Dis/Kontinuitäten

Grundlagentexte des wissenschaftlichen Feminismus

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Judith Butler, Barbara Duden, Evelyn Fox Keller, Ute Gerhard, Regine Gildemeister, Carol Hagemann-White, Donna Haraway, Karin Hausen, Gudrun-Axeli Knapp und Gesa Lindemann - eine derart stattliche Auswahl namhafter Feministinnen findet man nicht oft in einem Buch versammelt. In dem von Sabine Hark herausgegebenen Band "Dis/Kontinuitäten: Feministische Theorie", der als dritter Teil des "Lehrbuches zur sozialwissenschaftlichen Frauen- und Geschlechterforschung" erschienen ist, sind sie alle - und etliche mehr - vertreten.

Die Herausgeberin hat den vier von ihr und Paula-Irene Villa kommentierten Themenkomplexen "Wie Geschlecht gemacht wird", "Geschlecht in Verhältnissen", "Geschlecht und Repräsentation" und schließlich "Feminismus und Wissenschaft", eine kluge Einleitung vorangesetzt, in der sie unter anderem überzeugend darlegt, wieso sie von der Feministischen Theorie im Singular und nicht im Plural spricht, ungeachtet aller unterschiedlicher, ja zum Teil widersprüchlicher Positionen, die sich unter dem Titel vereint finden.

Im Hauptteil werden anhand von kommentierten Auszügen aus "zentralen Quellentexten" der letzten 25 Jahre die theoretischen Zugriffsweisen feministischer Sozial- und Geisteswissenschaftlerinnen sowie von Philosophinnen aus dem deutsch- und englischsprachigen Raum vorgestellt und die Entwicklung der theoretischen Grundlagen des "vielstimmigen und heterogenen" feministischen Wissenschaftsdiskurses deutlich gemacht. Nicht immer ist die Wahl auf den bekanntesten Text einer Autorin gefallen. So findet sich von Butler nicht etwa ein Auszug aus "Gender Trouble", sondern aus "Körper von Gewicht", von Barbara Duden nicht aus ihrer vehementen Butler-Kritik ("Die Frau ohne Unterleib") oder ihrem in den siebziger Jahren bahnbrechenden Aufsatz "Das schöne Eigentum", sondern aus ihrer weniger bekannten Arbeit "Geschichte unter der Haut", von Claudia Honegger nicht ein Auszug des Buchs "Die Ordnung der Geschlechter", sondern der Aufsatz "Weiblichkeit als Kulturform". Doch sind diese Entscheidungen stets wohlbegründet. Denn so werden entweder die Theorien in einer entwickelteren und reiferen Form vorgestellt - wie etwa im Falle Butlers -, oder es werden - wie bei Honegger - Texte ausgewählt, die die zentralen Aussagen besonders prägnant zusammenfassen.

In der Einleitung betont Sabine Hark zurecht, dass sämtliche Texte "die Diskussion innerhalb der (sozialwissenschaftlichen) feministischen Theorie initiiert" und "nachhaltig beeinflusst" haben, beziehungsweise über die Jahre hinweg ein "Referenzpunkt" geblieben sind oder aber, "die im Feld feministischer Theorie hegemonial gewordene Perspektiven und Positionen herausforderten". Wenn diese durchdachte und repräsentative Text-Sammlung einen Titel vermissen lässt, dann vielleicht Waltraud Ernsts 2000 erschienenes Buch "Diskurspiratinnen", bei dem es sich zwar - noch - nicht um einen Klassiker des feministischen Wissenschaftsdiskurses handelt, wohl aber um einen Titel, der das Zeug dazu hat (vgl. die Rezension des Buches in literaturkritik.de 7/8, 2000).

Empfehlenswert als ergänzende Lektüre zu den in den letzten Jahren erschienenen Einführungen in die Feministische Theorie und in die Gender Studien! (vgl.: Christine Kanz: "'Feminist Studies' go to 'Gender Studies'?" in literaturkritik.de 7/8, 2000)

Titelbild

Sabine Hark (Hg.): Dis/Kontinuitäten: Feministische Theorie.
Verlag Leske und Budrich, Opladen 2000.
298 Seiten, 15,20 EUR.
ISBN-10: 3810028975

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