Rasantes aus der Gegenwart

Kai Damkowskis Debütroman "Angst sucht Hase"

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Vor einigen Jahren hatten wir gemeinsam mal den NON FUCKERS CLUB gegründet, weil wir zu selten bei den Frauen zum Zuge kamen. Der Club basierte auf der Idee, daß man einen Anstecker bekam, der einen als Club-Mitglied auswies und der aussagte, daß man sich dazu bekannte, nach eigenem Ermessen zu wenig Sex zu haben. Wer also einen NON FUCKERS-Anstecker trug, konnte zu jeder Tages- und Nachtzeit angesprochen und auf einen Geschlechtsverkehr eingeladen werden. Es gab eine Menge Interessenten, selbst einige Interessentinnen, und wir rochen bereits das große Geschäft, aber meines Wissens hat es bei niemandem so richtig hingehauen, am Ende besagte der Button nur noch, daß man ein Verlierer war und die Frauen machten eine großen Bogen um einen. Da hat Hannes angefangen, Filme zu drehen. Was sind wir nur für eine Generation?"

K. Klausner, Jahrgang 1970, spricht so über sich und seine Generation. Nachzulesen ist dies und noch viel mehr in dem Buch "Angst sucht Hase" von Kai Damkowski. Damkowski ist Herausgeber des Hamburger Punk-Fanzines 'Klausner', also hat er den vermeintlich autobiographischen Hintergrund in seinem Debüt gleich doppelt verarbeitet und somit prompt Verwirrung gestiftet.

Das Buch beinhaltet eine Menge solcher Szenen und Passagen wie die eben zitierte, es ist ein rasanter Gegenwartsroman aus Hamburg, der viele, viele Elemente dessen enthält, was heute einen guten sogenannten Nachwuchsroman auszeichnet: Musik, Frauen, Sex, Kindheitserinnerungen, Drogen (weich und härter), 'Lindenstrasse', WGs, Nachtleben, Fußball, Coolness und Selbstzweifel, Introspektion und Exstase...

K. Klausner steht am Samstagnachmittag kurz vor 14 Uhr auf, rennt noch schnell zum Supermarkt um die Ecke, um das Nötigste fürs Wochenende zu besorgen. Von da an dürfen wir an seinem Wochenende teilhaben (Kai Damkowski hat außer Henry Miller, Philippe Djian, Bukowski, Salinger etc. vielleicht auch Alan Silitoes ,Samstagnacht und Sonntagmorgen' gelesen, diesen großartigen Roman nach Hamburg importiert und um einen Tag erweitert, "Angst sucht Hase" schlittert nämlich bis in den Montagmorgen hinein).

Auf der Erzählebene der Gegenwart erleben wir Klausner als einen angry young man, der für ein Stadtmagazin schreibt, kickt, in einer Punkband spielt, heftig trinkt und seine Freunde und Kumpels in den diversen Kneipen seines Viertels trifft. Natürlich spielen Frauen in seinem Leben eine große Rolle, weswegen er sein möglichstes tut, um sie alle auf sich aufmerksam zu machen. Allerdings, seine Ansprüche sind hoch: intellektuell, sexuell etc. Und da in der Gegenwart nicht alles klappt, blendet er sich hin und wieder aus, sein Autor Kai Damkowski bedient sich also einer zweiten Ebene, die er kursiv gesetzt hat. Hier erinnert sich der Held an seine Kindheit, seine Eltern, vergangene Lieben. Er reflektiert über das Selbst, über Gefühle, den Tod. Sprachlich unterscheidet sich dieser Teil des Buches durch einen ernsten und nüchternen, manchmal pathetischen Ton, während die Gegenwart schnell, frech, provozierend, dreckig und mit viel Humor und genau beobachtender Schärfe wiedergegeben wird.

"Angst sucht Hase" versetzt den Leser in die unterschiedlichsten Stimmungen; mal nimmt man gerne teil an den Eskapaden der Hauptfigur, mal wird man von seinen Gefühlen mitgerissen, da Damkowski sehr direkt und ohne Schnörkel schreibt. Diese bewußt unliterarische bzw. ungekünstelte Haltung verleiht dem Buch einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit und Authentizität. Auch die etwas mehr nach innen gerichteten Gedanken und Reflexionen auf der zweiten Ebene sind nachvollziehbar, manchmal beinahe zu intim, weil man gar nicht so genau wissen will, wie es Klausner dann und dann ging.

Einziger Einwand: Das Buch ist ein wenig zu lang bzw. zu unstrukturiert, die Aufteilung in nur drei Abschnitte (Samstag 14 - 24 Uhr, Sonntag 0 - 24 Uhr, Montag 0 - 4 Uhr) hat einige Längen und Wiederholungen bzw. Variationen eines Themas zur Folge. Letztlich stört dies aber weder den Lesefluß, noch den sehr guten Gesamteindruck eines gelungenen Debüts aus der Hamburger Szene. Für alle, die gerne Bücher von Thomas Meinecke, Andreas Neumeister, Franz Dobler, Ralf Bönt, Kathrin Röggla... lesen, ist "Angst sucht Hase" ein heißer Tip.

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Kai Damkowski: Angst sucht Hase. Roman.
Verlag Jens Neumann, Mainz 1998.
292 Seiten, 16,40 EUR.
ISBN-10: 3930559439

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