Wozu sind Männer und Schriftsteller und Frauen überhaupt gut?

Hanif Kureishi verzweifelt (fast) in seinem Roman-Bekenntnis

Von Ulla BiernatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulla Biernat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wozu sind Männer überhaupt gut?" Dieses funktionalistische Denken ist dem in die Jahre gekommenen Macho Jay fremd. Doch sonst läßt er in dieser Nacht, in der er sich für - oder gegen - das Leben mit seiner Freundin Susan und seinen beiden kleinen Söhnen entscheiden will, kein Thema aus: Sex und der Rock als "Ding an sich", Drogen, Glück, der Sinn des Lebens, Väter - und immer wieder die Liebe. "Ohne Liebe bleibt der größte Teil des Lebens verborgen. Es gibt nichts Faszinierenderes als die Liebe. Leider."

Jay suhlt sich in seiner midlife crisis. Doch nicht genug damit, daß dieses eitle Ekelpaket vor dem Leser sein Selbstmitleid, seine Wut und seinen Haß auf die Welt ausbreitet; wer den Autor von "Rastlose Nähe" kennt, den 44jährigen Briten Hanif Kureishi, weiß: Er verbrät in seinen Romanen unverfroren Autobiographisches, angefangen bei seinem Beruf als Drehbuch-Autor und die damit verbundene Oscar-Nominierung bis zu den Erfahrungen mit seinen Ex-Freundinnen. Und seit seinem ersten Erfolg, dem Drehbuch zu dem Film "Mein wunderbarer Waschsalon" (1986), haben sich seine Bekannten und die englische Literaturkritik schon mehrmals gefragt: Wozu sind aufsässige Schriftsteller wie Kureishi überhaupt gut? Schriftsteller, die das Leben anderer Menschen gnadenlos plündern und es in politisch unkorrekten Geschichten den Lesern um die Ohren hauen.

Doch im Falle dieses Romans läuft die Kritik ins Leere: Was "Rastlose Nähe" rettet, ist das im Titel angekündigte Programm, das konsequent durchgeführt wird: Kureishi rückt seinem Protagonisten unbarmherzig auf den Leib - ohne Scheu vor Tabus, vor einer klischeehaften Sprache oder altmodischen Erzählstrategien; und damit erschwert Kureishi es auch dem Leser, sich von Jays Selbstbespiegelungs-Monolog zu distanzieren. Denn was diesen doch eher abstoßenden, larmoyanten, widersprüchlichen Charakter fast schon sympathisch macht, ist seine unablässige Suche nach einer Antwort: " Ich muß etwas tun. Aber was? Vor allem aber: warum?" Der Ausweg aus dieser Sackgasse liegt für Jay darin, sein festgefahrenes Familienleben aufzugeben und im Anarchischen, Chaotischen, Spontanen und Impulsiven aufzugehen, in einer "Sorglosigkeit", wie seine Söhne sie leben - und die seiner ordentlichen Lebensgefährtin Susan schon lange abhanden gekommen ist: "Doch wenn sie zuläßt, daß ich sie jetzt sofort, hier auf dem Boden vögele, werde ich nicht fortgehen." Susan läßt es nicht zu. Wozu sind Frauen überhaupt gut?

Titelbild

Hanif Kureishi: Rastlose Nähe.
Kindler Verlag, München 1999.
128 Seiten, 15,30 EUR.
ISBN-10: 346340348X

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