Wasser bedeutet gar nichts

Martin Mosebachs Hörspiel "Das Wasser in Capri"

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

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Ganz Capri ist ohne Wasser. Ganz Capri? Gibt es nicht doch in den Gewölben des Kalksteinfelsens geheime Vorräte, die man nur anzapfen müsste? Und ruht Capri nicht auf einem Festlandsockel, der Wasseradern unter die Insel führt? Die Hoffnung der Menschen führt ehrenwerte Bürger und Vertreter der ehrenwerten Gesellschaft - Nepper, Schlepper, Bauernfänger - in dem gemeinsamen Ziel zusammen, aus dem kühlen Nass mehr Lebensqualität und Kapital zu schlagen.

Norbert Schaeffers Inszenierung von Martin Mosebachs Hörspiel "Das Wasser in Capri" beginnt und endet mit einem Lob der Zisterne. Raunende Stimmen, von Wassertropfen begleitet, imaginieren Ströme von Wasser, die sich tief in der Erde klären sollen. Doch die Zisterne ist keine Alternative zum frischen Quell, sie ist Brackwasser, Faulwasser, Schlammwasser, Sinnbild einer Gesellschaft, in der es keine Erneuerung und kaum soziale Bewegung gibt.

Statisch ist auch die Inszenierung: Ein südlicher Trauermarsch verbindet blechern den Stimmenreigen. Nicht der Dialog, sondern der Monolog charakterisiert das Stück: Der Geologe (Walter Gontermann), der Wünschelrutengänger (Gottfried Breitfuß), der Skeptiker (Friedrich von Bülow), der Künstler (Felix von Manteuffel) - sie alle dokumentieren den verständlichen Wunsch der Menschen nach Wasser. Der Geologe befindet in seinem Ferngutachten, ein Kalksteinmassiv ohne Wasser sei undenkbar. Das Capri-Massiv sei löcherig wie ein Käse und vollgesogen wie ein Schwamm: "Die Natur duldet nichts Hohles". Sogar die Römer seien auf Capri gewesen, und die römische Kultur sei die "Wasserkultur schlechthin".

Alle wollen glauben, was so unwahrscheinlich klingt. Selbst der Wünschelrutengänger kann dem Druck der kollektiven Erwartung nicht länger widerstehen. Sein Bekenntnis "ich durfte doch nicht lügen" ist das performative Eingeständnis seiner Lüge, er spüre die Wasser von Capri als Reißen in den Gliedern. "Visionär muss man sein", glaubt auch der (wohl falsche) Baron, eine Figur, die besonders plastisch wird, auch wenn sie selber gar nicht auftritt. Dieser Baron hat den Insulanern die "dumme Geschichte mit der Bürgschaft" eingebrockt. Gleichwohl sprechen sie in den höchsten Tönen von ihm, dem Parvenü, der dreimal am Tag seine Anzüge wechselt. Ein Hochstapler von altmodischem Format.

Der ironische Gestus der Inszenierung nervt, die Sprache der Textvorlage bleibt spannungslos. Norbert Schaeffer hat sich ein witziges Stück vorgestellt, doch er hat es übertrieben satirisch und zerdehnt realisiert. Das Hörspiel ist in seiner Künstlichkeit von Anfang an entschieden, lässt keinen Zweifel daran, dass die Hoffnung trügerisch ist, dem "ewigen Verzicht" auf frisches Wasser entfliehen zu können. Illusion oder auch nur Perspektive bleiben aus, das Wasser als Sehnsuchtsmoment bekommt etwas Imaginäres, Unwirkliches: "Wasser ist gar nichts." Weder Thema noch Form. Der Katzenjammer des südlichen Trauermarsches und das Lob der Zisterne beschließen das Stück, das in seiner Rondo-Form farblos bleibt und auf der Stelle tritt. Es lullt und schläfert ein. Nur der Zyniker widersteht dem Gemurmel der Waschweiber und dem Zweckoptimismus der örtlichen Repräsentanten: "Man stirbt gut ohne Wasser".

Kein Bild

Martin Mosebach: Das Wasser von Capri. Hörspiel. Regie Norbert Schaeffer. Ursendung hr2, Sonntag, 12.11.2000.
Hessischer Rundfunk, 2000.

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