Du sollst nicht falsch wider deinen Nächsten reden

Nick Page verschweigt, wovon die Bibel erzählt

Von Stefanie SchwaratzkiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Schwaratzki

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Zwölf-Propheten-Rollen von Qumran, die vor rund fünfzig Jahren von einem arabischen Hirtenjungen in einer Höhle gefunden worden sind, geben bis heute Anlass zu vielerlei Spekulationen. Nur eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern durfte sich seither mit den biblischen Dokumenten befassen, die vermutlich dem ersten bis zweiten Jahrhundert vor Christus entstammen. Aus diesem Grund kursierte lange Zeit das Gerücht, der Vatikan wolle diesen Ausschluss der Öffentlichkeit, da der brisante Inhalt der Schriftrollen die Kirche in ihren Grundfesten zu erschüttern drohe.

Heute, fünfzig Jahre nach diesem sensationellen Fund, steht die Kirche wieder einmal vor solch einem Problem: der "Akte Qumran". Insgesamt 16 Aktenordner trotzten in einem Stahlrollenschrank in einer Höhle nahe derjenigen, wo einst die Zwölf-Propheten-Rollen entdeckt wurden, dem Lauf der Zeiten. In diesen Ordnern sind denkbar heikle Informationen enthalten, die, von der Bibel verschwiegen, endlich einen Zugang zu der Gemeinschaft der Gläubigen und vielleicht auch der Ungläubigen finden können, sofern deren Allgemeinwissen ein wenig Bibelkunde mit einschließt. Nun endlich erfährt das fromme Kirchenvolk die zum Teil recht grausamen Wahrheiten über gewisse Ereignisse, die der Bibelfeste so bisher sicher nicht kannte.

Zu verdanken haben wir diesen spektakulären Einblick in bis dato unerforschtes Terrain dem Engländer Nick Page, der der unwissenden Menschheit bereits vor zwei Jahren die wichtigsten Schlagzeilen der Bibel in der Boulevardpresse präsentierte. Nun hat er mit der "Akte Qumran" endlich auch das Archiv dieses "Bibelblattes" (1999) entdeckt: "unschätzbare Zeugnisse aus biblischen Urzeiten".

Vermittels dieses spektakulären Fundes erhält der Leser beispielsweise Einblicke in das sehr aufschlussreiche Tagebuch von Adam, der schockierenderweise bei der Namensgebung seiner gottgegebenen Gefährtin zwischen dem gutbürgerlichen "Eva" und dem modernen "Barbie" schwankte. Adams ungemein sorgfältigen Aufzeichnungen ist des Weiteren zu entnehmen, dass ihm die Ursache für die mysteriöse "massive Schwellung am Unterleib" seiner Frau erst bei der Geburt seines dritten Sohnes in vollem Ausmaß bewusst geworden ist...

Vom ersten bis zum zweiten Buch Mose existiert chronologisch zu jeder populäreren Bibelpassage ein Ordner der "Akte Qumran". Sogar ein medizinisches Gutachten zu der Kinderlosigkeit Abrahams und Saras ist hier detailliert überliefert, die der hinzugezogene Arzt sich übrigens damit erklärte, dass "a) sie ein Nomadenleben führen und b) beide beinahe zwei Generationen älter sind als alle Paare, die [ich] jemals wegen Kinderlosigkeit behandelt habe."

Nach Moses' Exodus ist die Überlieferung fatalerweise nicht mehr konsequent fortgeführt worden, was den Bibelkenner einfach stören muss, dem Unwissenden allerdings vermutlich überhaupt nicht auffallen wird. Eine Erklärung dafür könnte natürlich sein, dass die fehlenden Akten im Verlauf der Jahrtausende mutwillig oder auf natürliche Art und Weise vernichtet wurden. Allerdings wird der empörte Leser wohl eher die gotterbärmliche Bequemlichkeit und Nachlässigkeit des Überliefernden kritisieren müssen, denn ein stählerner Schrank konserviert solche Dokumente im Allgemeinen recht gut.

Fakt ist: es fehlen in der "Akte Qumran" definitiv große Teile des Alten Testamentes, und die wenigen Überlieferungen zum Neuen Testament scheinen nicht im Einklang mit den anderen Akten zu stehen, so zum Beispiel der Brief von "Inge vom Reisebüro" an Paulus zwecks "erste Missionsreise, 46 nach Christus". Zwischen diesem und dem in der "Akte Qumran" überlieferten Schriftstück liegt als erwähnenswertes Ereignis immerhin das Leben und Wirken Jesu Christi, also ein nicht unerheblicher Teil der biblischen Überlieferung.

Dieser Umstand ist - Gott sei Dank - nicht ganz so misslich, weil die erhaltenen Dokumente zumindest einen Teil derjenigen Geschichten der Bibel neu erzählen, die in ihrer ursprünglich bekannten Form auch schon interessant waren. Dazu gehören unter anderem Delilas gemeiner Verrat an Simson, der "Kampf des Jahrhunderts" zwischen David und Goliath, König Salomos aufsehenerregender Tempelbau und vor allem dessen überaus intelligente Weisheiten, zu denen laut "Akte 10" folgende gehört: "Zu viele Schriftsteller verderben den Buchmarkt". Da stellt sich doch dem geneigten Leser die Frage, ob Salomo von der späteren Veröffentlichung seiner Geistesblitze wusste?

Titelbild

Nick Page: Akte Qumran. Was die Bibel verschweigt.
Echter Verlag, Würzburg 2000.
140 Seiten, 10,20 EUR.
ISBN-10: 3429022606

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