Aufruhr bei der jüdäischen Volksfront

Peter Taaffe schreibt nicht wirklich über Kuba

Von Lennart LaberenzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lennart Laberenz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dem Titel des schmalen Büchleins, das von der Sozialistischen Alternative (VORAN) im letzten Jahr herausgegeben wurde, ist ein hoher Anspruch zueigen. Der Generalsekretär der britischen Socialist Party will Kuba und Fidel Castro einer marxistischen Kritik unterwerfen. Das Vorwort entdeckt dabei ganz generelle Abstraktionsfähigkeiten, als grundlegende Qualität von Taaffes Ausführungen: "Die in diesem Buch diskutierten Fragen zur Entwicklung der Revolution in Lateinamerika und in der gesamten ehemaligen kolonialen Welt sind nicht von rein akademischen oder geschichtlichen Interesse." Nein, es geht ums Ganze, um weit mehr, ganz klar, um die "wirkliche sozialistische Gesellschaft [...] durch die organisierte Arbeiterbewegung."

Nun haben sich derart gesättigte Begriffe eher rar gemacht, was sicherlich bedauert werden kann - allerdings sind sie auch schon präziser definiert und somit ersetzt worden, was Autoren und Herausgeber allerdings nicht zu interessieren scheint.

Dass diese Broschüre dem so artikulierten Ziel nicht gerecht wird, mag zum einen an eben jenem überhöhten Begriffs-Radikalismus liegen, der nicht aufgefüllt wird, vor allem aber unterläuft Taaffe seine Versprechen, indem er sich hauptsächlich einer linkeren Position als sein offensichtlicher Kontrahent Doug Lorimer von der australischen Democratic Socialist Party (DSP) versichert. Dabei stellen Lorimers Positionen bereits eine Kritik an einigen Positionen Taaffes dar, die dieser zum Ende der 70er Jahre veröffentlichte. Lorimers Positionen nun werden nur indirekt wiedergegeben oder sind ausschnittweise zitiert - damit stehen die nicht eingeweihten Leser vor dem Dilemma einer ausschweifenden Intertextualität, wir müssen Taaffe in seiner tendenziösen Bewertung von Lorimers Positionen einfach glauben. Dadurch erhält das Büchlein durchaus den Charakter eines Streits zwischen der Volksfront von Judäa und der judäischen Volksfront.

Als Plattform ist Kuba und die Bewertung der Revolution, ihres sozialistischen Gehalts und der Rolle von Fidel, der Bürokratie usw. gewählt. Es werden Theorien aufgestellt, ob und zu welchem Grade Fidel nun eigentlich vor der Revolution Sozialist, Kommunist oder Leninist war und was diese Erkenntnis nun über die kubanische Revolution aussagt. Mit dieser Debatte kann nun sogar auf Kuba selbst kein Hund mehr hinter dem Ofen hervorgelockt werden. Dort hat man sich nämlich seit Jahren schon auf die unaufgeregten Formulierung einer "sozialistischen Radikalisierung" geeignet.

Weiterhin kann Taaffe über das durch Feuilleton und so manche Dokumentation Verbreitete hinaus, nicht mit Neuem oder doch neu Bewertetem aufwarten. Die historische Analyse ist löchrig und fängt erst im Jahre 1959 mit schemenhaften Skizzen an, einen theoretischen Rückgriff, wie er längst etwa von Mayra Espina Prieto, Velia Cecilia Bobes, Haroldo Dilla Alfonso oder den renommierten Ökonomen Julio Carranza Valdez und Pedro Monreal geleistet wird, ist bei Taaffe nicht zu finden. Dabei wäre es etwa wichtig historische Momente, die bedeutungsvoll für die Revolution waren zu fixieren. So lässt sich aus der politischen Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert durchaus verstehen, warum gerade die kubanische Landbevölkerung skeptisch Wahlen gegenüber waren und sich kein genereller Druck aufbaute, als Wahlen als legitimatorisches Stilmittel erst wieder 1974 (mit den Wahlen in Matanzas, die als Test konzipiert waren) eingeführt wurden.

Vielmehr wird unscharf Analysiertes im Lichte der Theorie eines Trotzky betrachtet. Ja, den schlampig erstellten Anmerkungen ist zu entnehmen, dass der Autor seine Kuba-Kenntnisse wesentlich aus Guardian, Independent und einzelner - sicherlich nicht unwichtiger - Publikationen etwa von geflohenen ehemaligen Freunden von Fidel Castro bezieht.

Taaffe gelingt es nicht, Kuba eigenständig zu thematisieren. So geraten im bissig geführten Austausch mit Australien die zentralen Themen der politischen Entwicklung Kubas zum Kampf ums Rechthaben.

Eine weitergehende sozioökonomische Betrachtung gelingt dem Verfasser ebensowenig, selbst wenn er etwa bei Habel Ansatzpunkte hätte finden können. Gerade im US-kubanischen Austausch wissenschaftlicher Analysen haben sich in den letzten Jahren etliche Arbeiten hervorgetan, die insbesondere für einen linken Blickwinkel wichtig sein könnten.

Aber gerade, wenn die langatmigen Zitationen endlich zu einem gewissen Grundverständnis kubanischer Verhältnisse geführt haben, bricht Taaffe ab, um zu den Platitüden der Arbeiterdemokratie zurückzukehren. Wichtige Felder, wie etwa die Frage feministischer Positionen in Kuba, die Analyse von Homosexualität und den sich daraus gerade entwickelnden Möglichkeiten einer linken Kritik an kubanischer Politik tauchen in seinem Analysehorizont nicht auf. Und so kann höchsten hinter begrifflicher Radikalität, die inhaltlich undeutlich und leer bleiben muss, erahnt werden, was hier mit Marxismus gemeint sein kann.

Schliesslich lassen sich aus dem Vergleich der Positionen von Taaffe und Lorimer weder politische Analysen noch Handlungskonzepte erkennen. Dazu ist der eurozentristische Charakter der Arbeit zu dominant, die Interpretation kubanischer Politik höchstens formal und der Debattenstil zu sehr auf den eigenen Bauchnabel konzentriert. Weder Kuba selbst, noch ein Linker hat solch einen Austausch nötig.

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Peter Taaffe: Castros Kuba - Eine marxistische Kritik. Debatten über die Revolution und Kuba heute.
Sozialistische Alternative SAV Verlag, Berlin 2001.
130 Seiten, 7,69 EUR.

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