Den Griffel gab ich zur Mistgabel

Olaf Velte nimmt die Dichtung allzu schwer

Von Bettina AlbrechtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Bettina Albrecht

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Für einen nebligen Novembernachmittag scheinen Gedichte wie die von Olaf Velte genau das Richtige zu sein: sie führen einen in die herbstliche Natur, vornehmlich auf Viehweiden oder Bauernhöfe, ohne dass man selbst in die matschgetränkten Gummistiefel zu schlüpfen brauchte. Doch legt Velte den Kragen aus Erde allzu eng um den Hals der Leser: Landluft können sie kaum schnuppern. Die Luft ist ihnen abgeschnürt.

Velte bemüht sich stets, durch schwergewichtige Ausdrücke und Bilder eine todernste dumpf-archaische Stimmung herzustellen, womit er von fern an Johannes Bobrowski oder Peter Huchel erinnert. Aber er übertreibt: "Lederklauen", "Eichengeäst", "Deckengebälk", "Köterverbiss", "Buchsverhau". Auch mit der Lautmalerei treibt er es zu weit, wenn etwa von "unflätigem Gehaue" die Rede ist, nach dem die "leere Scheide / blechern schleifend / über ein Gestein" gezogen wird. Seine Verse holpern ungehobelt. Und obwohl die Worte knarren wie die Wälder der urtümlichen Landschaft, die er zeichnet, kann Velte sich durchaus nicht mit seinen Vorbildern messen.

Die angestrebte Bodennähe wird durch angestrengt eingebaute Zitate von Heinrich von Kleist, Christian Dietrich Grabbe und Ernst Barlach ins Artifizielle gezogen. Man spürt die Anstrengung und kann sie sich doch nicht erklären. Der Schulterschluss mit der primitiven Ursprünglichkeit gelingt Velte nicht. Im Glossar muss er seinen Lesern unter anderem diese Zitate sowie einige altertümliche Ausdrücke verständlich machen und sich damit als Poeta doctus zu erkennen geben. Die gewollte Rätselhaftigkeit der Gedichte wird allzu gern zum Selbstzweck. Sie liefert zu wenig Stimmungswerte und erzeugt oft eine leere Unverständlichkeit.

Positiv fallen dagegen die wenigen Gedichte auf, die die Sache nicht so sehr ernst nehmen und keine Erklärungen nötig machen. Besonders erfrischend ist es, wenn Velte aus ungewöhnlichen Perspektiven schreibt und der Sprecher die Welt der Landwirtschaft aus den Augen eines "kläglichen Rindes" oder eines "geflammten Kardinals" sieht, der laut Glossar eine "sehr alte Apfelsorte" ist.

Meist jedoch spricht der einfache Bauer. Besser gesagt: der einfache Bauerndarsteller, der zum Griffel greift um sich auf die Suche nach den Ahnen zu begeben, deren Spuren er "in allen Winkeln" zu entdecken glaubt. Viele der Gedichte sind lokal fest verankert; wo auch immer die Straße nach Rodheim, an der der ehemalige Steinbruch Adamsberg laut Glossar zu finden ist, liegen mag: hier muss die Zeit stehen geblieben sein.

Unweigerlich drängt sich dem Leser irgendwann die Frage auf, ob Velte selbst wohl eher ein Dichterbauer oder ein Bauerndichter ist: Ob er also Gedichte über eine bäuerliche Welt schreibt, weil er selbst Teil von ihr ist, oder weil er sich als Stadtmensch nach dem einfachen Landleben sehnt und seiner Bewunderung für die arbeitsame Landbevölkerung Ausdruck verleihen will, die "mit einem Griff die / Heuballen prüfen / das Euter der besten / Kuh".

Wie dem auch sei, das körnige Vollkornbrot, in das Velte seine Leser beißen lässt, mag nicht so recht schmecken: Es ist zu trocken und liegt schwer im Magen. So bleiben seine Gedichte Rätsel, die man nicht lösen will.

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Olaf Velte: Ein Kragen aus Erde. Gedichte.
Axel Dielmann Verlag, Frankfurt a. M. 2000.
78 Seiten, 11,20 EUR.
ISBN-10: 3929232383

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