Zigaretten der Ratlosigkeit

Patricia Cornwell erzählt nach allzu bekannten Strickmustern

Von Monika PapenfußRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Papenfuß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Pünktlich zum Frankfurter Buchmessenherbst mit dem diesjährigen Schwerpunkt "Kriminalroman" erscheint ein neuer Roman von Patricia Cornwell. Wieder ist die leitende Gerichtsmedizinerin Kai Scarpetta, die Hauptfigur dieser Krimiserie, mit der Aufklärung einer brutalen Mordserie beschäftigt. Auch dieses Mal gerät sie bei ihren Ermittlungen selbst in Gefahr. Dieses und viele andere Motive sind aus den vorangehenden Krimis der Autorin bekannt, und, um es gleich vorwegzunehmen: spätestens bei dieser Neuerscheinung mit dem Titel "Blinder Passagier" wirken sowohl die Erzählstruktur als auch der Plot langweilig.

War man in Cornwells ersten Romanen noch gefesselt von den vielen authentisch klingenden Details aus dem Arbeitsbereich der forensischen Medizin, den die Autorin, wie ihre Romane glaubhaft machen, aus eigener beruflicher Anschauung kennt, so lassen die sich stark ähnelnden langatmigen Beschreibungen der einzelnen Arbeitsschritte im Leichenschauhaus inzwischen nur noch Langeweile aufkommen und verführen dazu, diese Stellen einfach zu überblättern. Auch die Handlung folgt einem sich langsam abnutzenden Schema. In der Regel, und so auch im neuen Roman, hat man es mit einem psychopathischen, hoch intelligenten Serientäter zu tun, der in der Lage ist, seine Verbrechen so zu planen, dass die Polizei lange Zeit im Dunkeln tappt. In "Blinder Passagier" verknüpft Cornwell dieses Grundmuster mit einem weiteren Verbrechensherd. Nur langsam kristallisiert sich die Verbindungslinie zwischen einem bestialischen Frauenmörder und einem international agierenden Verbrechenskartell heraus - doch es kann die Spannung nicht steigern, im Gegenteil: dass nun auch noch Lucy, Scarpettas Nichte und dem Leser aus früheren Romanen als schwieriges Kind bekannt, an der Zerschlagung des Verbrecherkartells mitarbeitet, und das natürlich in Zusammenhang mit der Mordserie steht, die ihre Tante bearbeitet, wirkt konstruiert. Auch viele andere Details in diesem Roman scheinen aufgesetzt: Lucys' lesbische Beziehung zu ihrer schönen Kollegin wirkt, als habe die Autorin sich dunkel an die Tatsache erinnert, dass sich mit der Mischung "Sex and Crime" so manch müder Plot aufpeppen lässt. Die Beschreibung von Intrigen und Korruption innerhalb der verschiedenen Untersuchungsbehörden könnten interessant sein, würden sie sich nicht mit der klischeehaften Überzeichnung einiger Personen begnügen.

Auch sprachlich hat der Roman wenig zu bieten. Die schlichte Romankomposition korrespondiert mit einfachen Sätzen und grammatikalischen Fehlern, wobei letztere natürlich auch auf das Konto der Übersetzung gehen können. Zu viele Zigaretten werden als Zeichen der Ratlosigkeit angezündet. Nur ein Beispiel für die Phantasielosigkeit der sprachlichen und inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten, die diesen Roman charakterisieren.

Schade, von Patricia Cornwells ersten Krimis fühlte man sich gut unterhalten. Serien, das beweist die Erfahrung, verführen dazu, auf bewährte Strukturen zurückzugreifen und mit der Zeit langweilig zu werden. Bleibt zu hoffen, dass die Buchmesse phantasievollere und sprachlich anspruchsvollere Kriminalromane zu bieten hat.

Titelbild

Patricia Cornwell: Blinder Passagier. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Anette Grube.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2001.
432 Seiten, 22,50 EUR.
ISBN-10: 3455010318

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch