Am Anfang ist ein leeres Blatt

Hochschullehrer geben Studierenden Tips zum kreativen wissenschaftlichen Schreiben

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Keine Angst vor Anfängen" empfiehlt Wolfgang Fritz Haug, Professor für Philosophie an der FU Berlin, wenn es darum geht, eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben. Jeder Anfang müsse zum Material werden, auch zum Spielmaterial. Vielleicht bildet der Anfang bald schon die Mitte - und am Ende den Schluß.

Wer über einer leeren Seite sitzt, hat oft schon Angst vor einer Blockade. Warum also nicht mit dem Ende anfangen? Oder mittendrin loslegen, das schon sagen, was man schon sagen kann? Warum nicht auch bekennen, dass jeder Weg auch Abwege enthält, dass jede wissenschaftliche Arbeit es auch ständig erfordert, überdacht und neu konzipiert zu werden? Wolf-Dieter Narr, Professor für Politische Wissenschaft an der FU Berlin, warnt ausdrücklich davor, immer nur die glatte Fassade der wissenschaftlichen Arbeit zu zeigen. Auch das Umwegige, abgebrochene, einleuchtend verbesserte kann einer wissenschaftlichen Arbeit Farbe und Relief geben. Narr meint natürlich nicht den Flüchtigkeitsfehler, den grammatikalisch insuffizienten Satz oder den Kaffeefleck auf dem Manuskriptpapier, sondern den Fortgang der Argumentation, der ruhig auch den gedanklichen Kosmos des wissenschaftlich Schreibenden mit abdecken soll.

Einer der schönsten Beiträge dieses Bandes stammt von Ekkehard Krippendorf, der - völlig zurecht - darauf hinweist, dass jede wissenschaftliche Arbeit auch Muße erfordert, eine großzügige Zeitplanung, 'open end' gewissermaßen, damit sich der Geist im Raum entfalten kann. Andere Beiträge widmen sich weniger schönen Aspekten des Schreibens, dem "Broken Englisch" etwa, dem Pidgin der Wissenschaftler (Ferdinand Hucho, Carsten Hucho), dem Schreiben in einer fremden Sprache, die für beide Seiten, Rezipient wie Produzent, nicht selten eine Qual bedeutet, in einer modernen "Scientific Community" jedoch unverzichtbar ist.

In fünf Kapiteln versammelt das vorliegende Buch sehr zu empfehlende Beiträge zur Kritik und Praxis des wissenschaftlichen Schreibens: I. Ratschläge für Studierende aller Fachrichtungen; II. Ratschläge für Studierende der Geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer; III. Ratschläge für Studierende der naturwissenschaftlichen Fächer; IV. Ratschläge für Studierende der Fächer Mathematik, Germanistik, Lehrerstudium, Volkswirtschaft, Rechtswissenschaft; und V. schließlich Ratgeber- und andere Literatur zum Thema "Wissenschaftliches Schreiben".


Titelbild

Wolf Dieter Narr / Joachim Stary: Lust und Last des wissenschaftlichen Schreibens. Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer geben Studierenden Tips.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1999.
284 Seiten, 11,70 EUR.
ISBN-10: 3518290371

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