Zurück in den Dienst

Henning Mankells Roman "Der Mann, der lächelte"

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Für die ständig wachsende Fangemeinde von Henning Mankells Hauptfigur Kurt Wallander wird die Zeit zurückgedreht, denn im schwedischen Original erschien "Der Mann, der lächelte" bereits 1994. Die Leser sind in diesem Fall die Leidtragenden der manchmal schwer nachvollziehbaren Mechanismen des Buchmarktes. Die nicht chronologisch erfolgten Übersetzungen können beim Blick auf die Wallander-Vita zu Verwirrungen führen, denn sein Kollege Svedberg weilt nämlich (aus besagten Gründen) unvermittelt wieder unter den Lebenden und alle eingefleischten Mankell-Fans wissen auch, dass Wallanders in diesem Roman einsetzendes Werben um eine Witwe aus Riga später erfolglos endet.

Die Handlung des neuen 'alten' Romans, der mit einer Startauflage von 150.000 Exemplaren ins Buchmarkt-Rennen geschickt wurde, setzt an einem nebligen Oktobertag des Jahres 1993 ein. Wallander befindet sich auf ärztlich verordnetem Erholungsurlaub, weil er im Dienst einen Menschen erschossen hatte. Mit Alkohol und Beruhigungsmitteln versucht er seine "Schuldgefühle" zu bekämpfen. Er ringt sich in der Abgeschiedenheit dazu durch, nach 25 Jahren den Dienst zu quittieren.

Doch an seinem relativ geheim gehaltenen Erholungsort erhält Wallander plötzlich Besuch durch den befreundeten Anwalt Sten Torstensson, und man ahnt sogleich, dass der angeschlagene Kommissar wieder zur Polizei nach Ystad zurückkehren wird.

Sten Torstensson berichtet vom mysteriösen Unfalltod seines Vaters Gustaf, der auf der Rückfahrt von einem Klienten im dichten Nebel auf gerader Strecke verunglückt sein soll. Die Polizei hegte keinerlei Zweifel, wohl aber der Sohn. Die Kehrtwende in Wallanders Leben tritt ein, als er nach seiner Rückkehr nach Ystad die Todesanzeige des jungen Torstensson liest, der ihn noch wenige Tage zuvor - in höchst erregtem Zustand - aufgesucht hatte.

Wallander kehrt zurück in den Dienst; sein Gesundheitszustand hat sich gebessert, seine Motivation ist - bedingt durch das persönliche Erlebnis - stärker als je zuvor. Zunächst studiert er die Akten des angeblichen Autounfalls des Senior-Rechtsanwalts und stößt schnell auf einige Ungereimtheiten, die seinen Kollegen entgangen waren. Sofort vertritt Wallander die These, dass die Todesfälle der beiden Torstenssons zusammenhängen und dass auch der Senior keines natürlichen Todes gestorben ist.

Wie sich bald herausstellt, haben Wallanders Kollegen geschlampt, denn auch der alte Torstensson ist Opfer eines geschickt getarnten Verbrechens geworden. Die Ermittlungsfäden beider Fälle ziehen sich zu einem Netz zusammen, in dessen Zentrum das Schloss Farnholm liegt. Dort residiert der mächtige Alfred Harderberg, Gustav Torstenssons zahlungskräftigster und zuletzt einziger Klient: ein sonnengebräunter Mann um die Fünfzig, der immer lächelt und bevorzugt blaue Maßanzüge trägt. Mit Export- und Importgeschäften in aller Welt hat es Harderberg nicht nur zu stattlichem Reichtum, sondern auch zu großer gesellschaftlicher Reputation gebracht. Doch irgendwie war ihm der alte Torstensson auf die Schliche gekommen.

"Was wir zu fürchten haben, ist nicht die Unmoral der großen Männer, sondern die Tatsache, daß Unmoral oft zu Größe führt." Dieses Tocqueville-Zitat ist dem Roman leitmotivisch vorangestellt und charakterisiert Harderbergs Werdegang. Der Roman lebt weniger von der Spannung als andere Mankell-Romane, und das nicht nur, weil schon früh alle Zeichen in Richtung Schloss Farnholm deuten - auch die Landmine im Garten der Torstensson-Sekretärin und die Bombe im Tank von Wallanders Dienstwagen verweisen auf des Rätsels Lösung. Auch im "Mittsommermord" stand der Täter schon früh fest. Doch darin ging es um die Aufklärung eines 'normalen' Verbrechens. Jetzt musste es wohl ein ganz besonderer Fall sein, um den Kommissar nach seinem seelischen und körperlichen Zusammenbruch (so endete das Vorgängerwerk "Die weiße Löwin") wieder auf den Ermittlerpfad zurückzubringen. Der tugendhafte Wallander, der sich immer zum Ziel gesetzt hatte, "die schlimmsten Verbrecher von der Straße zu holen, damit die Menschen in etwas größerer Sicherheit leben", muss dazu den Kampf gegen die international operierende Kriminalität in der Person Harderbergs aufnehmen - und natürlich gewinnen.

Doch dieser mit großen plakativen Pinselstrichen angelegte Fall will nicht recht überzeugen, weil Autor Henning Mankell zwischen den Zeilen allzu stark moralisiert und in der Harderberg-Figur einen geradezu dämonisch wirkenden menschenverachtenden Kapitalisten als überdimensionales Feindbild installiert.

Als Leser wissen wir, dass Henning Mankell schon ein Jahr später in "Die falsche Fährte" wesentlich subtiler gearbeitet und mit diesem Roman den Wallander-Boom ausgelöst hat, der mit dem zuletzt erschienenen "Mittsommermord" (2000) seinen bisherigen Höhepunkt erreichte. Nun laufen noch die Übersetzungsarbeiten für "Die Brandmauer" und "Pyramiden" (die beiden ältesten Wallander-Fälle). Danach will Autor Henning Mankell die Wallander-Tochter Linda auf Ermittlungstour schicken. Mal abwarten.

Titelbild

Henning Mankell: Der Mann der lächelte. Roman.
Übersetzt aus dem Schwedischen von Erik Glossmann.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2001.
382 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3552049916

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