Die Straßen von San Francisco

Karl Malden in seiner Autobiographie

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wir kennen Karl Malden, eigentlich Mladen Sekulovich, als Detective Lieutenant Mike Stone aus der Serie "Die Straßen von San Francisco" (1972 - 1977). An der Seite von Michael Douglas spielte er den knollennasigen älteren Herrn, der dem Bösen mit Verstand, Charme und Lebenserfahrung zu Leibe rückt, der seine Fälle ohne blinden Aktionismus zu lösen weiß und meist auch auf die Waffe verzichten kann.

Karl Malden alias Mladen George Sekulovich wurde am 22. März 1912 in Chicago geboren. Sein Vater stammte aus Serbien, seine Mutter aus Böhmen, und beide sprachen kein Wort Englisch, als sie sich in Gary, Indiana, unweit von Chicago niederließen. So ging es auch Mladen, als er eingeschult wurde. Doch als er später die Highschool besuchte, war seine Leidenschaft für die englische Sprache erwacht. Er besuchte die Theater-AG und spielte den Zigeunerkönig in der Operette "Das böhmische Mädchen". Sein Traum war es, Schauspieler zu werden, doch die Familie konnte ihm die Ausbildung nicht finanzieren. Drei Jahre arbeitete er als Stahlwerker und sparte jeden Dollar, den er erübrigen konnte. Schnell wurde ihm bewusst, dass er in der Falle saß, wenn er den Absprung nicht schaffte.

Im September 1934 fuhr er nach Chicago, um sich beim Goodman Theatre, einer Schauspielschule, zu bewerben. Hier bekam er seine erste Ausbildung, hier lernte er seine spätere Frau Mona Greenberg kennen. 1937, nach Ende der Ausbildung, begannen die Jahre der Wanderschaft, oft von Arbeitslosigkeit, Not und Angst vor Zurückweisung begleitet. Eindrucksvoll beschreibt Malden seinen Minderwertigkeitskomplex: er, der nie ein College besucht hatte, tat sich schwer, um Rollen zu kämpfen. Doch Freunde halfen ihm. In New York wurde er ins Ensemble des Group Theatres aufgenommen. Harold Clurman und Elia Kazan, die Leiter der "Group", waren es auch, die Mladen Sekulovich baten, seinen Namen zu ändern; sie wollten dem Eindruck entgegentreten, dass die Group ein jüdisches Theater sei und waren der Auffassung, dass Sekulovich jüdisch klinge. Voller Gewissensbisse entsprach Malden dem Wunsch seiner Arbeitgeber: "So I flipped the 'l' and the 'a' in my first name and came up with Malden"; seinen neuen Vornamen entlehnte er vom Großvater mütterlicherseits.

Der Namenswechsel machte Karl Malden lebenslang zu schaffen. Und wo immer es ging, hielt der spätere Filmschauspieler die Erinnerung an seinen eigentlichen Namen wach: "Underneath my agreeability, I felt enormously guilty. I would spend most of my film and television career trying to make up for that guilt by interjecting the Sekulovich name wherever I could - engraved in a nameplate on someone´s desk, called out as part of army roll call or to a detective in the station house in `The Streets of San Francisco´."

Karl Maldens Autobiographie ist eine anrührende Kleinbürger- und Künstler-Geschichte. Sie führt den Leser durch Jahre der Depression, sie zeigt den langsam-stetigen Aufstieg des Schauspielers in den 50er Jahren am Broadway und die späte Erfolgszeit, sie entwirft eindrucksvolle Porträts berühmter Kollegen wie Marlon Brando oder Barbra Streisand.

Malden spielte in den unterschiedlichsten Filmen und Genres. Sein Erstling hieß 1940 "They Knew What They Wanted", gefolgt von Filmen wie "Gypsy", "Bombers B-52", "Birdman of Alcatrez", "How the West Was Won", "The Hanging Tree", "Fear Strikes", "One-Eyed Jacks" und "Waterfront" (1954). Für seine Rolle als Mitch in "A Streetcar Named Desire" bekam er 1951 den begehrten Oscar, aber sein Weltruhm setzte erst mit der Cop-Serie "Die Straßen von San Francisco" ein. 1988 wurde Malden Präsident der "Academy of Motion Picture Arts and Sciences" und blieb es drei erfolgreiche Jahre lang.

Beklemmend berichtet Malden von den Treibjagden Joseph McCarthys in den 50er Jahren, als auch viele Schauspieler der "unamerikanischen Umtriebe" bezichtigt wurden. Seine Autobiographie ist bildhaft erzählt, wie ein "Shot" mit Steve McQueen ("Cincinnati Kid") belegt:

"I had always heard stories about some of the old-time stars refusing to let another actor touch them - to break the aura around them - but I had never encountered that personally until working with Steve. During one scene, I happened to put my hand on his shoulder. He stopped cold and said, `Don´t ever touch me.´ - I must have smiled because he snapped, `Do you have a problem with that?´ - I said, `No, but where did you ever pick that up?´ - `I just don´t like it.´ - So that was that. We did the scene again and this time I didn´t lay a finger on him."

Malden respektiert McQueens Wunsch, aber er versteht ihn nicht. Er glaubt, Steves "noli me tangere" sei eine Attitude von Old-Time Stars. So entwirft er hier eine Ibsen-reife Situation, die von einem Teil des Publikums sofort verstanden, von einem anderen Teil des Publikums als "Arroganz" oder "Unsicherheit" missverstanden würde. Beides, Verstehen und Nicht-Verstehen, nimmt der Szene nichts von ihrer Wirksamkeit. Der sympathische Mann mit der Knollennase ist ein lebendiger Erzähler, er hat es im Leben richtig gemacht und ist seinen Weg gradlinig gegangen: "I was ready to go where the good parts were. (And still am.)"

Titelbild

Karl Malden: When Do I Start? A Memoir. With Carla Malden.
Limelight Editions, London 1998.
368 Seiten, 25,60 EUR.
ISBN-10: 0879102721

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