Der Quarber Merkur

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Franz Rottensteiners ehemals durch Wachsmatritzenvervielfältigung verbreitete "unillustrierte Literaturzeitschrift", 1963 unter dem Schlachtruf "Kampf der verderblichen Schundliteratur" vom Herausgeber der "Phantastischen Bibliothek" im Suhrkamp-Verlag gegründet, erscheint seit 1997 als Periodikum im Ersten Deutschen Fantasy Club e. V. Wie es sich für ein Magazin zur Science Fiction und Phantastik gehört, profitiert das Heft mit Abbildungen von Buch- bzw. Zeitschriftenumschlägen und Autorenfotos nun von den Segnungen der Computertechnologie und des Digitaldrucks.

Der "Quarber Merkur" ist laut Herausgeber die einzige Zeitschrift im deutschen Sprachraum, die sich kritisch mit allen Erscheinungsformen des Phantastischen, von der unheimlichen Erzählung bis zur Science Fiction, beschäftigt und selbst in amerikanischen Nachschlagewerken berücksichtigt wird. Die neueste Doppelausgabe enthält einen umfangreichen Sonderteil über das Werk der russischen Autoren Arkadi und Boris Strugazki. Aufmerksamkeit, meint Rottensteiner, verdienten die Brüder insbesondere durch ihre sich unter den Bedingungen der Zensur herausbildende literarische Subtilität und die Unbestechlichkeit, mit der sie die Verhältnisse im eigenen Land beschrieben und analysierten, indem sie einen "scharfen Blick aus der Ferne auf naheliegende Zustände" warfen.

Neben weiteren Aufsätzen zu den Strugazkis, deren Romane zeitweise nur in privat angefertigten Abschriften kursierten, bis sie durch Glasnost, Perestroika und eine Liberalisierung der sowjetischen Medienlandschaft eine neue Popularisierung erfuhren, sowie einer vollständigen Strugazki-Bibliographie des deutschen Sprachraums, enthält das Heft weitere Artikel zu H. P. Lovecraft, William Gibson, Martin Beheim-Schwarzbach und anderen Phantastik-Autoren. Wie Signe Kirdes motivgeschichtlich orientierter Beitrag zum Schatten in der phantastischen Literatur oder Armin Müllers Aufsatz "Cyberdiskurse und Posthumanismus" zeigt, lassen sich diesem seitens der Literaturwissenschaft nicht selten herablassend belächelten Genre durchaus nichttriviale Aspekte abgewinnen.

Abgerundet wird die in Ton und Erscheinung in der goldenen Mitte zwischen literaturkritischem Magazin und aktuell gehaltener Fan-Zine angesiedelte Zeitschrift durch einen fast einhundertseitigen Besprechungsteil. Schon dieser Umfang macht den "Quarber Merkur" zu einem wichtigen Konkurrenten des bis dahin tonangebenden "Science Fiction Jahrbuchs" aus dem Heyne Verlag.

F. M.

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Erster Deutscher Fantasy Club (Hg.): Quarber Merkur 93/94. Franz Rottensteiners Literaturzeitschrift für Science Fiction und Phantastik.
Erster Deutscher Fantasy Club, Passau 2001.
304 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-10: 3932621476

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