Prinzessin des Lebens

Pavlos Matessis' Roman "Die Tochter der Hündin"

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ich bin durchweg glücklich und zufrieden", bekennt die Ich-Erzählerin Rubini, die als gealterte Frau auf ihre Jugend zurückblickt - auf die schrecklichen Jahre zwischen der deutschen Besetzung Griechenlands und dem Ende des Bürgerkriegs.

Rubini hat sich als Schauspielerin eine Ersatzwelt aufgebaut. Bewusst oder unbewusst verdrängt sie dadurch die Erinnerungen an das Leid, das ihre Familie erlitten hat. Sie will immer nur die "Prinzessin des Lebens" sein.

Der 68-jährige Autor Pavlos Matessis feierte mit diesem weitgehend in Monologform gehaltenen Roman (1996 im Original erschienen) in Griechenland einen großen Erfolg, weil er anhand des Schicksals von Rubinis Familie einen Teil der verdrängten griechischen Geschichte wachgerufen hat.

Rubinis Vater hat die Familie verlassen, offiziell gilt er jedoch als Kriegsopfer. Dies bringt der Familie eine kleine Rente ein, die jedoch in den harten Kriegszeiten zum Überleben nicht ausreicht. Rubinis Mutter lässt sich mit einem italienischen Besatzungsoffizier ein, in der Hoffung, ihre Kinder dadurch vor dem Hungertod bewahren zu können.

Doch es kommt ganz anders: Rubinis kleiner Bruder Fanis wird von deutschen Soldaten brutal zusammengeschlagen - er hatte eine Hand voll Kartoffel aufgelesen. "Der Junge in der Mitte des Platzes hüpft und flattert, er kreiselt wie ein halb abgestochenes Huhn, das man mit dem ersten Messerhieb nicht richtig getroffen hat." Matessis' Vergleich des übel gefolterten Fanis mit einem Huhn wirkt jedoch geschmacklos und kann nicht überzeugen.

Rubinis Bruder behält einen geistigen Schaden zurück und fristet später ein trauriges Dasein als Hilfsgärtner. Die Armen sind die Hauptleidtragenden der Geschichte, so könnte Matessis' Botschaft lauten, denn auch das Leben der Mutter nimmt ein trauriges Ende. Nach der Befreiung durch die Engländer wird sie von den Bewohnern der Kleinstadt Epaxis (unweit von Athen) als Hure und Kollaborateurin stigmatisiert. Autor Pavlos Matessis lässt sie daraufhinaus Scham und Verbitterung verstummen, erst auf dem Totenbett flüstert sie: "Ich wollte nicht mehr."

Rubini, die Träumerin, die sich in ihrer Schauspielerei eine rosige Ersatzrealität aufgebaut hat, ist nach dem Tod der Mutter einmal hellwach und überspringt ihren ansonsten engen Horizont: "Bedeutung hat nicht der Tod: das Bedeutende sind die Toten. Der Tod vergeht. Die Toten bleiben."

Titelbild

Pavlos Matessis: Die Tochter der Hündin. Roman.
Übersetzt aus dem Griechischen von Birgit Hildebrand.
Carl Hanser Verlag, München 2001.
288 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3446200533

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