Nichts Neues aus der Lagune

Donna Leons neunter Brunetti-Fall

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dieses Mal ist der Commissario und seine Familie selbst betroffen: Im neunten Band von Donna Leons Krimireihe um Commissario Brunetti behauptet Signor Rossi, ein Beamter des Katasteramtes, dass weder eine Baugenehmigung noch irgendwelche Pläne von Brunettis Wohnung existierten und er daher mit Zwangsmaßnahmen zu rechnen habe. Brunetti hatte die Wohnung in gutem Glauben erworben.

Soweit der Aufhänger des Romans: Korruption und Misswirtschaft sollen die Themen sein. Das Leben der Brunettis fließt im Anschluss an die Nachricht wie gewohnt dahin, man liest die griechischen Klassiker, isst gerne und gut und überlegt sich nebenbei, wie man entweder mit Hilfe der angesehenen Verwandtschaft - Brunettis Frau ist eine venezianische Adelige - oder der eigenen Beziehungen das Problem lösen kann.

Erst geraume Zeit und diverse Seiten später beginnt der eigentliche Kriminalfall: Signor Rossi wird tot aufgefunden, er ist bei der Überprüfung eines Hauses von einem Baugerüst gestürzt und im Krankenhaus nach dubioser Versorgung gestorben. Arbeit also für Brunetti, der selbstverständlich nicht an einen schlichten Unfall glaubt. Im Verlauf von Brunettis Ermittlungen werden diverse Nebenschauplätze besichtigt, etwa der Tod eines Fixerpärchens, die Affäre um den Sohn seines Vorgesetzten und der Tod eines Studenten an einer Überdosis Heroin. Viel miteinander zu tun haben diese Stränge nicht, manche werden in Verbindung zu Rossi gebracht, andere verlaufen schlicht im Sand. Man hat den Eindruck, sie sind fast nur dazu da, um die zugegebenermaßen dünne Haupthandlung zu strecken.

Überhaupt wirkt das Ganze mittlerweile etwas abgenutzt. Die ersten Fälle um den venezianischen Beamten waren noch kurzweilige, abwechslungsreiche und lesenswerte Krimis, getragen vom morbiden Charme der Lagunenstadt und dem kantigen Charakter des Protagonisten sowie einer ganz eigenen Spannung. Die letzten Folgen der Reihe sind dagegen eher lieblos heruntergekurbelte Alltagskost. Die Handlung wird von Band zu Band dünner, immer länger dagegen und geradezu ermüdend werden die detailreichen Schilderungen von Brunettis Wohnung, seiner Familie, seiner Arbeit und seiner Wege durch Venedig. Der neunte Brunetti-Fall ist der bisher spannungsärmste.

Vielleicht würde der Reihe und auch Donna Leon eine Pause ganz gut tun, um neue Ideen zu entwickeln, sie genauer auszuarbeiten und etwas für die Charaktere zu tun. Doch ungeachtet der Qualität des Buches ist ein erneutes Erstürmen der vorderen Bestseller-Plätze zu erwarten.

Titelbild

Donna Leon: Feine Freunde. Commissario Brunettis neunter Fall. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Monika Elwenspoek.
Diogenes Verlag, Zürich 2001.
334 Seiten, 20,40 EUR.
ISBN-10: 3257062710

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