Slammin' Goethe - Lyrik als Funsportart

Eine Anthologie zwischen Poetry Slam und Freestyle

Von Daniel BeskosRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniel Beskos

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was ist los in der unabhängigen Literaturszene? Wie setzt sie sich zusammen? Wie positionieren sich einzelne Phänomene wie Poetry Slam oder "Social Beat" darin? Je näher man den Autoren der sogenannten "Szene" kommt, je genauer man sich mit ihren Texten auseinandersetzt, desto unschärfer wird das Bild. Zu unterschiedlich scheinen nicht nur persönliche Perspektiven, Inhalte oder Stilarten, sondern auch die literarische wie soziale Herkunft der Autoren.

Was bleibt, sind Beispiele. Die erklären nie das ganze Phänomen, zeigen aber, was gemeint sein kann. Solche Beispiele finden sich im dritten Band der "Social Beat / Slam Poetry"-Reihe des kleinen Killroy Media Verlags, "German Grand Slam. Freestyle versus Slam". Der Titel macht auch gleich deutlich, dass sich der Schwerpunkt in der unabhängigen Literaturszene offenbar zunehmend in Richtung Poetry Slam verlagert hat. Poetry Slam, der Wettkampf um die Gunst des Publikums, um den Triumph für einen Abend, scheint einer der wenigen Anlässe geworden zu sein, bei denen sich auch eine zahlreichere Zuhörerschaft noch für Dichtung abseits der etablierten Literatur interessiert. Gleichzeit schien es eine Zeitlang so, als ob Poetry Slams die Erfahrung eines intensiven, euphorischen Kontakts mit Sprache vermitteln könnten.

Leider traf diese Kombination aus Qualität und Publikumszuspruch nur für einen kurzen Zeitraum zu, als die ersten Slams der Republik stattfanden. Man bekam auch ernstere, qualitative Literatur geboten, die gekonnt Emotionen band und sich auch vor Lautstärke und Pathos nicht scheute. In dieser Anfangsphase fanden sich auch oft Autoren aus dem "Social Beat"-Umfeld auf Poetry Slams, nicht selten auf den vorderen Plätzen. Die spontane Interaktion mit dem Publikum war sicher im Sinne der "Beat"-Tradition, und jahrelang unbekannt gebliebene Autoren wurden plötzlich als Garanten eines gelungenen Abends beliebt.

Spätestens seit dem letztjährigen National Slam in Hamburg ist jedoch klar: Die Entwicklung der Poetry Slams geht deutlich in Richtung Kabarett, das Publikum, das sich nun auch zunehmend aus Menschen zusammensetzt, welche sich sonst kaum mit Literatur beschäftigen, fordert Spaß und Kalauer, Entertainment eben. Und folgerichtig wurde der Berliner Kabarettist Sebastian Krämer deutscher Slam Champion 2001. Die Parole des Poetry Slam-Erfinders Marc Smith: "slam is not a freak show!" gilt wohl nicht mehr. Der kurze gemeinsame Gang der beiden Szenen "Social Beat" und Poetry Slam scheint endgültig beendet, zu negativ, zu wenig erfolgversprechend wirkt die doch eher selbstmitleidige "Loser-Attitüde" der meisten "Social Beat"-Autoren.

Dafür taucht ein neuer Einfluss auf: HipHop. Eigentlich muss es verwundern, dass nicht schon viel früher Rapper mit ihren Battle-Rhymes in den Dichter-Ring traten. Wie auch immer: jetzt sind sie da, und das Publikum nimmt ihre Sprachakrobatik auch wohlwollend auf.

Diese verschiedenen Entwicklungen finden sich hier dokumentiert: In gewohnter Manier treffen Szenegrößen auf Newcomer, die Themenvielfalt ist groß, die Herangehensweisen ebenso - von literarischen Wien-Ansichten bis zur autobiographischen Drogenentzugs-Story, vom journalistischen Reisebericht aus Mexiko bis hin zu den "Social Beat"-typischen Geschichten über Einsamkeit, Tristesse und die Kälte der Welt; daneben oft auch szene-interne Satiren, in denen allseits bekannte Protagonisten auf die Schippe genommen werden. Mit Timo Brunke und Bob sind in dieser Anthologie zwei Autoren vertreten, deren Texte deutliche HipHop-Anteile aufweisen. Stärker als in den beiden Vorgänger-Bänden wird eine theoretische Auseinandersetzung mit den verschiedenen literarischen Subkulturen versucht, meist in Form von Kommentaren und Beobachtungen.

Die Qualität der Texte reicht dann auch von ziemlich gut bis ziemlich peinsam, wie bei einem Poetry Slam eben. Und genauso kann man dem auch nur begegnen: man jubelt und liest weiter, man hört entnervt weg und überblättert schnell ein paar Seiten.

Titelbild

Asperger Autorenwerkstatt: Social Beat Slam! Poetry. Band 3. German Grand Slam. "Freestyle versus Slam".
Herausgegeben von Michael und Joachim Schönauer.
Killroy Media, Asperg 2001.
216 Seiten, 10,15 EUR.
ISBN-10: 393114013X

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