Fliegenmenschen und andere Widerwärtigkeiten

Sechs Kurzgeschichten von T. C. Boyle

Von Bernd ChristmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Bernd Christmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Meine Geschichten sind immer aus der eigenen reinen Kraft der Freude entstanden und die vorliegende Auswahl sollte, das hoffe ich doch, den subversiven Witz und die durchdringende Intelligenz junger Menschen überall ansprechen..."

T. C. Boyle offenbart im Nachwort der Geschichtensammlung "Der Fliegenmensch und andere Stories" den hohen Anspruch, den er an seine Leser stellt. Ganz nebenbei lässt er auch ein nicht geringes Maß an Begeisterung für die eigene Literatur durchblicken. Künstlerische Selbsteinschätzung...

Nun zählt Boyle nicht zu den eher unbekannten Schreibern, sondern hat sich mit Werken wie "Wassermusik" oder "Willkommen in Wellville" eine beachtliche Fangemeinde erobert. In Zeiten der "Pop-Literatur" könnte man Boyles Werk als Rock'n'Roll bezeichnen, was nichts daran ändert, dass die Stories aus "Der Fliegenmensch" insgesamt alle eher mau sind. Oder um es mit einem Wort zu sagen: sie sind nett.

Die Titelstory erzählt die tragische Geschichte eines Stuntmans, der mit tollkühnen Aktionen zu Weltruhm gelangen will, aber grandios scheitert. In der Story "Ende der Nahrungskette" versucht Boyle, eine plumpe Öko-Moral als Groteske zu verpacken. Auch "Der Polarforscher" und "Ein Herz und eine Seele" lassen den rechten Biss vermissen.

Dagegen klingt in "Greasy Lake" endlich etwas von der subtilen Abgründigkeit und Bösartigkeit an, für die der Name Boyle immer ein Garant war. Eine Gruppe Halbstarker, eifrig ihr "bad boy"-Image pflegend, gerät plötzlich in eine Situation, in der sie unverhofft mit ihrer wahren Schlechtigkeit konfrontiert wird.

Da werden Drogen konsumiert, es wird geprügelt und beinahe vergewaltigt, aber immer mit der herrlich komischen Boyle'schen Süffisanz und Leichtigkeit und dem Spaß an der Eskalation. Denn eben diese Freude an Grenzüberschreitungen und Tabubrüchen zieht sich durch sein gesamtes Werk. In die gleiche Richtung geht auch die finale Story "Großwildjagd", deren Ende noch ein wenig fieser ist als das von "Greasy Lake".

Diese beiden Geschichten schaffen es, die Sammlung doch noch ins obere Mittelfeld zu hieven. Bleibt jedoch ärgerlich, dass die meisten Geschichten aus anderen Boyle-Readern kompiliert worden sind und echte Fans hier nichts Neues finden. Wie sinnvoll diese Ausgabe überhaupt ist, soll dahingestellt bleiben. Die Illustrationen von Rotraud Susanne Berner werden da wohl auch nicht ausschlaggebend sein.

Titelbild

T. C. Boyle: Der Fliegenmensch und andere Stories.
Ausgewählt von Armin Abmeier.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Tom Coraghessan Boyle und Werner Richter.
dtv Verlag, München 2001.
154 Seiten, 7,40 EUR.
ISBN-10: 342362048X

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