Blut und Hoden

Jan Offs Erzähl- und Gedichtband "Hanoi Hooligans"

Von Klaus Cäsar ZehrerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Cäsar Zehrer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Auf der Rückseite des Taschenbuchs prangt das Gütesiegel "National Slam Champion 2000". Es weist darauf hin, dass Jan Off im vergangenen Jahr die "Deutsche Meisterschaft" der Slam-Poeten gewonnen hat. Slam Poetry funktioniert so: Mehrere Autoren bekommen jeweils etwa fünf bis acht Minuten Zeit, um sich in einem Raum voller unbequem stehender, rauchender, trinkender und nicht unbedingt mit einem Germanistikstudium ausgestatteter Menschen mit einem verlesenen, deklamierten oder gesungenen Text auffällig zu machen. Wer am besten ankommt, gewinnt, und wie man schreiben muss, um zu gewinnen, das lässt sich hier nachlesen.

Nämlich: Tough, tough und nochmals tough. Die uralte Bukowski-Masche scheint immer noch zu ziehen. Sex & Crime, Blut und Hoden, dazu allerlei Drogensperenzchen, eine möglichst abgefuckte, versiffte Szenerie und abgerissenes Personal, so grell überzeichnet wie möglich, dazu solche Anfangssätze: "Sie war eine Göttin, eine scharfgemachte Handgranate, eine Teenage-Sex-Maschine mit roten Haaren und einem Körper, der das Adjektiv 'pneumatisch' selbst einem Sonderschüler veranschaulicht hätte." Es ist, kurz gesagt, ziemlich einfach.

Die beste Geschichte des Bandes ist die einzige realistische, denn viel interessanter als die zwar nicht unwitzig erzählten, aber herzlich erwartbaren Kraft- und Potenzphantasien ist der distanzierte Rückblick eines Insiders auf die Randale in Brokdorf, damals, vor zwanzig Jahren: "Unsere Antriebskraft bestand in der nicht unbegründeten Aussicht auf Krawall und jugendfreie Wehrertüchtigung. Wir waren Punkrocker - der eine mehr, der andere weniger. Wir wollten nicht zeigen, dass wir gegen Atomkraft waren. Wir wollten zeigen, dass wir gegen alles waren - gegen alles, was unsere marodierenden Gehirne als feindlich bezeichneten. [...] Wir hassten alles, was sich nur einen Hauch von uns selbst unterschied. Wir waren intolerant bis zum Anschlag, aber wir wussten nichts davon. Hätte uns irgendein Sozialarbeiter auf diesen Umstand hingewiesen - er hätte umgehend ein paar aufs Maul bekommen."

Das ist nicht schlecht. Das ist sogar ziemlich gut. Aber wer einen Poetry Slam gewinnen will, halte sich doch besser an die rothaarigen Teenage-Sex-Maschinen.

Titelbild

Jan Off: Hanoi Hooligans.
Ventil Verlag, Mainz 2001.
144 Seiten, 9,70 EUR.
ISBN-10: 3930559803

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