Richard Friedenthal - der große Biograph

Hans Wagener recherchiert die Spuren seines Lebens

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Richard Friedenthal dürfte deutschen Lesern vor allem als Verfasser großer Biographien über Goethe, Luther, Jan Hus und Karl Marx bekannt sein. Aber darüber hinaus war Friedenthal auch Lyriker, Essayist, Erzähler, Novellist, Romancier und Journalist sowie Verlagsleiter und Lexikograph. Er hat ein Konversations-Lexikon und ein Jugendlexikon herausgegeben, die sich als wahre Renner entpuppten. Zudem war er geraume Zeit Vorsitzender des Londoner Exil-P.E.N., des P.E.N. deutscher Autoren im Ausland. Nach 1945 gehörte er zu den Mitbegründern des neuen deutschen P.E.N.. Kurzum, der 1896 in München geborene und 1979 in Kiel verstorbene Richard Friedenthal war einer der vielseitigsten Literaten des 20. Jahrhunderts.

Hans Wagener, Autor zahlreicher Monographien, zum Beispiel über Lion Feuchtwanger, Erich Kästner, Sarah Kirsch, Siegfried Lenz, Gabriele Wohmann, Carl Zuckmayer und René Schickele, ist Friedenthals Lebensweg sorgfältig nachgegangen, wobei er häufig aus dessen nur wenige Seiten umfassenden biographischen Abriss "...und unversehens ist es Abend" zitiert und Tagebuchnotizen einfügt. Er erzählt von Friedenthals sorgloser Kindheit in einem liberalen Elternhaus in Berlin - sein Vater Hans Friedenthal war jüdischer Abstammung -, und von seiner Soldaten- und Studentenzeit. In der Weimarer Republik bemühte sich Friedenthal, "seinen Platz in Beruf und Gesellschaft zu finden". Er lernte Stefan Zweig kennen, und bald entwickelte sich zwischen beiden eine herzliche Freundschaft. Im Insel Verlag erschienen Friedenthals erste Novellen und Gedichte. Wagener rühmt in diesem Zusammenhang Katharina Kippenbergs "geradezu unheimlichen Instinkt" für den jungen Autor. Doch den Durchbruch ins große Lesepublikum habe Friedenthal, meint der Autor, erst mit seiner Goethe-Biographie geschafft.

Wagener beschreibt ferner den Freundschaftskreis seines Protagonisten, der sich in "höheren Kreisen der Berliner Gesellschaft" bewegte, "Kontakt mit arrivierten Größen der deutschen Literatur" aufnahm und in Wilmersdorf Kafka begegnete. Im Spätherbst 1938 begann Friedenthals Leben als Emigrant in London. Hier traf er wieder auf Zweig. Friedenthal sei zwar nicht gerade ein Zweig-Epigone gewesen, hebt Wagner hervor, doch hätten beide Vieles gemeinsam gehabt: beide schrieben Novellen, Biographien und Essays über historische Gestalten. Das größte Projekt, das Friedenthal zunächst viele Jahre lang in Anspruch nahm, war die Herausgabe von Zweigs großer Balzac-Biographie. Nach dem Krieg edierte er Zweigs Briefe an Freunde. Während des Krieges wurde Friedenthal, wie viele andere deutsche Emigranten auch, für eine Weile interniert und nach seiner Freilassung dreimal in London ausgebombt. Eine Zeitlang schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch.

Im Spätherbst 1947 fuhr Friedenthal, der inzwischen geheiratet hatte, mit einem Auftrag der BBC zu einem ersten Besuch nach Deutschland. Er arbeitete bald darauf beim Droemer Knaur Verlag und machte die Bekanntschaft des Anglistik-Professors Levin Schücking, eines Nachkommen des Droste-Schücking, und erlebte "dabei einmal wieder, dass er mit solchen Männern der ,oberen Ränge'" auf denkbar leichte Weise Bekanntschaft schließen konnte.

1956 kehrte er mit seiner Frau Lisa nach England zurück, um sich fortan der eigenen schriftstellerischen Arbeit zu widmen. Nach einer Kurzbiographie über Georg Friedrich Händel und einer Bildbiographie über Leonardo da Vinci verfasste Friedenthal seine große Goethe-Biographie, in der er, zum Entsetzen vieler Goethe-Verehrer, den Dichterfürsten entmythologisierte und statt des Übermenschen "den zwar unvergleichlich genialen, aber doch im humanen Rahmen bleibenden, mit Schwächen und Schatten begrenzten Menschen seiner Zeit" porträtierte.

Walter Jens nahm den Autor vor seinen Kritikern in Schutz und betonte, dass Friedenthal Goethe durchaus gewürdigt habe. Er habe ihn lediglich aus dem Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud entfernt und ihm "mit der Leidenschaft eines geborenen Enzyklopädisten den Hintergrund des Dixhuitième" gegeben. "Das ist eine befreiende Tat", fügte Jens hinzu.

Anschließend schrieb Friedenthal über Martin Luther und Jan Hus und zuletzt über Karl Marx. Da er seine letzten beiden Jahrzehnte überwiegend am Schreibtisch verbrachte, gibt es aus dieser Zeit wenig zu berichten.

Das Buch ist angemessen ausgestattet und reich bebildert. Auf einem der Bilder sieht man den zwei-jährigen Richard Friedenthal auf dem Arm seiner Mutter, einige Seiten weiter im Gespräch mit Willy Haas und ganz zum Schluss "mit seiner geliebten Pfeife". Die Biographie ist flott geschrieben, gleichwohl wirkt die Darstellung im großen und ganzen etwas farb- und glanzlos.

Titelbild

Hans Wagener: Richard Friedenthal. Biographie des grossen Biographen.
Bleicher Verlag, Gerlingen 2002.
316 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 3883506710

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