Die Insel der Affen

George Sands Winterreise nach Mallorca

Von Christina BacherRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Bacher

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im November 1838 ging George Sand mit ihrem damaligen Lebensgefährten Frederic Chopin und ihren Kindern Maurice und Solange auf Mallorca an Land und verbrachte vier Wintermonate auf der Insel. Grund genug für viele Verlage, ihre frühe Reisebeschreibung "Ein Winter auf Mallorca" in unterschiedlichster Aufmachung in regelmäßigen Abständen auf den Markt zu werfen. "Die Vorsicht des Spaniers und das Mißtrauen des Insulaners" entdeckt George Sand nun auch bei Goldmann. Auf Umwegen gelangt die Gruppe um die Schriftstellerin, die in Paris mit Berlioz, Balzac, Liszt und anderen Intellektuellen Umgang pflegte, ins beschauliche Valdemossa an der Westküste Mallorcas, wo sie in einer Klosterkartause überwinterte. Sand verleiht ihrem "Gram und Ärger" Jahre nach der Reise - angeregt durch die Zeichnungen J. B. Laurens - nochmal zünftig Ausdruck. Einerseits könne der erbärmliche mallorquinische Bauer "nur beten, singen und arbeiten", andererseits sei er zu faul und zu dumm für Rindermast und Kühemelken. Die "fanatische Gottesfurcht" der Einheimischen schreckte die französischen Besucher so sehr ab, dass man demonstrativ um die Kirche einen großen Bogen machte. Da bleiben Sanktionen nicht aus. So habe man im Falle Sand wegen der versäumten Gottesdienstbesuche die Marktpreise so kalkuliert, dass der von Krankheit geschwächte Chopin nur noch kränker geworden sei: "Wir mußten in der Tat fasten". So lesen sich Sands Beschreibungen wie Rachegelüste und bar jedes Einfühlungsvermögens einer fremden Kultur gegenüber. Als Erklärung soll schließlich herhalten, dass man sich der "Kreaturen [...], die menschliche Form haben" eben erwehren musste. "Wir hatten Mallorca die Insel der Affen genannt, denn da wir uns von heimtückischen, plündernden und dennoch unschuldigen Tieren umgeben sahen, hatten wir uns daran gewöhnt, uns vor ihnen zu schützen." George Sand reichert ihre persönlichen Aversionen gegen diese "unmenschliche Rasse" bei der Niederschrift einige Jahre später mit geographischen und wirtschaftlichen Fakten "getreu meiner Rolle als Reiseschriftsteller" an. So wollte sie den Eindruck der Objektivität bestärken und als Entdeckerin Mallorcas "das gleiche Anrecht auf Unsterblichkeit" erhalten wie Jean-Jacques Rousseau dies für die Alpen inne habe. So sucht man Details zum Liebesleben des berühmten Trekkingpaares Chopin/Sand vergebens, auch die Kinder sind lediglich Randfiguren. Im Vordergrund steht die Schriftstellerin und die Insel. Die 16 Fußnoten, die sich pseudo-wissenschaftlich in Schriftgröße 8 durch die Lektüre ziehen, beziehen da auch keine kritische Stellung. Sie dienen lediglich zur Ergänzung anderer Stimmen zur Insel, wie der Monsieur Grasset de Saint-Sauveurs oder J. B. Laurens. Umso glaubhafter wird jedoch beim Lesen die Begründung der anscheinend schon beim Losfahren frustrierten George Sand, warum man überhaupt reise. "Es geht weniger darum, zu reisen als wegzufahren: Wer von uns hätte nicht irgendeinen Schmerz zu überwinden oder ein Joch abzuschütteln?"

Titelbild

George Sand: Ein Winter auf Mallorca.
Übersetzt aus dem Französischen von Annette Keilhauer.
Goldmann Verlag, München 2000.
280 Seiten, 8,70 EUR.
ISBN-10: 3442726565

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch