Forever Young

Jugend in Psychologie, Literatur und Geschichte

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Jugend scheint einfach nicht älter werden zu wollen. Jedenfalls gab es sie schon immer. Auffällig ist dabei nur, dass sie sich im Laufe der Zeit aus immer wieder anderen, neuen Individuen zusammensetzt - vielleicht abgesehen von einigen angegrauten Ewigjugendlichen. Nun ja, das Neue passt ja zur Jugend. Neu ist auch ein Buch, das sich mit der Jugend in Psychologie, Literatur und Geschichte befasst. Die meisten der Beitragenden untersuchen denn auch, wie Eva S. Poluda formuliert, das "umstrittene intime Verhältnis von Psychologie und Literatur" oder widmen sich der Darstellung von Jugend und Jugendlichkeit in einzelnen Werken mit literaturpsychologischen Auspizien. So etwa Joachim Pfeiffer, der der jugendlichen Sozialisierung durch Geschichtenerzählen im 'Dekameron' nachgeht, Astrid Lange-Kirchheim, die den Gender Trouble beleuchtet, mit dem sich Hans Castorp und andere die Zeit auf dem Zauberberg vertreiben, oder Irmgard Roebling, die die Darstellung weiblicher Jugendlicher bei Autorinnen der Weimarer Republik untersucht.

Ortrud Gutjahr behandelt die Adoleszenz im Werk Lou Andreas-Salomés, die "wie wohl kaum eine andere Autorin der vielfach thematisierten Moderne in ihrem literarischen Werk immer wieder die Jahre der Jugend als eine Krisen- und Bewährungsphase ins Zentrum gerückt" hat. Hierzu zieht Gutjahr vor allem den Erzählungs-Band "Im Zwischenland" heran. In einem zweiten Teil befasst sie sich mit dem Verhältnis der Schriftstellerin und Psychoanalytikerin zu Rilke. Durch das "jahrelange schriftliche Gespräch" mit ihm, habe Salomé "lange vor der Begegnung mit der Psychoanalyse" insbesondere zur Problematik der Jugend und Kreativität "tiefgreifende psychoanalytische Erkenntnisse" gewonnen. Dem ist sicher zuzustimmen. Doch lässt sich die psychoanalytische Sensibilität Salomés bereits in ihrer Untersuchung "Friedrich Nietzsche in seinen Werken" feststellen, also auch schon vor der ersten Begegnung mit Rilke.

Während Wolf Wucherpfennig, der die Konstellation "Jüngling und Tod" in Hugo Hofmannsthals "Der Tor und der Tod", Richard Beer-Hofmanns "Der Tod Georgs" und Arthur Schnitzlers "Sterben" beleuchtet, der Auffassung ist, dass "der Auszug des Jünglings ins Abenteuer [...] wohl eine anthropologische Konstante" sei, äußert Fritz Gesing gar die Überzeugung, im "Phänomen Jugend" gäbe es "historische Konstanten". Ja mehr noch, diese Konstanten ließen sich auch "im Tierreich konstruieren". Man gehe daher wohl nicht fehl in der Annahme, "hier biologisch angelegte Dispositionen zu vermuten". Eine Annahme, die wohl kaum auf ungeteilte Zustimmung hoffen darf. Noch weniger konsensfähig dürfte sie dadurch werden, dass Gesing bekennt, hierbei denke er etwa an die "Überdrussreaktion in der Primärfamilie".

Der Sammelband, herausgegeben von Klaus-Michael Bogdal, Ortrud Gutjahr und Joachim Pfeifer, ist Carl Pietzcker als Festschrift gewidmet, einem der Initiatoren der Freiburger literaturpsychologischen Gespräche.

Titelbild

Klaus-Michael Bogdal / Ortrud Gutjahr / Joachim Pfeiffer (Hg.): Jugend. Psychologie - Literatur - Geschichte.
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2001.
300 Seiten, 50,10 EUR.
ISBN-10: 3826021517

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