Wiederholungstat

Ingrid Nolls "Selige Witwen" Cora und Maja morden wieder

Von Christina LangnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Langner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Auf wen kann man sich heute eigentlich noch verlassen? - Auf Ingrid Noll zum Beispiel. Der Leser, der im Buchladen nach ihrem Roman "Selige Witwen" Ausschau hält, weiß genau, wonach er sucht. Die Verpackung verspricht, was bereits die fünf vorangegangenen Romane der Autorin auszeichnet und auch Nolls jüngste Mordideen sollen sich nicht als Mogelpackung erweisen.

Was wirklich Neues findet sich gleichwohl nicht; aber wer will es ihr verübeln, dass die Autorin an ihrer erfolgversprechenden Linie festhält? Es ist im Grunde genommen ja ein hübscher Einfall, dem Leser hier nun nicht nur das altbekannte Konzept - gnadenlos Männer mordende Frauen, die einem sonderbarerweise ans Herz wachsen, untermalt von schwarzem Humor und boshaft-sympathischer Satire - zu präsentieren, sondern ein bereits bekanntes Beziehungsgeflecht vorzustellen.

"Selige Witwen" setzt die Geschichte der Busenfreundinnen Cora und Maja fort, die dem Noll-Liebhaber noch aus ihrem Bestseller "Die Häupter meiner Lieben" in lebendiger Erinnerung sein dürften. Damals hatten Cora und Maja gerade das Gymnasium hinter sich gelassen und durch allerlei Herummorden einem recht angenehmen Leben in der Toskana frönen können. Genau hier beginnt nun der zweite Akt um die Morde von Nolls alten Bekannten. Maja lebt mehr als gut von Coras Witwenrente. An die Stelle der engen Verbundenheit ist die Entfremdung getreten, unter der die unscheinbare Maja freilich weitaus mehr leidet als die selbstbewusste Cora. Maja ist schockiert von der berechnenden Habgier ihrer mondänen Freundin, die sich wiederum genervt zeigt von der Schwerfälligkeit und Gefühlsduselei ihrer Freundin. Maja erinnert an die frustrierte Ehefrau, die ihre hungernde Seele mit Gelegenheitsdiebstählen und teuren Einkäufen füttert, während Cora in der großen weiten Welt herumjettet und alle Vorzüge des Lebens auskostet.

Trotz allem hindert das freilich am Morden nicht. Das sympathische Böse verlegt Noll gleichwohl diesmal nach Frankfurt, Darmstadt und Innsbruck, bevor der Roman hernach wieder in der schönen Toskana beschlossen wird. Des neuen Schauplatzes ungeachtet: Irgendwie scheint alles schon mal dagewesen. Der Leser weiß um die angenehme Wirkung des Wiedererkennungseffekts, der Roman versteht sie bedauerlicherweise jedoch nicht auszulösen. Das Erzählte liest sich zügig weg, Überraschendes und Spannendes kommt so gut wie nicht vor, gemordet wird im Vorübergehen und mit einer Selbstverständlichkeit, die weder schockiert noch fasziniert, sondern nur noch langweilt. Der Humor möchte schwarz sein, erscheint aber bestenfalls in einem farblosen Grau.

Der Edelmut, mit dem die beiden Freundinnen Maja und Cora auch in dieser Geschichte abermals anderen Frauen dabei helfen, unliebsame männliche Wesen ins Jenseits zu befördern, ruft äußerstenfalls noch ein gezwungenes Schmunzeln hervor. Kathrin, die ihren Mann - einen betuchten Rechtsanwalt mit dubiosen Kontakten ins Frankfurter Rotlichtmilieu - verlassen hat, möchte aus der Beziehung noch den größtmöglichen materiellen Nutzen ziehen und findet in Maja eine erfahrene Beraterin. Daneben findet auch Cora eben genau diesen Weg, an ihr Traumhaus zu kommen, einen feudalen Landsitz in Florenz. Zwischendurch wird dort ein Fahrrad geklaut, hier eine Granatbrosche in die Hosentasche gesteckt - und früher oder später erreicht man die letzte Seite, schlägt das Buch zu und vielleicht wartet man auf einen dritten Akt der Maja-Cora-Geschichte - das Ende lässt sich nämlich durchaus fortsetzungsverdächtig deuten -, denn bei den Romanen von Ingrid Noll weiß man wenigstens, was einen erwartet: Nichts Neues, - das ist gewiss.

Titelbild

Ingrid Noll: Selige Witwen. Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 2001.
270 Seiten, 20,40 EUR.
ISBN-10: 3257062656

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