorian Gray ist jung und bildschön. Er ist so schön, dass der Maler Basil Hallward ein Bildnis von ihm anfertigt, um ihn darauf zu verewigen. Beeinflusst vom zynischen Lord Henry Wotton wünscht sich Dorian Gray, dass sein Abbild altern möge, doch er selbst immer so jung und schön bleibe, wie er ist. Der Wunsch, für dessen Verwirklichung er sogar seine Seele hingeben würde, wird erfüllt. Von nun an zeichnen sich alle Charakterzüge, sein schlechtes Gewissen und die Folgen seiner hedonistischen Lebensweise im gemalten Gesicht ab. Dorian selbst sieht weiterhin so jugendlich und unschuldig aus, als wäre sein Gesicht ein vom Leben unbeschriebenes Blatt.

Wilde schrieb in einem Brief aus dem Jahre 1894: "Dieses mein seltsames farbiges Buch enthält vieles von mir. Basil Hallward ist das, was ich zu sein glaube; Lord Henry das, wofür die Welt mich hält; Dorian das, was ich gerne sein würde - in anderen Zeiten vielleicht." Und vielleicht kann man sich vorstellen, wie facettenreich und fantastisch die Gestalt Oscar Wilde gewesen sein muß. Den exotisch wirkenden irischen Namen Oscar Fingal O`Flahertie Wills Wilde kürzte der 1854 in Dublin geborene Exzentriker bald zugunsten der Einprägsamkeit. Als Dandy war er in London bekannt, gründete erst mit 30 Jahren eine Familie und verliebte sich Jahre später in den jüngeren Lord Alfred Douglas. Diese Neigung wurde Wilde zum Verhängnis: er wurde zu Zuchthaus verurteilt und lebte nach seiner Entlassung charakterlich und finanziell gebrochen und unter falschem Namen auf dem Kontinent. Im Jahre 1900 starb Oscar Wilde, als wollte er mit seinem Ende auch das 19. Jahrhundert beenden.

"Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge", schreibt Oscar Wilde in der Vorrede zum "Bildnis des Dorian Gray". Und mit diesem Roman, schön und schrecklich zugleich, zeigt er, dass er zu Recht als Künstler von weltliterarischem Rang angesehen wird. Sein Roman ist jetzt bei Artemis und Winkler in einem schönen Band als Neuausgabe erschienen.

Sa. S.

Titelbild

Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray.
Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf 1999.
240 Seiten, 15,20 EUR.
ISBN-10: 3538068275

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