Das Leben ist nicht schön, fliehen ist zwecklos!

Sándor Márais pessimistischer Roman "Die jungen Rebellen"

Von Andreas BinrothRSS-Newsfeed neuer Artikel von Andreas Binroth

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Einer von uns spielt falsch! Mit dieser ernüchternden Erkenntnis begibt sich Àbel, Sohn des Arztes, zum vereinbarten Treffpunkt. Die Clique wartet. Kopfschmerz und Übelkeit quälen Àbel. Erst am Vormittag haben sie die Maturaprüfung abgelegt, bevor sie dann dem Likör zugesprochen haben. Aber nicht nur die Clique, auch die Front wartet.

Die Szene, mit der Márai die Geschichte um die vier Abiturienten Ernö, Béla, Tibor und eben jenen Àbel beginnen lässt, markiert zugleich den Bruch in der verschworenen Gemeinschaft seiner jungen Rebellen gegen Werte und Autorität der Erwachsenenwelt. "Es gibt eben unüberwindliche Hürden zwischen den Menschen." Diese Einsicht gewinnt Àbel noch bevor er das wahre Ausmaß des Verrates an ihrer Idee absehen kann. Was bleibt ist eine ungute Vorahnung, die sich im weiteren Geschehen als begründet erweisen soll.

Zunächst jedoch gewinnt der Leser aus Rückblenden und Selbstgesprächen ein Bild der vier Jungen, ihrem Fühlen und Denken. Alle bis auf Ernö stammen aus gutem Hause, sie sind von Ablehnung und Ekel gegen die verlogene Welt außerhalb ihres Cliquen-Kosmos ergriffen, geben sich in der Gruppe extravagant, frönen der Unvernunft und können sich nur hier wirklich öffnen. Lügen, betrügen, stehlen - alles ist erlaubt. Ihre Umwelt stellt sich als ein Sammelsurium bornierter Traditionalisten, Päderasten, vor allem aber übermächtiger, brutaler oder bigotter Väter dar. Das Buch ist von einer schwül-morbiden Atmosphäre durchtränkt. Zu Beginn nur leidlich spannend, vermag es später mehr und mehr zu fesseln und gibt schließlich einen Ausblick auf eine ganz und gar hoffnungslose Zukunft.

Die im ungarischen Kaschau gegen Ende des ersten Weltkriegs angesiedelte Handlung konfrontiert den Leser nicht nur mit der Heimatstadt des Autors, sondern auch mit dessen Vergangenheit. Zumindest weist "Die jungen Rebellen" - wie auch viele andere seiner Romane - stark autobiographische Züge auf. So darf beispielsweise der feingeistige, literarisch ambitionierte Àbel als Entsprechung des Autors gelesen werden. Ebenso gleichen die unerwiderte Liebe Ábels zu Tibor sowie der tragische Tod eines der Freunde den Erlebnissen des jungen Sándor Márai. Zwölf Jahre später, im Frühjahr 1930 gelang ihm mit "Die jungen Rebellen" sein literarischer Durchbruch.

Titelbild

Sándor Márai: Die jungen Rebellen. Roman.
Übersetzt aus dem Ungarischen von Ernö Zeltner.
Piper Verlag, München 2001.
278 Seiten, 18,40 EUR.
ISBN-10: 3492042864

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