Fleisch - filmisch, unappetitlich, gefährlich

Ruth L. Ozeki legt die political correctness auf die Schlachtbank

Von Ulla BiernatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulla Biernat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Schwein kann sein, aber Rind bringt's!" Was jeden Vegetarier auf die Palme treibt, ist für die junge New Yorker Filmemacherin Jane Takagi-Little die letzte Chance, beruflich Fuß zu fassen - und wieder ihre Miete zahlen zu können. Ihre - von der Rindfleisch-Lobby finanzierte - Dokumentarfilmreihe soll Hausfrauen im fernen Japan zu schmackhaften amerikanischen Rindfleisch-Gerichten inspirieren. Doch der Auftrag wird zu einer inter- und intrakulturellen Odyssee durch den Dschungel des amerikanischen way of life und des falsch-verstandenen Traditionsbewußtseins japanischer Männer.

Ruth L. Ozekis Roman "Beef" beginnt leichtfüßig als spritzige Satire auf das Fernsehen, das Hausfrauen-Dasein am Ende des 20. Jahrhunderts und die Allgegenwärtigkeit des Rindfleischs. Er mündet in die umfassende und schonungslose Kritik einer political correctness, die jeden zufriedenstellen will, dabei aber alle unglücklich macht. Zwar verabschiedet sich Jane bald von den politisch korrekten Vorgaben des amerikanischen Sponsors "BEEF-EX" - attraktive "weiße Amerikanerin aus der Mittel- und Oberschicht" mit "attraktivem" Gatten, Kind und Haus, von "gesunder Lebensweise" bruzelt frohgemut üppige und saftige Steaks; doch in ihrem aufklärerischen Eifer setzt sich die Filmemacherin schließlich zwischen alle Stühle: Sie filmt zwei "lesbische Vegetarierinnen" (hier hat die sonst souveräne Übersetzerin nicht aufgepaßt), wie sie Pasta Primavera kochen. Ihre Auftraggeber sind empört, und die beiden überzeugten Vegetarierinnen fühlen sich hintergangen, weil sie unwissendlich Werbung für die Rindfleisch-Industrie gemacht haben.

Die junge Autorin will viel in ihrem ersten Roman: Sie will kulturelle Stereotypen aufbrechen, die Mechanismen gedankenlosen Konsumverhaltens bewußt machen, eine praktikable Medien-Ethik vorstellen und gelebte Frauen-Emanzipation vorführen. Dieses Themen-Konglomerat verkommt jedoch nicht zur überfrachteten Bekehrungsschrift oder zum platten Thesenroman im Sinne von: 'Fleisch ist unappetitlich und gefährlich - werdet Vegetarierinnen, liebe Leserinnen'. Vielmehr wird der Roman getragen von einer ausgeklügelten Struktur: Intertextuelle Zitate aus dem "Kopfkissenbuch der Hofdame Sei Shonagon" (aus dem Jahr 1000 n. Chr.) und längere Erzählpassagen aus den Perspektiven der amerikanischen und japanischen Hauptfiguren wechseln ab mit Briefen, Faxen, Rezepten und Drehbuch-Entwürfen.

Die Montage-Struktur trägt auch dann noch, als Jane einen Hormon- und Futtermittelskandal aufdeckt. Dieser wirkt sich nicht nur auf die amerikanische Fleisch-Politik aus, sondern hat auch die Befreiung der japanischen Hausfrau Akiko von ihrem dummen, brutalen, karriere-geilen und sexistischen Ehemann zur Folge. Ironie und Sprachwitz verwandeln sich in Zynismus und Galgenhumor; der suggerierte Ekel vor harmlosen Fleischbergen wird abgelöst von eindringlich erzählten Szenen, die das verantwortungslose Hormon-Gepansche der Rinder-Barone in ihren lebensgefährlichen Auswirkungen zeigen. Ozeki benennt die Schuldigen ohne Angst vor Schwarz-Weiß-Malerei. Doch insgesamt überwiegt im Roman die Einsicht: "Die Wahrheit liegt in Schichten übereinander, die jeweils sehr dünn sind, aber kaum transparent, wie Haut, und wehrt sich dagegen, ans Licht gebracht zu werden. [...] Und manchmal muß man die Schichten abblättern."

Titelbild

Ruth L. Ozeki: Beef. Aus dem Amerikanischen von Ursula Wulfekamp.
Scherz Verlag, Bern/München/Wien 1998.
384 Seiten, 23,00 EUR.
ISBN-10: 3502119252

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